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christ90

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Re: Nähe vs. Distanz

von christ90 am 17.10.2015 11:32


Hallo Cleo,

Ist jetzt nicht weiter schlimm, hat mich in dem Moment halt nur etwas verwundert mir negative Erfahrungen zuzuschreiben (persönlich oder mit anderen Christen). 

Wo ich ja zuvor bereits dezidiert schrieb:
 

Auch schreibe ich hier nicht von bestimmten, mir näher bekannten Personen

und wie ja auch aus dem Text schon hervorgeht: "Es gibt Menschen, ..." 

Ich unterstelle dir da keine böse Absicht oder so; so kleine Unachtsamkeiten können schon mal passieren. Gerade wenn es um subjektive Belange geht empfiehlt es sich daher auch schon mal genauer (im Zweifelfall auch mehrmals) zu lesen.   
 
Die mir persönlich bekannten Christen sind im Übrigen durchweg in Ordnung.

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christ90

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Re: Nähe vs. Distanz

von christ90 am 17.10.2015 07:16

Wintergrün: wie war denn die damalige Gotteserfahrung im Vergleich zu heute?
Vielleicht verstehe ich besser was du meinst, wenn du es mir erklärst.

Nun, zunächst: Die Frage, die sich mir im Grunde stellt, ist, inwiefern sich die Gotteserfahrung im Laufe der Zeit berechtigterweise verändert hat; vornehmlich in Bezug auf die Ehrfurcht, die ehrfürchtige Distanz.

Was die vorgeschichtliche Gotteserfahrung betrifft, so fällt es schwer hierüber bestimmte Aussagen zu treffen. Wie schwer muss es uns heutigen, christlich geprägten Menschen auch fallen, uns in die Menschen der damaligen Zeit hineinzuversetzen. Dennoch finde ich finde es ungemein spannend, sich, immerhin ansatzweise, zu vergegenwärtigen, wie diese Menschen Gott wohl erfuhren.

Wohl war es bereits ihnen möglich zu erkennen, dass Gott - und zwar nur ein Gott - ist, und es spricht einiges dafür, dass schon ganz früh Menschen Monotheisten waren. Doch hatten sie von diesem Gott keinerlei Wissen. So waren sie darauf angewiesen, allein aus ihren Beobachtungen und Erfahrungen Rückschlüsse auf ihn zu ziehen. Sie sahen sich umgeben von einer Natur die einerseits unsagbar schön und faszinierend, andererseits auch hart und gefahrvoll war. Dementsprechend fiel auch ihr Gottesbild aus. Aufgrund des Erfassens ihrer Situation in der Welt, fühlten sie eine starke Abhängigkeit von Gott. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Anfänge der Ehrfurcht bis in diese Zeit zurückreichen, wiewohl die Betonung noch eher auf der Furcht gelegen haben mag.

Auch im alten Israel war das Verhältnis zu Gott geprägt von großer Ehrfurcht:

Man vergegenwärtige sich die Szene am Sinai:

2Mos 20, 18-20: Und alles Volk wurde Zeuge von dem Donner und Blitz und dem Ton der Posaune und dem Rauchen des Berges. Als sie aber solches sahen, flohen sie und blieben in der Ferne stehen und sprachen zu Mose: Rede du mit uns, wir wollen hören; aber lass Gott nicht mit uns reden, wir könnten sonst sterben. Mose aber sprach zum Volk: Fürchtet euch nicht, denn Gott ist gekommen, euch zu versuchen, damit ihr's vor Augen habt, wie er zu fürchten sei, und ihr nicht sündigt.

Bereits Gottes Namen auszusprechen war Tabu. Nur ausgewählte Personen durften sich ferner dem Allerheiligesten nähern. Wer dies unberechtigterweise tat wurde mit dem Tod bestraft.

Num 18,7: Du aber und mit dir deine Söhne, ihr sollt euer Priesteramt in allem ausüben, was den Altar und den Raum hinter dem Vorhang betrifft; dort sollt ihr euren Dienst tun. Als einen Dienst, der ein Geschenk ist, übergebe ich euch das Priesteramt. Wer sich nähert, ohne dazu befugt zu sein, ist mit dem Tod zu bestrafen.

