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Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von christ90 am 04.08.2015 08:18Hallo Christian,
Dem würde ich entgegen halten, dass es nicht die Berechenbarkeit an sich ist, die unser Handeln bestimmt, sondern schlicht unsere natürliche Disposition, unser Wille sowie all das was auf uns Einfluss nimmt. Wie oft lässt sich doch menschliches Verhalten, lassen sich menschliche Willensakte (von Psychologen, Menschenkennern) zu einem gewissen Grad „berechnen", vorhersehen. Sind wir aufgrund dessen weniger frei in unserem Tun und Wollen? Jeder Mensch hat seine eigenen inneren Gesetzmäßigkeiten, seine eigene Persönlichkeitsstruktur, zu der auch eine entsprechende Willens- und Denkstruktur, spezifische Neigungen, Interessen gehören. Aus eben diesen Gegebenheiten lassen sich bestimmte Dinge ableiten. So lässt sich zuweilen aus einer bestimmten Verhaltensweise in einer Situation mit gewisser Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wie sich die Person in bestimmten anderen Situationen verhalten wird.
Um es anhand eines Beispiels zu veranschaulichen: Jemand hatte in einem Fach stets schlechte Noten. Sein Lehrer prophezeit ihm, dass er beim nächsten Test wohl wieder schlecht abschneiden werde. Nicht aufgrund der Prognose seines Lehrers ist derjenige nun in seinen Handlungsmöglichkeiten (eine gute Note schreiben) eingeschränkt, sondern aufgrund seiner (angesammelten) Wissensdefizite, Desinteresse, Lernschwäche etc. Sowohl seine Disposition, seine Neigungen als auch sein Wille, seine Einstellung sind hier ausschlaggebend.
Aus all dem heraus würde ich sagen: Wir müssen so handeln wie wir handeln, nicht weil unser Verhalten von Gott „berechenbar" ist - obgleich sein Wissen um unser Handeln diesem genau entspricht - sondern weil wir es eben so wollen (all die uns beeinflussenden Faktoren hier einmal ausgeklammert). Er bezieht unseren freien Anteil (der eigentlich unberechenbar, d. h. kausal nicht eindeutig zugewiesen ist (wozu auch Jesu Aussage in Joh 15,25 passen würde)) in seine „Berechnung" mit ein. Sein Wissen leitet sich ab aus unserem Handeln, nicht unser Handeln aus seinem Wissen.
Noch eine weitere Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang stellt:
Warum schafft Gott nicht bloß solche Menschen, (lässt nur solche in die Existenz treten), von denen er weiß, dass sie sich einst für ihn entscheiden werden? Anders gesagt: Gott schafft ja solche Menschen. Warum ist es ihm jedoch nicht möglich ausschließlich solche zu schaffen?
Oder andersrum gefragt: Warum schafft Gott überhaupt Menschen, von denen er weiß, dass sie sich einst gegen ihn entscheiden werden?
Täte er dies in Anbetracht dessen, dass sie sich ohnehin nicht frei entscheiden könnten (nur den Schein einer freien Entscheidung empfänden), dann wäre Gott grausam. Er könnte dann zu den Verdammten sagen: „Es war euer Wille. Ob ihr es so wollen musstest ist letzten Endes zweitrangig." Ob man auf eine bestimmte Weise handelt weil man es freiwillig so will oder nicht doch weil man es so wollen muss, ist, wenngleich sich am subjektiven Erleben der Person nichts ändert, eben keineswegs egal.
Letztlich gilt der Satz: „Du hättest auch errettet werden können, hättest du es nur gewollt. Das Einzige, das deiner Errettung letztlich im Wege stand war dein Wille."
Es ist schon merkwürdig, dass wir immer genau das auch tun können, was wir tun wollen. Mir zumindest ist es noch nie passiert, dass ich etwas (nicht gegen meine Fähigkeiten und die Naturgesetze verstoßendes) tun wollte und daran auf mysteriöse Weise gehindert war. Würden wir in der Ausübung unseres Willens derart eingeschränkt, so würden wir dies wohl sehr schnell merken. Allein dieser Sachverhalt spricht m. E. sehr dafür, dass unser „Freiheitskorridor" nicht nur subjektiv empfunden sondern tatsächlich real ist.
beste Grüße
c.90
Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von christ90 am 02.08.2015 23:58Hallo Pal,
Re: 1. Timotheus 2, 8-12
von christ90 am 17.07.2015 14:37
Hallo Solana,
Ja, unbedingt. In Anbetracht dessen, dass die Autoren Menschen sind, die schon mehr Weisheit erlangt hat, denen man Vertrauen kann.
Ja; wobei Liebe und Struktur einander auch bedingen.
Auch deine weiteren Ausführungen geben mir zu erkennen, dass wir uns da vom denken her recht ähnlich sind.
