Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

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Burgen
Gelöschter Benutzer

Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von Burgen am 12.05.2017 09:12

in wiki gibt es einen langen Beitrag zu dem Begriff 'Gutmensch'. 
Daher finde ich es sehr gut, dass wir hier nicht näher auf das Wort und den Begriff eingegangen sind.

Ich lerne daraus, überaus vorsichtig zu sein, mit dem, was mich prägen darf, soll.

Andererseits fällt mir dazu ein, was die Begegnung Jesus mit dem reichen Jüngling ausmacht.
Der junge Mann fühlte sich als ein guter Mensch aus einem reichen Elternhaus. 
Er tat alles was er meint vor Gott zu tun.
Aber eines fehlte ihm. Er konnte nicht *loslassen* um Jesus nachfolgen zu können.

Und wir heute? In unserem Land ? Oder Menschen, die Opfer von Menschenhandel sind?
Aber auch diejenigen, die ihr Leben der Buchstaben unterordnen?

Naja.
Es ist soooo unendlich wichtig, die Liebe Gottes im eigenen Leben zu glauben und sie erfahren, wie Henoch oben schrieb.
Da gilt es festzuhalten und zu verkündigen. Die Schrift ist voll der Guten Nachricht. Kennen wir sie?
Sind wir in der Lage die gute Nachricht zu leben, auszuleben?

 

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Pal

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Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von Pal am 12.05.2017 09:28

Wir stehen mit diesem Thema defacto vor einem menschlich nicht wirklich "verstehbaren" Paradox. Wie es @Geli in ihrem Standardsatz aussagt:

Ich bin dabei, durch Gottes Gnade das zu werden, was ich seit meiner Wiedergeburt schon bin!

Für normale Logik ist es eine Torheit.
Aber genau das, möchte uns Gottes Geist offenbaren.
Es geht um OFFENBARUNG, die Geheimnisse zu begreifen...
1Ti 3:9 ...die das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen haben.


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solana

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Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von solana am 12.05.2017 11:34

Hyperion schrieb:

Und diesbezüglich hätte ich dann auch gerne meine Frage an solana gestellt. Du schreibst im zweiten Absatz deines oben zitierten Posts, dass man die Tragfähigkeit der Grundlage unseres Lebens erfahren kann, dass man erfahren kann, dass er uns hält und trägt, trotz aller Unfähigkeit und trotz allen Versagens und je mehr wir das erfahren, um so sicherer und geborgener wissen wir uns dann auch in seiner Hand. Ich finde diese Gedanken wunderschön und sehe das ebenso wie du, aber wie glaubst du kann man diese Tragfähigkeit von der du sprichst, den Brüdern und Schwestern vermitteln, die sie einfach nicht spüren können, die sie auch nicht erfahren, sondern vielleicht zunehmend an ihrer menschlichen Schwachheit verzweifeln und die Spannungen deshalb zunehmend als unerträglich erleben, weil sie sich in der Tiefe ihres Herzens nicht befreit fühlen, sondern vielmehr in Sünde gefangen? Hast du vielleicht eine Idee, wie man in dieser Weise verzweifelten Geschwistern am besten helfen und begegnen sollte?

Hallo Hyperion
Ja, das ist sehr schwer Verzweifelten in so einer Situation das Richtige zu sagen und es gibt da sicher kein Universalrezept.
Ich kann da nur empfehlen, auf Gott zu hören und sich im Gespräch leiten zu lassen.

Denn Erfahrungen sind nun mal rein persönlich, die kann man anderen nicht von aussen vermitteln, man kann niemanden dazu bringen Vertrauensschritte zu wagen und  loszulassen, wenn er innerlich nicht dazu bereit ist.

