Ein Tag aus dem Leben eines Strohwitwers

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cipher
Gelöschter Benutzer

Ein Tag aus dem Leben eines Strohwitwers

von cipher am 27.04.2014 15:45

Urheberrecht liegt ausschließlich bei mir
Ein Tag aus dem Leben eines Strohwitwers
Es geschah am 6. Februar des Jahres 1997, als meine Frau den Versuch unternahm, meine Gitarre vom Wohnzimmertisch, wohin sie nicht gehörte, auf den Schrank zu befördern, wohin sie gehörte. Zu diesem Zweck stieg sie auf einen Schemel, welcher eigentlich kein solcher war. Es war ein zylinderförmiges Schaumstoffkissen, auf das sie stieg. Als sie eben besagtes Musikinstrument an seinen originalen Platz legen wollte, neigte jenes Schaumstoffkissen sich, gewissen physikalischen Gesetzen folgend, zur Seite.
Meine Frau, welche meine Gitarre nun keinesfalls beschädigen wollte, dazu war das gute Stück zu teuer gewesen, sagte sie, versuchte, der Gefahr des Fallens ihrer Person und nämlicher Gitarre zu entgehen, indem sie schleunigst von diesem „Unschemel" herabstieg. Sie stieg zu heftig. So heftig, daß sie sich bei der Landung ihr linkes Knie brach.
Schmerzen - Transport ins Krankenhaus - Operation - fünf Wochen Krankenhausaufenthalt - ich war Strohwitwer!
Es begann für mich eine fünfwöchige Leidenszeit, welche ich keinem Papi der Welt, ja nicht mal meinen ärgsten Feinden gönne - außer, wenn sie keine Ahnung vom Arbeitsleben einer „Nur"hausfrau und Mutter haben.
Aus diesen fünf Wochen will ich einen Tag herausgreifen. Irgendeinen Tag aus irgendeiner dieser fünf Wochen. Zugegebenermaßen - ein bißchen dichterische Freiheit ist auch dabei. Doch der reale Teil der Beschreibung... Aber lesen Sie doch selbst.
Irgendwann mitten in der Nacht.
Irgendeine meiner vier Töchter rüttelt mich an der Schulter: „Papi, ist heute keine Schule?" „Schule? Aber Kind, doch nicht mitten in der Nacht." „Papi, es ist nicht mitten in der Nacht. Es ist gleich halb sieben!" Das sitzt!
Mit einem Ruck fahre ich hoch. Wieso hat mich niemand geweckt? Was ist mit dem Wecker? Der ist gestellt. Muß auch gepiepst haben - irgendwann. „Na Mahlzeit. Also los, Mäuschen, zeigt mal, daß ihr flink sein könnt. Auf geht's!"
Unter meinen anfeuernden Rufen geht's tatsächlich - gerade eben noch. Märthe will mir ständig etwas sagen. Doch zur Zeit ist keine Zeit. Außerdem drückt meine Blase bereits auf das heftigste. Ich muß mal! „Gleich, Märthe."
Ein Glück, die Großen haben den Bus noch bekommen. „Papi", sagt Märthe, „Papi, ich..." „Märthelein, ich..." Ich komme auch nicht zu Wort. Lizzy, unsere Hundedame, meldet ihre dringenden Bedürfnisse mit energischem Quieken an. „Ich muß mal!" soll das heißen. „Was soll das, Lizzy, ich muß auch. Winsel ich deswegen?" Lizzy ist nicht beeindruckt und winselt weiter. Also gut. Als mit Vernunft begabter Mensch kann ich noch etwas aushalten. Hauptsache der Hund... Ich instruiere Märthe, was sie bis zu meiner Rückkehr zu tun habe. Ihr „Papi, ich muß doch..." verhallt vorerst unbeachtet.