Re: 1. Timotheus 2, 8-12
von christ90 am 17.07.2015 13:28Das was ich zu dem Thema sagen konnte, was mir wesentlich erschien, habe ich nun bereits gesagt. Ich denke nicht, dass mein (auch durch praktische Erfahrung untermauertes) Verständnis der betreffenden Stellen der Lehre des Paulus widerspricht, vielmehr durchaus in seinem Geiste ist.
Cleo: Nein, da verstehst du mich falsch - zumal gerade diese Stelle auf die natürliche Schöpfungsordnung abzielt, und die ist nach wie vor aktuell. (Auch die weiteren von dir angeführten Verse haben für mich uneingeschränkte Gültigkeit.) Ich beabsichtige besagte Stelle auch nicht zu relativieren, wende mich lediglich gegen ein allzu formales Verständnis derselben.
Ich meine, dass man auch diese Stelle verstehen muss im Lichte von 1Kor 2.
Paulus trifft nicht einfach Anordnungen, tadelt nicht einfach; er appelliert immer auch an die Einsicht derer, denen seine Worte gelten, redet den Menschen ins Gewissen. Die Anordnungen, die er in speziellen Fällen trifft, die Gemeinderegeln die er etabliert, sind dem geisterfüllten Menschen einleuchtend, er empfindet sie niemals als hart oder „speziell", vielmehr als ganz natürlich. Um Verirrungen und Missstände zu beseitigen musste Paulus den noch Ungefestigten im Glauben auch mal härter gegenüber treten, ihnen aus gegebenem Anlass Anweisungen geben, die ihnen nicht sogleich einleuchteten. Niemals kann jedoch derartige "Härte" den Dauerzustand darstellen; sie ist vielmehr nur so lange erforderlich und subjektiv gegeben, bis die nötige Einsicht in den betreffenden Sachverhalt und die Notwendigkeit/Richtigkeit einer Anweisung erfolgt ist.
Re: 1. Timotheus 2, 8-12
von christ90 am 16.07.2015 16:48@marjo: Im Prinzip hast du recht. M. E. wendet sich Paulus im Grunde jedoch nicht nur gegen ein formal-rigides Verständnis des alttestamentlichen Gesetzes, sondern das dahinterstehende Prinzip gesetzlichen Verhaltens im Allgemeinen. Eben dadurch bleibt die Liebe dann wohl oder übel auf der Strecke, wird durch dogmatische Vorschriften eingeengt. Ein allgemeines Schweigegebot für Frauen während der Versammlung fällt für mich da, wie gesagt, darunter. Dies hat Paulus in der Tat nie intendiert. (vgl. hierzu meinen vorhergehenden Beitrag)
Cleo: Ja, durchaus. Allerdings denke ich, dass Gott es auch gutheißt, wenn wir seine vermeintlichen Wünsche im Zweifelsfall auch hinterfragen und somit nicht Gefahr laufen ihn in seinem Wesen zu verkennen.
So ist Gott nicht. Er weiß: Nur indem er uns die Dinge einsichtig macht, kann er auch seine Absicht erreichen, dass wir ihm in allem aus Liebe (und die setzt ein gewisses Maß an Einsicht voraus) nachfolgen.
Im Grunde war Gott schon immer gegen ein lediglich formal/liebloses Verständnis des Gesetzes (von formalistischen Auswüchsen ganz zu schweigen). Das geht aus zahlreichen Stellen des AT hervor. Allerdings hatte das Gesetz damals auch staatliche Funktion, war unerlässlich für den Bestand der jüdischen Nation (aus der einst der Messias hervorgehen sollte); darum spielte seine formale Dimension eine viel größere Rolle. Die Einhaltung formaler Gesetze kann man von Menschen verlangen (das tun moderne Staaten auch), Gott und den Nächsten wirklich zu lieben jedoch nicht. Um diesen Umstand wusste auch Gott. Durch rein formale Erfüllung des Gesetzes konnte man Gott noch nie gefallen. Seit Jesus ist das Gesetz nun befreit von seiner formalen Komponente und der damit verbundenen Problematik.
Re: 1. Timotheus 2, 8-12
von christ90 am 16.07.2015 00:17@Sina: Dass der Vers kein starres Gesetz darstellen kann ist ziemlich offensichtlich. Wie brächte man ihn sonst in Einklang mit 1Kor 11:5, wo doch das prophetische Reden zweifelsohne in der Versammlung stattfand (vgl. 1Kor, 14:3, 29-31)? Ein allgemeines Schweigegebot passt da so gar nicht. Ich halte Paulus nicht für so unbedacht, sich im selben Brief derart offensichtlich zu widersprechen. (Dies ergänzend zu dem was ich bereits schrieb)
Der Umstand, dass manchen Frauen (bei weitem nicht auf alle trifft dies zu) es nicht lassen können sich im Rahmen der gemeinschaftlichen Zusammenkunft über weltliche Dinge auszutauschen (was unter Christen niemals einen Dauerzustand darstellen kann) rechtfertigt m. E. nicht, dass alle schweigen müssen. Wenn du es so verstehen willst, steht dir das natürlich frei. Ich persönlich erachte ein durch derartige Beobachtung begründetes allgemein-pauschalisierendes Verbot eher als ein „Armutszeugnis", ein Eingeständnis des Unvermögens vieler Menschen, sich von Gott verändern zu lassen.