Man kann anderen Mut machen und kann ihnen aus der eigenen Erfahrung erzählen, so dass sie manche Gedankenschritte nachvollziehen können und so manches erkennen.
Am hilfreichsten finde ich gezieltes Nachfragen.
Denn ein grosser Teil der Spannungen kommt daher, dass viele alte Denk- und Wertstrukturen noch so stark im Menschen verfestigt sind und ihn in seinem Selbstbild prägen und in seiner Freiheit einschränken. Viele Menschen versuchen allem gerecht zu werden - den Wertvorstellungen der "Welt" und gleichzeitig nach Gottes Willen so perfekt wie möglich zu leben. Das kann nur zwangsläufig in Konflikte führen (kenne ich aus eigener Erfahrung ).

Da hilft nur, mal inne zu halten und sich zu fragen: "Was suche ich eigentlich? Was sind die Prioritäten in meinem Leben? Warum ist mir etwas so wichtig und warum will ich dieses ode jenes unbedingt bzw warum ist mir der Gedanke so unerträglich, wenn etwas Bestimmtes anders kommt als ich es mir wünschte?"

vielleicht zunehmend an ihrer menschlichen Schwachheit verzweifeln und die Spannungen deshalb zunehmend als unerträglich erleben,

Das kenne ich auch.
Für mich war es sehr befreiend, zu verstehen, dass Gott das vorher schon wusste, als er mich rief, wie schwach ich sein würde und wie oft ich versagen werde - und trotzdem rief er mich und liebt mich. Diese Liebe ist es, die meinen Wert ausmacht - nicht mein "Gutmenschsein".

Das, was ich an Gutem tue, hat nicht zum Ziel, mir Gottes Liebe dadurch zu verdienen.
Es ist anders herum: er liebt mich zuerst und verändert mich innerlich durch seine Liebe so, dass ich ganz befreit und mit Freude das "Neue" in meinem Inneren nach aussen tragen kann und in meinem Tun sichtbar werden lassen auch für andere. Die guten Taten sind eine Frucht dessen, was im Inneren geschieht durch das verändernde Wirken des Heiligen Geistes.

Ebenso wie auch die Erkenntnis dessen, was ich alles falsch mache, was mir noch fehlt - die auch immer weiter wächst.
Das kann auch in grosse Spannungen führen, weil da dann wieder das alte "Leistungsdenken" verurteilend ins Spiel kommt und einem sagt, dass man angesichts all dessen, was noch nicht gut genug ist, "wertlos" ist und seine ganzen Bemühungen eigentlich "sinnlos". 
Hier kann man auch nur wieder hinterfragen: "Worin besteht mein Wert und wer gibt meinem Leben Sinn?"

Ich denke, es ist viel wichtiger, in jeder Situation sich dafür zu entscheiden, alles an Gott abzugeben und ihm zu vertrauen als grosse Erfolge als "Gutmensch" aufweisen zu können.
Das Wichtigste ist jeder einzelne Augenblick hier und jetzt - und der erhält seinen Sinn und Wert nicht von dem, was ich in der Vergangenheit Gutes oder Schlechtes getan habe, nicht das macht meine Identität aus.
Sondern das, was Gott in mir gerade in diesem Augenblick wirken kann - ganz unbelastet und frei von dem, was war.
Der Blick geht nach vorn im Bewusstsein, dass ich gehalten bin.
Phil 3, 13 Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, ....

Wenn Gott in seiner Liebe meine Schwäche und mein Versagen erträgt und von mir möchte, dass ich ganz befreit nach vorne sehe und im Vertrauen auf ihn den nächsten Schritt wage - wie sollte ich mich da nicht selbst auch annehmen können? 