Inwiefern hat sich die Situation nun seit Jesus verändert?

1 Joh 4,18: Die völlige Liebe treibt die Furcht aus.
 
Ist damit auch die Ehrfurcht gemeint? Wohl kaum. Eine tiefe Ehrfurcht ist euch heute noch angebracht; nur die Angst ist gewichen, hat einer inneren Freiheit Platz gemacht.

Wie du schon anschaulich beschriebst: Gott ist nicht unser „Mädchen für alles". Konfrontieren wir ihn mit allen möglichen Banalitäten des Alltags, dann ist es mit der Ehrfurcht ganz schnell vorbei und wir verlieren obendrein das Wesentliche aus dem Blick. Dies erachte ich im Wesentlichen als ein Phänomen der neueren Zeit.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 17.10.2015 07:21.

christ90

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Re: Nähe vs. Distanz

von christ90 am 16.10.2015 23:56

Cleo: auf welchen Beitrag hin bezieht sich dieser Satz...?

Nun, dieser Satz bezog sich im Wesentlichen auf dich; auf, ich zitiere:

Ich würde dir wünschen, dass du auch andere Erfahrungen machst, nämlich zB, wie schön es ist, mit Gott im gespräch zu sein, (…)

Ein weiteres Beispiel:

Wir wünschen dir doch auch positive Erfahrungen da, wo du über negative Erfahrungen gesprochen hast.

Ich finde es zwar nett von dir, mir positive Erfahrungen wünschen. Doch frage ich dich: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Wie kommst du dazu einen Bezug herzustellen zwischen meinen von außen gewonnenen Eindrücken und meinen persönlichen Erfahrungen? –

Habe ich, was mich betrifft, von „negativen Erfahrungen" gesprochen - oder ist das nicht vielmehr eine Interpretation deinerseits?

Nähe vs Distanz....
Vielleicht gibt es hier einfachVerständnissprobleme.
Der eine beschreibt die Nähe als das kumpelhafte Verhalten, der nächste denkt aber an die Nähe von Gott zu uns, die Liebe.
Auch bei der Distanz gibt es einmal die Ehrfurcht und den Respekt, und gleichzeitig wird es von anderen verstanden als die gefühlte "Gottesferne".

Nun, Liebe und eine gewisse - heilige - Distanz, die der Umgang mit Gott nun mal mit sich bringt sind für mich kein Widerspruch. Kumpelhaftes Verhalten ist für mich keine Nähe. In letzterem stimme ich dir zu. In diesem speziellen Sinne habe ich Distanz hier jedoch nicht gemeint.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 16.10.2015 23:58.

christ90

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Re: Nähe vs. Distanz

von christ90 am 16.10.2015 11:34

Finde es schon interessant, wie hier Aussagen getroffen werden bezüglich meines Gebetslebens, ohne jeglicher Grundlage...

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christ90

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Re: Nähe vs. Distanz

von christ90 am 16.10.2015 10:30

Ja - man sollte wohl damit rechnen, dass, wenn man sein Herz einmal öffnet, es sogleich Menschen gibt, die denken, sie kennten einen und wüssten alles besser, als man selbst.

@Emil: Denke ich das? Ich schrieb von meiner eigenen Erfahrung, habe Parallelen gezogen zu deiner. Vielleicht waren unsere Erfahrungen, bei ähnlicher Situation, doch unterschiedlicher. Ich spreche dir deine Erfahrung nicht ab. 

ich habe das Gefühl, dass du christ teilweise meinst, andere Christen "durchschaut" zu haben.
Liege ich damit falsch?

Cleo: Durchschaut ist mit Sicherheit übertrieben. Um einen Menschen wirklich zu durchschauen muss man diesen schon ziemlich gut kennen und über die Vorgänge in seinem Innern Bescheid wissen. Auch schreibe ich hier nicht von bestimmten, mir näher bekannten Personen; eher exemplarisch von bestimmten religiösen Ausprägungen.