Lizzy macht wieder ein Schauspiel aus dem „Gassigehen". Die kleineren Sachen hat sie erledigt. Aber das große Geschäft - meine Güte, welch ein Zirkus. Gerade hockt sie sich hin - halt! da kitzelt ein Grashalm unter'm Bauch. Neue Stelle suchen. Neuer Versuch - halt! Da schaut ein Käferchen interessiert zu. Wie peinlich! Nächster Versuch. Schließlich beim vierten oder fünften Versuch klappt's dann.
Erleichtert hupft Lizzy davon. Sie will spielen und prescht hin und her. Ich will nicht spielen. ICH MUSS MAL! Ich ziehe Lizzy in Richtung Heimat. Lizzy prescht wieder nach vorne. Der Boden ist rutschig, Lizzy hat Spikes, ich nur glatte Sohlen. Lizzy holt mich mit Schwung und Schmackes von den Füßen. Der Länge nach liege ich im im Matsch. Lizzy kommt, verlegen fiepend, und will mir helfen. Ich hasse hilfsbereite, fiepende, verlegene Hunde...
Endlich wieder im Haus. Schaffe es gerade noch, der herumalbernden Hundedame das Futter in den Napf zu schütten. Dann will ich nach oben. ICH MUSS MAL!
„Papi...", versucht Märthe es wieder. ICH MUSS MAL! „Gleich Märthe. Aber jetzt..." Es läutet an der Tür. Mir bricht der Schweiß aus. Als ich öffne, steht der Paketbote vor der Tür. Er bekommt DM 14,23. Ob ich es klein habe, er habe noch kein Wechselgeld in der Kasse.
Ich rase mit zusammengebissenen Zähnen und Trippelschritten im Haus herum und klaube Kleingeld zusammen. Es werden nur DM 14.18. Nein, er brauche es schon genau, morgen komme er vielleicht nicht vorbei. Noch mal auf die Suche. ICH MUSS MAL - meine Backenzähne schwimmen bereits!!!!! Endlich habe ich auch die letzten fünf Pfennige zusammen. Als der Paketbote mich unterschreiben lassen will stellt sich heraus, daß das Paket gar nicht für uns ist. Also alles wieder rückgängig machen. ICH...
Endlich auf's Klo... „Papi..." „Märthe, gleich. Ich muß jetzt erst einmal da", ich zeige bestimmt und sehr energisch auf's WC, „hinein. Dann habe ich Zeit für dich." Jetzt hält mich nichts mehr. Endlich!! Wie schön kann doch die Welt sein, sogar noch, wenn der Schatz im Krankenhaus liegt. Nur ein Klo und ich bin froh...
„So, Mäuschen", sage ich zu Märthe, welche geduldig wartet, „was willst du mir denn nun sagen?" „Ich muß heute gar nicht in die Schule. Alle Lehrer sind heute bei einer Fortbildung, darum fällt die Schule aus." „Na, warum sagst du mir das denn nicht gleich?" Märthe sieht mich mit nachdenklichem Blick an...
Fein, daß Märthe heute nicht zur Schule muß. Vielleicht kann ich mir jetzt einen Kaffee erlauben. Ich zelebriere die Vorbereitungen und will gerade die Kaffeemaschine einschalten als das Telefon explodiert.
Eine Telefonaquisiteurin hat versucht, mir einen Jumbo-Jet als Vermögensanlage zu einem Spottpreis anzudrehen. Beinahe 15 Minuten säuselt sie mir die Vorteile eines solchen Handels ins Ohr. Zum Schluß fragt sie: „Darf ich sie dann dafür notieren, Herr Müllermeier?" „Nein", sage ich schlicht und einsilbig, worauf sie - für einen Fragebogen, sagt sie - wissen will, warum nicht. Ob mir die Firma nicht angenehm sei, oder ob ich vielleicht doch lieber einen Öltanker oder eine Beteiligung an der nächsten Spaceshuttle-Mission erwerben möchte. Rendite garantiert 1200%. Nein, will ich auch nicht! Ich habe keinen Pilotenschein, bin kein Schiffskapitän, kein Astronaut und überhaupt. Sie legt endlich und reichlich unwirsch auf.