Das sind ein paar Gedanken, die mir dazu einfallen.
Aber, wie gesagt, jeder Mensch und jedes Gespräch sind "individuell", am Besten versuchen, sich in den anderen hinein zu versetzen und seine Not mitspüren und sich von Gott leiten lassen ....
Gruss
Solana 

angeführte Bibelstellen (soweit nicht anders gekennzeichnet) sind aus Luther 1984/2017 zitiert nach dem Bibelserver

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Pal

65, Männlich

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Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von Pal am 12.05.2017 12:45

Ich möchte die Spannung zwischen den zwei Ebenen anhand von 2 Aussagen aus dem NT versuchen zu beleuchten:

(1) Jak 4:8 nahet euch zu Gott, so naht er sich zu euch! Reiniget die Hände, ihr Sünder, und machet eure Herzen keusch, die ihr geteilten Herzens seid! Jak 4:9 Fühlet euer Elend, trauert und heulet! Euer Lachen verkehre sich in Trauer und eure Freude in Niedergeschlagenheit! Jak 4:10 Demütiget euch vor dem Herrn, so wird er euch erhöhen.

(2) Phi 4:4 Freuet euch im Herrn allezeit; und abermal sage ich: Freuet euch!

Natürlich ist das zweite Zitat weitaus publikums-konformer und angenehmer.
Dennoch darf ich nicht den Fehler machen, das eine getrennt vom anderen zu halten.
Denn dann falle ich immer von einer Seite vom Pferd, anstatt stabil im Sattel zu bleiben.

Schließlich betont auch folgender Vers, das es gillt gleichzeitig zwei Gesetzmäßigkeiten zu entsprechen =>

Röm 7:25 ... Es gilt also beides: Meiner innersten Überzeugung nach diene ich dem Gesetz Gottes (2), meiner Natur nach aber bin ich dem Gesetz der Sünde versklavt. (1)

Das Beide "Ebene" (siehe Solana) nebeneinander vollständig bestehen, ist menschlich undenkbar und göttlich fantastisch!


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geli
Gelöschter Benutzer

Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von geli am 12.05.2017 13:17

Pal @ geli: Ja, da irrst du dich tatsächlich!

Ja, ich kann mir vorstellen, dass Du als Gemeindeleiter und Seelsorger Dinge erlebst, die Dich bewegen, immer wieder auf die "schwere" Seite des Evangeliums hinzuweisen.

Ich hab selbst schon erlebt, dass Menschen (Christen) mich sehr verletzt haben, dies aber überhaupt nicht erkennen können und daher auch gar nicht auf die Idee kommen, sich zu entschuldigen oder dergleichen.
Allerdings hab ich auch den Eindruck, dass es nichts nützen würde, sie auf ihre Sünde hinzuweisen. Sie fühlen sich in der Regel "im Recht" und schreiben den anderen dann einfach den "Heiligen Geist" ab... 

Aber es gibt auch andere (zu denen gehöre ich auch  - und eventuell auch Du?), die sich ständig hinterfragen, ob sie nun wieder etwas falsch gemacht haben, ob sie gesündigt haben, die sich nie wirklich "gut" genug vorkommen und immer wieder niedergedrückt sind und die Freude darüber, dass sie gerettet, gerechtfertigt, geheiligt sind, gar nicht für sich annehmen können.

Daher denke ich, dass es sehr wichtig ist, zu gucken, wen man vor sich hat und was derjenige gerade braucht.
Der eine braucht dringend Ermutigung und die Zusage, dass er ein geliebtes Kind Gottes ist, das gerechtfertigt und geheiligt ist - und hier kommt dann mein "Trotzdem" ins Spiel. Trotz Versagen, trotz Zukurzkommen, trotz "nicht gut genug" zu sein.