Mir kommt alles ziemlich theologisch rüber.

Tut es das? Ich habe mich bemüht meine Erfahrung möglichst getreu wiederzugeben. Auch das erwähnte Zitat beruht augenscheinlich auf Erfahrung. Für theologische Spekulationen habe indes auch ich wenig über.  

Darf ich fragen, wie du es quasi "richtig" siehst?
Wie die "richtige Haltung" zu Gott ist und wie das "richtige Gebet" aussieht?

Da appelliere ich an die Verantwortung jedes einzelnen. Ich sehe meine Aufgabe nicht darin Gebet zu erklären. Da gibt es wohl schon genügend "Ratgeber". Eine allgemeine "Gebetsformel" aufzustellen wäre m. E. so ziemlich das Unsinnigste und Vermessendste, das einem in den Sinn kommen könnte.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 16.10.2015 10:33.

christ90

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Re: Nähe vs. Distanz

von christ90 am 16.10.2015 07:20

Danke für eure Beiträge.

Auch wenn ich hier nicht auf alles eingehen kann, möchte ich doch einzelne, mir wesentlich erscheinende Aspekte herausgreifen. Was mir zunächst positiv auffällt, ist, dass auch ihr durchweg eure eigene Erfahrung mit einbringt. Denn darum ging es mir im Grunde: Um den Austausch von Erfahrungen. Dass ich mit meinem Beitrag großteils auf Unverständnis stoßen würde hat mich wenig überrascht. Dies bringt der Austausch über subjektive Erfahrungen jedoch nun mal mit sich.

Cleo: Ich glaube, dass Gott ein Teil meines Lebens sein möchte und sich freut, wenn ich zB die Natur genieße und ihn dafür lobe und Ehre gebe.

Das glaube auch ich. Die Natur bringt uns Gott näher, gibt uns einen Einblick in seine Größe und Herrlichkeit. Wenn wir sie, seiner eingedenk, erfahren, mit offenen Sinnen in uns aufnehmen, so hat Gott bereits seine Freude daran.

Dass Gott etwas gegen die Nähe hat, das würde ich gerne mal in der Bibel begründet sehen. Hast du dafür ein beispiel?

Dass Gott etwas gegen Nähe hätte habe ich so nicht behauptet. Auch ist mir keine Schriftstelle bekannt, die dies belegen würde.

Wenn sich Gott uns gegenüber die meiste Zeit im Hintergrund hält, so hat dies nicht damit zu tun, dass er keine Nähe zu uns wünscht. Er tut dies vielmehr in Hinblick darauf, Menschen eine wirkliche Entscheidung für oder gegen ihn zu ermöglichen. Gott will sich von uns finden lassen. Erst indem uns so recht bewusst wird, dass wir seiner bedürfen, wir auf ihn hin geschaffen sind, wissen wir so recht was wir an ihm haben und können ihn von Herzen lieben. Ferner will Gott, dass wir auf ihn hoffen:

Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? (Röm 8,24)

Denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende (2Kor 5,7)

In jedem Fall hat Gott allerdings etwas gegen bloß scheinbare Nähe.

Es gibt Menschen, die fortwährend aus sind auf „Nähe", sei es im Lobpreis oder in Situationen des Alltags. Jedes kleinste vermeintliche Erlebnis mit Gott wird gleichsam protokolliert. Sie wähnen sich Gott nahe, wiewohl er seine Finger in Wahrheit schon längst nicht mehr im Spiel hat; einer Veräußerlichung des Glaubens leistet er schließlich keinen Vorschub. Auch diese Menschen führen in Wahrheit einen Scheindialog.

Ich möchte ferner noch eine Stelle aus einem Buch zitieren, die ich hier passend finde:

Text wurde entfernt bis zur Klärung des Quellennachweises. Text ist bei uns hinterlegt. Lg Cleo, am 03.11.2015
 
Diese Zeilen mögen nüchtern klingen, vor allem wenn man bedenkt, dass sie von einem Priester, Psychologen und Theologen stammen. Und doch halte ich sie für bedenkenswert.