Gerade hab' ich es geschafft, die Kaffeemaschine einzuschalten, als es schon wieder an der Tür klingelt. Lizzy kläfft wie verrückt.
Zwei Zeuginnen Jehovas stehen vor der Türe - um diese Zeit??. Ob ich ein wenig Zeit habe. Nein, hab' ich nicht! Als ich die Haustüre schließen will sehe ich, daß es in Strömen regnet. Doch ich tu' so, als hätte ich nichts gesehen und schließe die Tür sanft, jedoch nachdrücklich. Die beiden Damen ziehen ab. Jetzt endlich einen Kaffee.
Es ist geschafft, der Kaffee dampft in meiner Tasse, ein Schlückchen Milch dazu und ich lasse mich behaglich in einen Sessel sinken. Auguste kommt angewackelt. Im Schlafanzug. „Papi, darf ich jetzt aufstehen?" und kuschelt sich auf meinen Schoß. Ich schmuse ein bißchen mit ihr. „Jetzt gehst du in dein Zimmer und ziehst dich an, ok?" Sie trudelt ab. Wenn ich meinen Kaffee getrunken habe, werde ich der kleinen Maus ihr Frühstück vorbereiten.
Gerade habe ich Augustes Frühstück in Arbeit, läutet es wieder an der Tür. Mittlerweile hat Märthe jedoch die Kellertür einen Spalt aufgelassen. Als ich die Haustür öffne, fegt Lizzy wie eine Irre aus der Kellertüre und will dem jungen Burschen an der Haustür an die Gurgel. Gerade kann ich sie noch festhalten und befördere sie wieder hinter Schloß und Riegel. Lizzy ist beleidigt. Sie hat doch nur ihren Job getan. „Guten Tag, wir machen eine Umfrage". Ich sehe den Packen Zeitschriften in seinem Arm. „Danke, ich möchte keine Zeitschriften abonnieren. Wir haben, was wir benötigen." „Wie kommen sie darauf, daß wir Zeitschriften verkaufen? Es geht hier nur um eine Umfrage." Gerade will ich antworten, als aus dem oberen Kinderzimmer gellende Schreie tönen. „Tut mir leid, sie hören ja selbst..." Und drücke die Haustür ins Schloß.
Mit vier, fünf Sätzen bin ich die Treppe hinauf. Noch drei Sätze bringen mich ins Kinderzimmer. Auguste steht da im Slip und grinst. „Märthe und ich haben gewettet, wer am lautesten kreischen kann." „Und du hast gewonnen oder?" frage ich, mühsam die bereits auf dem Weg in meinen Kopf befindliche Panik zurückdrängend. „Märthe hat ja noch gar nicht", entgegnet Auguste entrüstet. Ich verbiete kategorisch weitere Schreiwetten.
Als ich ins Wohnzimmer gehe, um die Kaffeetasse zu holen und der Reinigung zuzuführen, sehe ich die Bescherung: Ich hab' vergessen, mich nach meiner Bruchlandung beim „Gassigehen" umzuziehen. Der ehemals weiße Sessel ist nicht mehr durchgehend weiß. „Schlammfarben marmoriert" ist der adäquate Ausdruck. Der Teppichboden hat auch was abbekommen. Fein ist das. Und wie soll ich das Zeug jemals wieder sauber bekommen? Schließlich wird irgendwann meine Frau wieder aus dem Krankenhaus entlassen.