Die anderen brauchen eher, dass man sie auf Sünde hinweist - das ist das, was bei Dir, Pal, immer wieder sehr im Vordergrund steht. Manchmal habe ich das Gefühl: Egal, um welches Thema es geht - Du kommst immer wieder auf dieses eine Thema zurück...   Ist aber nicht böse gemeint  

Ja, und dann beschäftigt mich gerade eine Frage - eventuell will ich dazu einen eigenen Thread aufmachen:

Du (Pal) schreibst, dass Dir die echte Busse und die echte Reue bei einigen Deiner Gemeindemitglieder fehlt. Hierzu ist für mich die Frage: Muss eine Bitte um Vergebung unbedingt von tiefer Busse und Reue begleitet sein?
Ich persönlich glaube nämlich nicht, denn ich kenne es von mir, besonders aus den Zeiten, wo ich zum Glauben gefunden habe.
Da hab ich nämlich ganz stark mein vorheriges Leben mit der Bibel verglichen und von vielen Dingen festgestellt, dass sie vor Gott Sünde waren.
Dafür hab ich um Vergebung gebeten, teilweise bin ich auch zu Menschen, die es betroffen hatte, hingegangen und hab Dinge in Ordnung gebracht.
Aber von "tiefer Reue und Busse" war ich ehrlich gesagt nicht ergriffen. Ich hatte einfach nur erkannt, dass Dinge nicht recht vor Gott waren, und entsprechend reagiert.
Und ich weiß, dass Gott mir vergeben hat - auch wenn meine Gefühle nicht von Reue und Busse übergeflossen sind und auch meine Tränen über meine eigene Bosheit sich sehr in Grenzen gehalten haben... 

@ Burgen, ich finde, Dein Beispiel von dem Kind, das laufen lernt, hinfällt und wieder aufsteht, das ist wirklich zutreffend für unser Glaubensleben.

Wir sind Gottes Kinder und dürfen an seiner Hand "Laufen" lernen - lernen, wie wir unser Leben im Glauben meistern können und wie wir auch im Glauben wachsen können.
Hier fällt mir ein, wie es Paulus in Eph. 4,13 geschrieben hat:

"...damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi,
damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind der Lehre bewegen und umhertreiben lassen.... Laßt uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus."

@Pal, dass das "Schwere und Negative" in der Bibel so eine herausragende Rolle spielt, das kann ich nicht erkennen - zumindest nicht mehr im NT. Gerade Paulus weist und doch immer wieder darauf hin, daran zu denken, was wir vorher waren und was wir nun in Christus sind.
Aber gut ist, dass die Bibel das negative nicht verschweigt. Für mich trägt das sehr zur Wahrhaftigkeit der Bibel bei.

Lg, geli

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geli
Gelöschter Benutzer

Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von geli am 12.05.2017 13:19

Dennoch darf ich nicht den Fehler machen, das eine getrennt vom anderen zu halten.
Denn dann falle ich immer von einer Seite vom Pferd, anstatt stabil im Sattel zu bleiben.

Das stimmt - so ist das mit den Pferden... 

Lg, geli

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Pal

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Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von Pal am 12.05.2017 15:39

Geli:
Muss eine Bitte um Vergebung unbedingt von tiefer Busse und Reue begleitet sein?

Liebe Geli, ich gehe da von mir persönlich aus.
Leider habe ich nicht immer die "tiefe Reue", die ich haben sollte. Denn wenn das der Fall ist, dann verändere ich mich auch zum Guten.
Nur die Sünde, die mir von Herzen leid tut, werde ich meiden.
Die "Kleinigkeiten", die mir nicht so zu Herze gehen, werden immer wiederholt... ist es nicht so? -
Deshalb ist es auch meine Bitte: "HERR laß mich (meine) Sünde so empfinden, wie DU sie empfindest. Laß mich so empfindam sein wie DU warst!"
Ich denke, das hilft.

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Hyperion

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Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von Hyperion am 12.05.2017 16:51

Hallo solana,

zunächst einmal vielen herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort auf meine Frage. Ich bin wirklich beeindruckt wie gut du diese schwierigen "Sachverhalte" im biblischen Kontext überblickst und mit persönlicher Erfahrung angereichert, zu vermitteln verstehst! Dafür tausend Dank!

solana schrieb: Ja, das ist sehr schwer Verzweifelten in so einer Situation das Richtige zu sagen und es gibt da sicher kein Universalrezept. Ich kann da nur empfehlen, auf Gott zu hören und sich im Gespräch leiten zu lassen. Denn Erfahrungen sind nun mal rein persönlich, die kann man anderen nicht von aussen vermitteln, man kann niemanden dazu bringen Vertrauensschritte zu wagen und loszulassen, wenn er innerlich nicht dazu bereit ist.