@Emil: Die Erfahrung, die du beschreibst, habe in ähnlicher Form auch ich schon gemacht und ich kann das was du schreibst zu 100% nachvollziehen. Doch scheint mir Zwiesprache hier das falsche Wort. Gerade in Situationen der Ohnmacht, wenn es hart auf hart kommt, wirft der Mensch seine ganze Hoffnung auf Gott und überlässt ihm wohl oder übel die Situation. Für innige Zwiesprache bleibt da, nach meiner Erfahrung, kein wirklicher Raum.

Rapp: Was ich als eher gefährlich erachte ist, wenn mein Beten zu einem Monolog wird, bei dem ich Gottes direkte Antwort schon gar nicht erwarte.

Diese Befürchtung habe ich nicht. Beim eigentlichen Gebetsakt, in dem man sein Anliegen vorbringt, handelt es sich ja im Grunde um einen Monolog, einen vor Gott wohlgemerkt. Wobei „Monolog" hier zu kurz greift, zumal er nur die konkreten Worte umfasst. Dabei beinhaltet Gebet ja noch viel mehr, auch das Unausgesprochene, sowie unser seelisches Befinden insgesamt.

Wenn ich zu Gott bete, dann „erwarte" (ich bin mir dessen gewiss) ich zunächst einmal, dass er mich sieht, sieht wie es mir ergeht, was in meinem Herzen vorgeht; allein das hat für mich schon etwas Befreiendes, Heilsames. Da erwarte ich noch keine direkte Antwort, kein Echo.

Meine Befürchtung geht nun eher dahin, das Gebet bei manchen zu einer Art Selbstgespräch verkommt, indem ihnen die rechte Gebetshaltung fehlt und das Gebet keine wirkliche Tiefe erreicht, bzw. sie schlicht ein falsches Gottesbild haben.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.11.2015 07:33.

christ90

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Re: Nähe vs. Distanz

von christ90 am 15.10.2015 06:40

Lieber Willy,

Danke zunächst für deine Rückmeldung. Ich bin mir dessen bewusst, dass es sich hier um ein sehr subjektives Thema handelt - daher auch meine Frage nach der persönlichen Erfahrung anderer. Ich kann hier nur für mich selbst sprechen und meine Beobachtungen mit persönlicher Erfahrung in Bezug stellen. Es liegt auch gewiss nicht in meiner Absicht die Dinge unnötig zu verkomplizieren.

Das religiöse Empfinden ist nun mal von Mensch zu Mensch verschieden. Jeder hat zu Gott seinen ganz individuellen Zugang; viele Faktoren spielen da mit hinein. Dies wird schon ersichtlich anhand der großen Fülle an religiösen Ausdrucksformen. Das Spektrum reicht hier von beschaulichem Ordensleben bis hin zu charismatischen Events. All dies unter dem Oberbegriff des Christentums. Wie sonst ließen sich diese völlig unterschiedlichen Ausdrucksformen religiösen Lebens erklären? –

Warum sollte ich nicht in ständiger Zwiesprache mit meinem himmlischen Vater leben?? Das würde dem glatt widersprechen, was er uns durch Paulus sagt: betet ohne Unterlass.

Zwischen Gebet und Zwiesprache liegt m. E. doch ein erheblicher Unterschied. Beim eigentlichen Gebet handelt es sich um das „einseitige" sich mitteilen des Menschen an Gott - nicht um einen wechselseitigen Austausch. Von daher finde ich es, offen gestanden, bedenklich, wenn es zu einer Art innerer Zwiesprache verkommt; dann läuft man schnell Gefahr in eine Art „Pseudodialog" zu verfallen. Gott ist nun mal kein herkömmlicher Gesprächspartner. Eine eigentliche, fortdauernde Zwiesprache halte ich daher schwerlich für möglich.

Noch eines möchte ich festhalten: Auch wo das Verhältnis zu Gott nicht so innig ausfällt, der Austausch nicht so rege ist, bedeutet dies nicht, dass Menschen Gott nicht auch dieselbe Hochachtung entgegen brächten, und die ihnen übertragene Aufgabe gewissenhaft erfüllten.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 15.10.2015 06:50.