Inzwischen bin ich durch's Haus gewetzt. Wäsche zusammensuchen. Kochwäsche, Buntwäsche, Feinwäsche, Handwäsche, Kinderwäsche, Katzenwäsche - doch doch, ich krieg' das schon hin, keine Sorge. Als ich die Waschmaschine endlich beladen habe, Waschpulver ist drin, schalte ich sie gespannt ein. Doch es rührt sich nichts. Das Wasser läuft nicht, die Trommel dreht nicht. Und wenn der Schatz das gemacht hatte, sah's immer so einfach aus. Ich kontrolliere noch mal alles, es ändert sich nichts. Scheint wirklich kaputt zu sein. Niedergeschlagen rufe ich einen Elektriker an: Es ist wirklich dringend, Sechspersonenhaushalt und keine Waschmaschine... Der Elektriker kommt tatsächlich. Mit Blaulicht.
Elektriker ist wieder weg. Mit ihm ein Euroscheck über DM 148,50. Er kam, drehte den Wasserhahn hinter der Waschmaschine auf, schrieb seine Rechnung, kassierte und ging. 148 Mark für's Blaulicht, fuffzich Pfennige für's Hahnaufdrehen. Für das Geld hätt' ich den Wasserhahn auch gerne selbst aufgedreht. Wasser läuft, Trommel dreht, Maschine wäscht.
So, endlich hab' ich auch die Küche wieder auf Vordermann gebracht. Geschirr in der Spülmaschine, die läuft jedenfalls. Fußboden gewischt, Arbeitsflächen, Schränke gereinigt; na also, soooooo schlecht bin ich darin also auch wieder nicht. Allmählich und ungemütlich deutlich tritt die Frage an mich heran, was es denn heute zum Mittagessen geben soll. Die Frage heißt Auguste. „Laß' mich mal überlegen, Mäuschen", versuche ich noch ein wenig Zeit herauszuschinden. „Was gab es denn gestern?" frage ich Auguste schließlich. „Bratkartoffeln mit Fleischwurst", tönt es wie aus der Pistole geschossen und im Duett, denn Märthe hat sich in die Diskussion eingeschaltet. „Gut. Dann machen wir heute - Fleischwurst mit Bratkartoffeln und Salat." „Das ist doch dasselbe", protestiert Auguste. „Nein, gestern hatten wir keinen Salat. Und du kannst nicht sagen, Bratkartoffeln mit Fleischwurst sei das gleiche, wie Fleischwurst mit Bratkartoffeln". Auguste schmollt ein wenig, weil sie sich von mir für dumm verkauft hält. „Aber schmecken tut's genauso!" sagt sie, leise, aber mit voller Überzeugung. Ich schnappe mir das kleine Persönchen und nehme sie auf den Arm: „Bitte bitte, liebe Auguste, nicht böse sein. Ich wollte dich nur ein bißchen verulken. Verzeihst du mir?" „Hab' ich schon längst", sagt Auguste, die weitherzige, schmiegt ihr kleines Körperchen an mich und nimmt mich ganz, ganz fest in ihre Arme. Ach, wie herrlich ist es doch, Papi zu sein. Das tut gut...
Schmusezeit vorbei, Essen machen. Weil ich Kartoffelschälen eh' nicht ausstehen kann und mir Reis besser schmeckt, als Kartoffeln, gibt es heute Reis mit Thunfisch, Rührei und Pilzen. Die Kinder tragen's mit Fassung. Hundchen freut sich, weil's bei Reis leicht krümelt. Und was krümelt und unter den Tisch fällt, gehört Lizzy, das ist ehernes Gesetz.
Also Thunfisch und Eier in die Pfanne, Wasser für den Reis aufsetzen. Die Eier sind längst unheimlich gerührt und der Thunfisch ist es auch, das Wasser für den Reis aber immer noch nicht heiß. Nach meiner Erfahrung mit der Waschmaschine sehe ich lieber noch mal genau nach und tatsächlich: Ich hab' natürlich die falsche Platte eingeschaltet. Also kommt der Topf eben auf die andere Platte. Trotz aller Widrigkeiten können die beiden Kleinen und ich um eins essen. Auguste verschüttet den ,Teesaft" (Früchtetee leicht gezuckert mit Apfelsaft). Ganz aus Versehen, weil sie probiert hat, den Becher mit nur einem Finger zu halten. Ich versuche ruhig zu bleiben.