Ich habe da ganz ähnliche Erfahrungen gemacht, von denen ich ganz kurz berichten mag, weil sie vielleicht und hoffentlich auch für dieses Thema von Belang sind.

Ich glaube ich war damals siebzehn Jahre alt, als ich mit einer christlichen Jugendgruppe eine Freizeit in Norwegen verbrachte. Dort lernte ich einen Bruder kennen, der sich mir im Laufe der Wochen und nachdem sich ein grundsätzliches Vertrauensverhältnis gebildet hatte, als homosexuell outete. Ich war wohl einer der ersten Menschen gewesen, mit dem er über seine sexuelle Veranlagung sprechen konnte und es war deutlich zu spüren, dass ihm das sehr schwer fiel, er sich schämte und ihm die ganze Situation super unangenehm war. Trotzdem hatte er aber das ganz starke Bedürfnis sich in einem vertrauensvollen Gespräch zu offenbaren und mir seine Not zu klagen. 

Er war nämlich von seinem Gruppenleiter (wir Jugendlichen waren ganz zu Beginn der Freizeit für die tägliche Bibelarbeit und für die Vorbereitung von z.B. Predigten, unterhaltsamen Rollenspielen usw in Gruppen von vielleicht sechs bis zehn Leuten eingeteilt worden), dem er sich ebenfalls anvertraut hatte, darüber aufgeklärt worden, was sich in der Bibel für Textstellen hinsichtlich des Themas Homosexualität finden lassen und gab ihm noch mit auf den Weg, dass er keinesfalls seine Homosexualität ausleben dürfe, da er sich ansonsten bewusst versündigen würde.

Nun hatte dieser Bruder, der auch in meinem Alter gewesen sein muss, seine homosexuelle Neigung wohl erst seit kurzem überhaupt so richtig wahrgenommen und deshalb bisher auch erst sehr zarte Versuche unternommen sich mit seiner Neigung auch hinsichtlich seines Lebens als Christ adäquat auseinanderzusetzen und war verständlicherweise, ob der Aussage des Gruppenleiters, völlig am Ende. 

Und da steht man nun als ganz junger Christ, sieht die Verzweiflung und Trauer in den Augen seines Gegenübers, spürt, dass sich dieser junge Mann ganz sicher niemals bewusst versündigen wollte und trotzdem weiß man nicht so recht, was man ihm nun raten und sagen soll, weil sich da eine Diskrepanz auftut, die zu überwinden nicht so ohne weiteres möglich scheint.

Natürlich kann man es so machen wie der Gruppenleiter, alle relevanten Bibelstellen zum Thema Homosexualität zusammentragen und dann zu dem Ergebnis kommen, dass man sich schlimm versündigen würde, würde man seine homosexuelle Neigung im Alltag ausleben. Ich persönlich finde aber, dass man mit solch einem Tun dem Betroffenen kein bisschen hilft, sondern ihn im Gegenteil eher in noch viel größere Not verstrickt, da man ihm ja allein aufgrund des Zitierens von Bibelstellen, noch keine wirkliche Hilfestellung leisten konnte, die ihn zukünftig darin unterstützt, "auf richtige Weise" mit seiner Neigung umgehen zu lernen (was auch immer das dann jeweils für den Betroffenen bedeuten mag). Stattdessen macht man ihm also lediglich bewusst, dass das nicht in Ordnung ist, was er da in sich spürt, wenn er sich zu einem anderen Mann hingezogen fühlen sollte und ich meine, damit ist nun wirklich niemandem geholfen.