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Nähe vs. Distanz

von christ90 am 14.10.2015 20:35

Ich möchte gerne ein Thema aufgreifen, welches mich im Grunde schon seit längerem, namentlich seit dem Thread über die Formen der menschlich-göttlichen Interaktion sowie meiner Begegnung mit dem Gebiet der Religionsphänomenologie gleichermaßen bewegt wie fasziniert: Die Verschiedenartigkeit der menschlichen Gotteswahrnehmung, vornehmlich innerhalb des Christentums. Dabei fällt mir auf, wie sehr sich die heutige, christlich gefärbte, großenteils von der ursprünglichen, auf der Uroffenbarung sich gründenden Gotteserfahrung entfernt und seither mannigfach verzweigt hat.

Ein zentraler Aspekt scheint mir hierbei zu liegen im Verhältnis von Nähe und Distanz, genauer: dem Umstand von größtmöglicher Nähe bei gleichzeitiger unendlicher Distanz. Auf der einen Seite ist Gott uns unendlich entrückt, auf der anderen wieder so unfassbar nah, näher als je ein Mensch uns zu sein vermag. Diese scheinbare Ambivalenz löst sich jedoch, wenn man bedenkt, dass sich bei dieser Art von Nähe um eine grundsätzlich verschiedene handelt im Vergleich zu jener, die aus engem persönlichem Verhältnis erwächst. Jene ist getragen von einer tiefen Ehrfurcht und innerer Weite, während letztere doch sehr menschlich ist, mit einem Zug zur Vereinnahmung.

Auch das intimste Verhältnis zu Gott muss m. E. getragen sein von jener Ehrfurcht. Keinesfalls darf Gott verkommen zu einer Art imaginärem Gesprächspartner, mit dem man fortwährend innere Zwiesprache führt. Dann läuft man Gefahr zu vergessen, mit wem man es eigentlich zu tun hat und die Ehrfurcht vor dem Erhabenen geht verloren. Auch wenn das menschliche Verlangen nach Nähe groß ist, halte ich eine heilige Distanz - auch und gerade im Gebet - für unerlässlich. Auch Gott ist ja offensichtlich darauf bedacht, dass diese gewahrt bleibt. M. e. sollte man sich dieser Distanz stellen und danach fragen, weshalb sie wohl von Nöten ist.

Eine mögliche Erklärung liegt für mich in dem Umstand, dass unsere Zeit hier gewissermaßen eine Bewährungsprobe darstellt, in der sich unsere Gesinnung erweisen soll. Die „Auswertung" erfolgt erst am Ende. Gleichsam einer Klausur mit anschließender Nachbesprechung. Wobei der Vergleich natürlich hinkt: Schließlich geht es vor Gott nicht um Leistung, sondern einzig um unsere Gesinnung, unser Herz. Und doch erfolgt seine klare Stellungnahme zu uns und unseren Taten erst im Anschluss an unser Erdenleben. Dies würde seine Zurücknahme im hier und jetzt ein Stück weit erklären.

Was sind eure Meinungen und Erfahrungen diesbezüglich?

Antworten Zuletzt bearbeitet am 14.10.2015 20:37.

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Re: Dankbarkeit

von christ90 am 06.10.2015 02:36

solana: Auf der anderen Seite leidet man dagegen wohl am schlimmsten unter einer Situation, wenn der Blick nur auf das Schwere und Schlimme fokussiert ist und man im Bedauern sich sagt: "Hätte ich doch nur dieses oder jenes anders gemacht, dann wäre mir das erspart geblieben, jetzt muss ich es auslöffeln bis zum bitteren Ende.....". Durch den Blick auf das, was man stattdessen gerne hätte und die "eigene Schuld", die man nun nicht mehr rückgängig machen kann, wird der Schmerz um ein Vielfaches gesteigert.

Gerade hierin erblicke ich ein weiteres, vielleicht das stärkste Motiv für Dankbarkeit: Das der Vergebung.