Um größere Überschwemmungen zu vermeiden will ich selbst den kleinen süßen See aufwischen. Dabei stoße ich an die Zweiliterkanne Teesaft. Sie ist noch voll. Beinahe zwei Liter des leckeren Getränks ergießen sich über Märthe, Auguste, Papa, Tisch, Hund und Küchenfußboden. Die Zweiliterkanne ist leer. Na fein!
Küchentisch abräumen, reinigen, Küche ausräumen, reinigen, Kinder aus- und umziehen, Papi aus- und umziehen, Hund - nein, nicht in die Spülmaschine, das ist zu heiß. Also im Mörtelmischkübel vor der Terrasse. Die Kinder nehmen's gelassen, der Hund weniger. Lizzy mag kein Wasser. Als ich mit ihr fertig bin, zieht sie sich beleidigt auf die Terrasse zurück. Um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen, schnappt sie sich die Fußmatte und beutelt sie mit zornentbranntem Geknurre hin und her. Lizzies Blicke verraten, wen sie eigentlich damit meint...
Die zwei Großen kommen aus der Schule. Ich wische gerade den Küchenfußboden trocken. Märthe und Auguste hab' ich in die Verbannung auf ihr Zimmer geschickt. Die Großen maulen, sie haben Hunger. Ich auch!
Als ich dann endlich die Küche wieder eingeräumt habe, muß ich das Essen aufwärmen. Inzwischen ist es drei Uhr durch. Selbst mein Appetit hält sich in Grenzen. Ich hab' dem Schatz versprochen, ich komme um halb vier. Doch sie brauchte doch noch Wäsche, was denn noch gleich. Ich finde meinen Zettel nicht mehr.
Ich rufe den Schatz im Krankenhaus an und frage nach der benötigten „Software". Wie der Wind fege ich durch die Schränke und klaube die benötigten Sachen zusammen. Das Telefon klingelt! XX ist dran und erzählt mir haarklein, was er heute mit seinem Computer erlebt hat. Dabei schweift er ab zu Urlaub, Kindererziehung und Gartenarbeit. Schließlich unterbreche ich ihn, sanft, aber heftig. Als er sich verabschiedet, klingt er leicht verschnupft. Ich verspreche deshalb, mich später noch mal bei ihm zu melden.
Bin auf dem Weg zu Iris. Auf halbem Wege beginnt der Diesel zu stottern. Schließlich geht er aus. Der Tank ist leer. Der Reservekanister zum Glück nicht. Nach kaum einer Viertelstunde kann ich weiterfahren.
Endlich bin ich am Krankenhaus. Nach drei Runden Suchens finde ich endlich einen Parkplatz.
Endlich! Als ich die Station erreiche, auf der Iris liegt, strebe ich ihrem Zimmer zu. Doch das Licht ist an. Das bedeutet Warten. Ich warte geschlagene zehn Minuten. Endlich klopfe ich behutsam. Als ich die Tür öffne, ist jedoch niemand im Raum außer meiner Frau. Die Schwester muß vergessen haben, nach dem Bettenmachen das Licht wieder auszumachen.