Genau, oder auch an Gal 5:13f. Dies sind nur jene Stellen, wo dieses so wichtige Anliegen des Paulus konkreten Ausdruck findet. Noch an anderen Stellen wendet sich Paulus gegen die Gefahr eines drohenden Verfalls ins Gesetzliche. (so v. a. im Brief an die Galater, vgl. Kap. 5) Wenn wir einander lieben, werden wir das Gesetz tun, und nur dann.
Re: 1. Timotheus 2, 8-12
von christ90 am 15.07.2015 19:46@marjo: Ich denke ich habe mich in meinem Beitrag klar und präzise genug ausgedrückt. Wenn man ihn aufmerksam liest sollte so weit eigentlich alles verständlich sein.
Re: 1. Timotheus 2, 8-12
von christ90 am 15.07.2015 16:13Nur eine ganz kurze grundsätzliche Stellungnahme meinerseits.
Mann und Frau sind vor Gott völlig gleichwertig, beide sind absolut gleichwertige Ausprägungen der Kategorie Mensch. Sie sind einander ebenbürtig und in gleicher Weise auf einander angewiesen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede und dadurch bedingte (auch kulturell beeinflusste) Rollenverteilung haben m. E. eine rein irdische Bewandtnis.
Es geht nicht darum, sich strikt an Gesetze zu halten, weil sie nun einmal so gefordert seien. Derartige Gebote, an die man sich unter allen Umständen halten müsse, sind innerhalb der Gemeinde nicht mehr von Nöten; sie verkennen vielmehr den Geist der Freiheit, hindern letztlich das Wirken Gottes.
Re: Wann wurde das Fleisch, die sündige Natur geboren?
von christ90 am 03.07.2015 00:09Hallo Beroeer,
Siehe, ich bin als Sünder geboren, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen. (Luther)
Siehe, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen. (Elberfelder)
Denn ich bin in Schuld geboren; in Sünde hat mich meine Mutter empfangen. (EÜ)
Ich verstehe es eher so, dass es sich hier nicht um eines Menschen persönliche Schuld handelt, sondern um die seiner Umgebung, die auf ihn von Beginn an „abfärbt", ja deren Verkörperung, „Frucht" er ist: So ist man auf Grund dessen leiblich von Beginn an mehr oder minder unvollkommen. Da nun Körper und Geist bekanntlich eine Einheit bilden, so wirkt sich dieser Umstand in weiterer Folge wohl auch auf den Geist aus. All dies verstärkt, nebst dem verderbten Umfeld und der fehlenden Präsenz Gottes, unsere Tendenz zur (bewussten) Sünde. Folglich würde ich sprechen von einer Ursünde, die sich bis heute auswirkt, von der wir ganz unmittelbar betroffen sind und deren Folgen wir uns nicht entziehen können.
In diesem Licht verstehe ich auch Röm 5,12: Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle alle gesündigt haben.
Paulus betont hier sowohl die eine, oben beschriebene – unverschuldete – Komponente, wie auch den Umstand unserer bewussten Sünde. Jene erstgenannte Realität spielt für ihn offensichtlich bei weitem keine so große Rolle, wie unser sündhaftes Verhalten. Er hätte ja sonst auch schreiben können (...), so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil alle im Zuge der Ursünde unvollkommen wurden. Das tut es jedoch nicht; er begründet den Tod mit der Sünde, weil sie für ihn offenbar den entscheidenderen Grund darstellt.
http://direktzu.kardinal-meisner.de/ebk/messages/wird-jeder-mensch-in-suende-empfangen-42130
Re: Wann wurde das Fleisch, die sündige Natur geboren?
von christ90 am 01.07.2015 21:58Liebe Wintergrün,
(...) und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten.
(Und nicht: Weil alle von Geburt an Sünder sind, oder: Von Geburt an die Erbsünde in sich tragen.)
Nicht nur die Missverständlichkeit des Begriffs hält mich davon ab ihn zu verwenden, sondern auch die Tatsache, dass darunter durch Jahrhunderte hindurch unbiblische Lehren subsumiert wurden.
Wir wissen es nicht. Wohl weder sofort in den Himmel noch in die Hölle (von beiden würde es wohl nicht viel mitbekommen). Ich könnte mir vorstellen, dass auch ihm die Möglichkeit einer freien Entscheidung eingeräumt wird.
Gruß