Lk 7,47b: Wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. d.h.: entwickelt auch wenig Dankbarkeit.

Wo Vergebung wirklich erfahren wird, erwächst daraus Dankbarkeit, Hochachtung, Loyalität und Vertrauen. Letztlich ist jeder Mensch darauf angewiesen und Gott will uns vergeben wo es nur geht; ist bereit über Fehler hinwegzusehen, wo wir uns nicht mit ihnen identifizieren. Die Geduld, mit der er sich auch seiner „Sorgenkinder" annimmt, sich ihnen bezeugt, seine Güte, Langmut und Nachsicht sind beispiellos.

Jes. 42,3: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. (vielmehr alles daran setzen, dass dieser eben nicht ausgelöscht werde)
 
Gleich dem Hirten, der dem verlorenen Schaf nachgeht, kämpft Gott um jeden Menschen und tut sein möglichstes, auf das er zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt. (kämpfen: nicht i. S. v. „verzweifelt mit allen Mitteln darum ringen"). Mit größter Souveränität setzt er da an, wo es am wirkungsvollsten ist, um Menschen wirklich zu treffen und zur (Selbst)Einsicht zu führen. Behutsam zieht er die Fäden im Hintergrund, in der Absicht selbst Menschen, die noch kein Bewusstsein für ihn, den wahren Gott, entwickelt haben, allmählich zu läutern und innerlich zu wandeln. Sein Umgang mit einem jedem von uns ist meisterhaft, in höchstem Maße zielgerichtet, auch wenn wir dies kaum zu erfassen vermögen. -

Gleich einem liebenden Vater hat er für seine Kinder nur das Beste im Sinn. Wir können es uns gar nicht vorstellen wie sehr er uns liebt und wie sehr ihm daran gelegen ist uns zu vollem Glück zu führen.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.10.2015 02:52.

christ90

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Re: Dankbarkeit

von christ90 am 03.10.2015 21:28

Ich denke auch "andersherum" - dass Lob Gottes in Dankbarkeit führt.

@solana: Ein interessanter, mit Sicherheit richtiger Gedanke. Durch das Lob wird einem bewusst, wofür man Gott eigentlich zu Dank verpflichtet ist, hilft man der Dankbarkeit gleichsam auf die Sprünge. Auch wenn darin wohl nicht der Hauptimpuls für Lob liegt, ist es doch ein positiver Nebenaspekt.

Trotzdem finde ich gemeinsames Gotteslob sehr schön und würde es nicht "abschaffen" wollen wegen der Gefahr, dass es oberflächlich werden kann.

Das gemeinsame Singen von Lobliedern finde auch ich eine schöne Sache, zumal es auch mit Ekstase rein gar nichts zu tun hat. Es ist einfach ein schöner Ausdruck von Gemeinschaft. So lange eine heilige Distanz gewahrt und das Bewusstsein nicht vernebelt wird, ist auch alles in Ordnung. Ich persönlich sehe darin einfach ein Zeichen von Ehrfurcht und Respekt. Und solange diese gewahrt bleiben sehe ich auch keine Gefahr, dass es oberflächlich werden könnte.

solange Gott das (Krankheiten, Krieg usw., Anm.) zulässt hat alles einen Sinn.. Sei es durch den Willen der Menschen, sei es einer Läuterung oder indem ich eine begangene Schuld bezahle..

@Wintergruen: Ich denke, hier muss man differenzieren.

Oft liegt der einzige „Sinn" in der Freiheit der Person begründet. Nicht die (böse) Tat einer Person, (und ihre Auswirkungen) erweist sich als sinnvoll, sondern lediglich ihre Freiheit, sie zu vollführen.

Doch gibt es auch ein von Menschen unverschuldetes Leid, welches von Gott kommt, dem sehr wohl ein tieferer Sinn zukommt. Letztlich kann der Sinn derartigen Leides m. E. nur darin liegen uns auf Gott zu verweisen.

Doch erweist sich die Frage nach dem Leid als sehr umfangreich, und verdient eine differenzierte Betrachtung.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.10.2015 21:32.
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