Als ich ihr endlich einigermaßen atemlos gegenüberstehe, sehe ich, wie mies es ihr geht. Ich begrüße sie mit Küßchen. Sie klagt über Schmerzen. Sie weint dabei. Bis jetzt hat alles schon viel länger gedauert, als abzusehen war. Eine Entzündung hat die Genesung aufgehalten und zusätzliche Schmerzen verursacht. Es schmerzt mich zu sehen, wie blaß und elend meine Geliebte da in diesem Krankenhausbett liegt und vor Schmerzen kaum noch weiß, wohin. Ich versuche, sie zu trösten, doch die Worte wollen nicht so recht aus mir heraus. Als sie die Wäsche begutachtet, die ich mitgebracht habe, muß sie doch kurz lachen. Ich hab' Augustes Slips erwischt, sogar eine Unaussprechliche von mir ist dabei. Naja, bis morgen wird sie hinkommen, dann komme ich ja wieder.
Eine Weile sind wir schweigend zusammen, ich halte ihre heiße und verschwitzte Hand. Mir ist zum Heulen. Doch ich will sie nicht auch noch 'runterziehen. Also versuche ich hilflosen smalltalk. Doch meine Worte versiegen bald und wir schweigen wieder. Ein großes „Warum" steht in ihrem Gesucht geschrieben und ich vermute, es steht auch auf meinem zu lesen. Es tut gut, für eine kurze Zeit einander so nahe zu sein. Ich fühle, wie Iris sich etwas entspannt und dann beginnt sie, etwas zu erzählen. Wie ihr Tag so verlaufen ist, sie fragt nach den Kindern, deren Grüße ich ihr ausrichte.
Schließlich ist es Zeit, mich zu verabschieden. Wieder tut was weh. Iris fällt es schwer, meine Hand loszulassen...
Wieder zu Hause. Ich hab gleich die Schmutzwäsche in die Waschmaschine befördert, auch die „Saftwäsche" vom Mittag ist dabei. Diesmal vergesse ich nichts, die Maschine läuft. Beim Abendessen mit den Kindern bin ich ziemlich einsilbig. Ein dicker Kloß ist in meinem Hals gewachsen und will nicht weichen. Schließlich hole ich meine Gitarre und spiele mir die Finger wund und die Traurigkeit von der Seele. Mir laufen die Tränen, während ich spiele und die Kinder sitzen stumm und etwas ratlos um den Tisch.
Als ich mein Spiel beendet habe, fühle ich mich besser. Auch unsere Älteste, Dorothea, hat feuchte Augen, sie hat mein Spiel verstanden.
Höchste Zeit, die Kleinen ins Bett zu verfrachten. Wir beten miteinander und beten vor allem, daß die Mami bald wieder gesund ist und es ihr besser geht und daß ihre Schmerzen aufhören. Es beeindruckt mich, mit welcher Inbrunst selbst die kleine Auguste für die Mami bittet.
Während Libella den Hund nach draußen führt und die kleinen Mäuse sich ins Bett verfügen, räume ich mit Dorothea zusammen die Küche auf.
So, der Tag scheint geschafft. Ich bin es auch. Für eine Weile sitze ich noch im Wohnzimmer. Im Hause ist Ruhe eingekehrt. Die Kleinen schlafen, Libella inzwischen auch, Dorothea liest noch etwas.
Ich denke über den vergangen Tag nach und fühle, wie in mir Ärger zu kochen beginnt. Ärger - ja, auf wen bin ich eigentlich ärgerlich? Daß Iris so leidet. Daß sie nun schon so lange im Krankenhaus liegt, daß dieser blöde Unfall überhaupt geschehen ist und daß die Verletzung so schwer ist...
Schließlich ist es beinahe Mitternacht. Ich steige die Treppe ins obere Stockwerk hinauf und sehe noch mal nach den Kindern. Sie schlafen.
Hundemüde betrete ich unser Schlafzimmer, entkleide mich und plumpse in mein Bett. Bevor ich einschlafe, stehe ich noch mal auf und stelle den Wecker weit weg, auf das Bücherregal...