Ich habe mich an diese Geschichte erinnert, weil ich damals genauso reagierte wie du es im obigen Zitat beschrieben hast und habe dem Bruder also geraten, sich im Gebet an Gott zu wenden und dazu bereit zu sein, sich von ihm im Alltag leiten zu lassen. Ich muss aber zugeben, dass das auch für mich nicht wirklich befriedigend war und ich ihm wirklich sehr gerne irgendwie, ich weiß selbst nicht wie, noch mehr hätte helfen wollen.

solana schrieb: Denn ein grosser Teil der Spannungen kommt daher, dass viele alte Denk- und Wertstrukturen noch so stark im Menschen verfestigt sind und ihn in seinem Selbstbild prägen und in seiner Freiheit einschränken. Viele Menschen versuchen allem gerecht zu werden - den Wertvorstellungen der "Welt" und gleichzeitig nach Gottes Willen so perfekt wie möglich zu leben. Das kann nur zwangsläufig in Konflikte führen (kenne ich aus eigener Erfahrung ).

Oh ja, ich denke das ist ganz grundsätzlich so, dass wir Menschen sehr gerne dem Ideal entsprechen möchten, das wir uns wieso, weshalb und warum auch immer, aufgrund irgendwelcher Vorstellungen, gemacht haben. Das zeigt aber auch irgendwo, dass wir grundsätzlich das Bedürfnis haben, den Anforderungen, die an uns gestellt sind, auch gerecht werden zu wollen.

Und an dieser Stelle muss ich dann ganz kurz auf eins meiner persönlichen Lieblingsthemen zu sprechen kommen, welches ich auch hinsichtlich des Threadthemas für unbedingt erwähnenswert halte, nämlich auf das Thema Herzensbildung und Herzenshaltung. Ich habe nämlich im Laufe meines Lebens die Erfahrung gemacht, dass ich hinsichtlich meines Glaubens ganz besonders im Bereich der Herzensbildung und der daraus resultierenden Herzenshaltung Veränderung erfahre, so dass ich fast schon versucht bin zu behaupten, dass das Leben als Christ vor allem ein großer Herzensbildungsprozess ist. 

Und vielleicht hattest du ja ähnliches im Sinn, als du von dem verändernden Wirken des Heiligen Geistes sprachst, solana?

solana schrieb: Das, was ich an Gutem tue, hat nicht zum Ziel, mir Gottes Liebe dadurch zu verdienen. Es ist anders herum: er liebt mich zuerst und verändert mich innerlich durch seine Liebe so, dass ich ganz befreit und mit Freude das "Neue" in meinem Inneren nach aussen tragen kann und in meinem Tun sichtbar werden lassen auch für andere. Die guten Taten sind eine Frucht dessen, was im Inneren geschieht durch das verändernde Wirken des Heiligen Geistes.

Das verändernde Wirken des Heiligen Geistes, oder wie du es in einem älteren Posts nanntest, die neue Identität in Christus, ist deshalb Dreh- und Angelpunkt meines Menschseins! Denn nur aus dieser Quelle schöpft sich die Kraft, um, wie du es nanntest, alte verfestigte Denk- und Weltstrukturen, die das Selbstbild prägen und in der Freiheit einschränken, zu überwinden. Tatsächlich erlebe ich das auch als eine Art "Ablösungsprozess", so dass in dem Maße, wie ich aus mir selbst ausgehe, Gott in mich eingeht. Jedoch immer dort, wo ich an mir selbst festhalte und anhafte, da blockiere ich gleichsam auch Gott. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Gott immer ganz da ist, auch wenn wir uns ihm vielleicht nicht immer ungeteilt öffnen. 

LG
Daniel

Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige; immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenübersteht; immer ist die wichtigste Tat die Liebe.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 12.05.2017 17:25.