Urheberrecht liegt ausschließlich bei mir

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Wintergruen
Gelöschter Benutzer

Re: Ein Tag aus dem Leben eines Strohwitwers

von Wintergruen am 27.04.2014 16:08

Oooh lieber Cipher,,

welche amüsante Geschichte ,, habe schmunzeln müssen beim Lesen... 

aber auch teilweise sehr ergreifend und rührend

dann gehe ich mal von aus das du über die vielen Jahre gelernt hast, wie Hausfrauentätigkeiten funktionieren... denn du weißt nicht wann die liebe Gattin evtl wieder in ein Krankenhaus muss  oder  mal nichts machen kann... 

Mit der Geschichte hast du sicher  sagen wollen ,,, wie sinnvoll es ist bekennender Prepper zu werden ... lach :)))))))))) 
'Vorbeugen bevor eine Krisensituation kommt"

Antworten Zuletzt bearbeitet am 27.04.2014 17:13.

Beerenwald
Gelöschter Benutzer

Re: Ein Tag aus dem Leben eines Strohwitwers

von Beerenwald am 27.04.2014 16:58

cipher schrieb: Als ich ihr endlich einigermaßen atemlos gegenüberstehe, sehe ich, wie mies es ihr geht. Ich begrüße sie mit Küßchen. Sie klagt über Schmerzen. Sie weint dabei. Bis jetzt hat alles schon viel länger gedauert, als abzusehen war. Eine Entzündung hat die Genesung aufgehalten und zusätzliche Schmerzen verursacht. Es schmerzt mich zu sehen, wie blaß und elend meine Geliebte da in diesem Krankenhausbett liegt und vor Schmerzen kaum noch weiß, wohin. Ich versuche, sie zu trösten, doch die Worte wollen nicht so recht aus mir heraus. Als sie die Wäsche begutachtet, die ich mitgebracht habe, muß sie doch kurz lachen. Ich hab' Augustes Slips erwischt, sogar eine Unaussprechliche von mir ist dabei. Naja, bis morgen wird sie hinkommen, dann komme ich ja wieder. Eine Weile sind wir schweigend zusammen, ich halte ihre heiße und verschwitzte Hand. Mir ist zum Heulen. Doch ich will sie nicht auch noch 'runterziehen. Also versuche ich hilflosen smalltalk. Doch meine Worte versiegen bald und wir schweigen wieder. Ein großes „Warum" steht in ihrem Gesucht geschrieben und ich vermute, es steht auch auf meinem zu lesen. Es tut gut, für eine kurze Zeit einander so nahe zu sein. Ich fühle, wie Iris sich etwas entspannt und dann beginnt sie, etwas zu erzählen. Wie ihr Tag so verlaufen ist, sie fragt nach den Kindern, deren Grüße ich ihr ausrichte. Schließlich ist es Zeit, mich zu verabschieden. Wieder tut was weh. Iris fällt es schwer, meine Hand loszulassen... Wieder zu Hause. Ich hab gleich die Schmutzwäsche in die Waschmaschine befördert, auch die „Saftwäsche" vom Mittag ist dabei. Diesmal vergesse ich nichts, die Maschine läuft. Beim Abendessen mit den Kindern bin ich ziemlich einsilbig. Ein dicker Kloß ist in meinem Hals gewachsen und will nicht weichen. Schließlich hole ich meine Gitarre und spiele mir die Finger wund und die Traurigkeit von der Seele. Mir laufen die Tränen, während ich spiele und die Kinder sitzen stumm und etwas ratlos um den Tisch.

Wow! Sehr gut die Situation eingefangen und dem Leser nahe gebracht.

Es kann natürlich sein, dass das alles wieder nur der Fantasie eines Autors entsprungen ist, aber trotzdem ich drücke den Protagonisten dieser Geschichte, ganz fest die Daumen, dass alles gut ausgegangen ist, ihr Lieben!


Freundliche Grüße vom
Beerenwald

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cipher
Gelöschter Benutzer

Re: Ein Tag aus dem Leben eines Strohwitwers

von cipher am 27.04.2014 17:00

Beerenwald schreibt: Es kann natürlich sein, dass das alles wieder nur der Fantasie eines Autors entsprungen ist Kann - doch das ist einer der wahrsten Teile..

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susan
Gelöschter Benutzer

Re: Ein Tag aus dem Leben eines Strohwitwers

von susan am 29.04.2014 16:36

Hi cipher,

eine sehr gelungene Tragikomödie, wie sie nur das Leben schreiben kann. 
Das eine Auge, welches "herzhaft" lachte und das Weinende, welches diesen unsäglichen Schmerz "spürte".

Danke dir.

liebe gesegnete grüßle
susan

....du solltest doch irwann Kurzgeschichten schreiben ;) ....dieses "Schwarz-Weiß" ist einfach unschlagbar!!! Lächel !

 

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