Hyperion

49, Männlich

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Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von Hyperion am 12.05.2017 17:18

Hallo Pal,

Pal schrieb: Leider habe ich nicht immer die "tiefe Reue", die ich haben sollte. Denn wenn das der Fall ist, dann verändere ich mich auch zum Guten. Nur die Sünde, die mir von Herzen leid tut, werde ich meiden. Die "Kleinigkeiten", die mir nicht so zu Herze gehen, werden immer wiederholt... ist es nicht so? - Deshalb ist es auch meine Bitte: "HERR laß mich (meine) Sünde so empfinden, wie DU sie empfindest. Laß mich so empfindam sein wie DU warst!" Ich denke, das hilft.

Du, ich muss da nochmal was nachfragen. Ich verstehe nämlich nicht, wieso du meinst, dass deine Reue manchmal nicht tief genug ist und wieso du es für erstrebenswert hältst, Sünde so empfinden zu wollen, wie der Herr sie empfindet? Weißt du, ich denke die Intensität der Empfindung von Reue oder Sünde spielt doch eigentlich überhaupt keine Rolle, sondern lediglich die aufrichtige Bereitschaft, seine Sünden zu bereuen, bzw. bereuen zu wollen, oder? 

Ich könnte ja verstehen, wenn man das Bedürfnis danach hat, sich auch wirklich befreit zu fühlen, nachdem man seine Sünden bereute und dann eventuell darunter leidet, wenn dem nicht so sein sollte. Aber quasi darum zu bitten, in ganz besonders hohen Maße seine Sünden zu empfinden, halte ich persönlich für sehr befremdlich (und am End' sogar für gefährlich), denn findest du nicht, dass du dich dann völlig unnötigerweise emotional an den Schmerz bindest?

LG
Daniel 

Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige; immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenübersteht; immer ist die wichtigste Tat die Liebe.

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Burgen
Gelöschter Benutzer

Re: Gutmensch oder Bösmensch - wie siehst du dich?

von Burgen am 12.05.2017 18:00

Hallo Pal

was erwartest du von den Mitgliedern deiner Gemeinde hinsichtlich das Leben im Fleisch?

Römer 8 und Galater 5 geben einen guten Einblick des Fleisch und Geist im täglichen leben.

Klar, Paulus scheint in seinem Lebensdrame der Fleischlichkeit gefangen zu sein. Dem ist aber nicht so.

Er kann sehr gut die fleischliche Wurzel heraus zu arbeiten und sie den geistlichen Früchten des Lebens im Geist gegenüberzustellen.

Es geht ihm da mMn weniger um die Busse,  sondern eher darum, dass die Gemeinde aufgeweckt wird und sodann um den Perspektivwechsel.

Hin in das Leben und die Beziehung des Geistes mit Jesus, welches dann handfeste Beweise zeigt.

Diesen Wechsel dürfen wir getrost dankbar jeden Tag und immer wieder durchführen.

Hilfreich und auch eine gewisse Bedingung ist wohl das Wasserbad des Wortes.

Das heißt die Schrift am Herzen wirken lassen. Veränderung geschieht am Herzen durch Gott, nicht weil ich die Veränderung bewirken will.

Aber es kann natürlich sein, dass eine sofortige Überführung dessen geschieht, wo man im Leben gerade festsitzt.

Dann kann man natürlich sofort mit Gott verhandeln, dass er freisetzt und vergibt, und Neues wachsen lässt.

Auch ein Seelsorger benötigt Seelsorge. Das vergessen wir manchmal in den evangelisch geprägten Gemeinden.

Was macht Seelsorge u.a. aus? Ist es nicht so, dass sie dabei hilft, wie vor einem Spiegel, Knoten zu lösen?

Ein junger Mensch braucht eher jemandem, der die innere Chaoswelt verstehen hilft und hindurch hilft. Ohne Knute, mit Gottes Liebe.

Das hilft dabei nicht in der Prägung stecken zu bleiben. Wir alle haben eben so Knoten, die meist nur Gott so richtig kennt.

Gruß
Burgen

 

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