Ausgesperrt

[ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Älteste Beiträge zuerst ]


sylvaki
Gelöschter Benutzer

Re: Ausgesperrt

von sylvaki am 05.05.2014 23:04

:o) netter Schreibstil

Davon könnte ich auch erzählen, werds mir aber fein verkneifen ;o)

Danke, hab echt lachen müssen.

Sylvaki

Antworten

susan
Gelöschter Benutzer

Re: Ausgesperrt

von susan am 05.05.2014 21:29

herrrlich...als ob wir den gleichen gedanken hatten..ich hab mir kürzlich die Geschichte wieder durchgelesen....lach ..köstlich..danke dir :)

Antworten

cipher
Gelöschter Benutzer

Ausgesperrt

von cipher am 05.05.2014 21:18

                                                                                                                                     Urheberrechte bei mir
Ausgesperrt
Im Leben vermutlich eines jeden Menschen gibt es Situationen, in denen fühlt man sich so entsetzlich hilflos, daß man nach Möglichkeit alles daransetzt, solche Situationen zu vermeiden. Zu dieser Kategorie gehört für mich das Ausgesperrtsein.
Doch trotz aller Bemühungen, nicht ausgesperrt zu werden - irgendwann erwischt es mich doch einmal.
Einmal war es mir an meinem Auto passiert. Damals, es war noch einer jener jetzt wieder neu aufgelegten „Käfer", gab es da nur wenig Probleme. Ein zweckentfremdeter Drahtkleiderbügel - ein rechter Autofahrer trug damals solcherlei Utensilien immer „am Mann" - ein paar flinke Handgriffe - und die Tür war auf. Fachlich versierte Menschen konnten schon an der Art, wie der mitgeführte Drahtkleiderbügel gebogen war, erkennen, welches Fahrzeug entsprechende Person fuhr. Heute wären vermutlich einige panzerbrechende Geschosse nötig, um eine Autotüre aufzubringen - oder ein gelernter Autoknacker. Letztere sind allerdings nicht mehr mit den besagten Drahtkleiderbügeln ausgestattet sondern mit elektronischen.
In älteren Häusern in großen Städten befanden sich in früherer Zeit die WC's häufig außerhalb der Wohnung „auf halber Treppe". Einmal war ich bei Verwandten in Kiel zu Besuch. Nachts wurde ich von einem mir wohlbekannten „menschlichen Rühren" geweckt, das mich „auf halbe Treppe" trieb.
Selbstverständlich hatte ich Tor vergessen, den Wohnungsschlüssel mitzunehmen. Als ich meine geschäftlichen Angelegenheiten erledigt hatte, wollte ich in die Wohnung meiner Verwandten zurück. Denkste! Die Tür war zu. Meine Verwandten hatten einen tiefen und festen Schlaf. Damit dieser keine Unterbrechung erfahren sollte, stellten sie die Türklingel des Nachts ab. So versuchte ich es mit Klopfen - erst behutsam, dann etwas energischer. Schließlich polterte ich heftigst gegen die verschlossene Türe - vergebens. Nur ein Stockwerk weiter oben hörte ich eine Tür gehen, dann wütendes Geschimpfe. Was sollte ich machen? Ich stand da in meinen Unaussprechlichen, sauber zwar, frischgewaschen, doch unzweifelhaft als solche erkennbar. Einzig meine Armbanduhr bildete eine allerdings unvollkommene Ergänzung meiner Bekleidung.
Schließlich kam mir die Idee, zu einer Telefonzelle zu gehen, schließlich würden nachts um halb drei kaum Menschen unterwegs sein. Außerdem war es Sommer und angenehm milde, so wagte ich es denn, in der Hoffnung, irgendwie auch zu zwei Groschen für das Telefon zu gelangen. Ich wußte drei oder vier Straßen weiter ein Telefonhäuschen, dorthin strebte ich also.
Nach knapp drei Kilometern bog ich um einer Ecke hinter jener, wie ich wußte, sich die Telefonzelle befand, mit deren Hilfe ich hoffte, mich aus meiner mißlichen Lage befreien zu können.
Doch was soll ich sagen: nach dreimaliger Zählung war es gewiß: sechzehn Männer und Frauen jeden Alters in mehr oder minder - meistens eher in minder bekleidetem Zustand - standen vor dem Häuschen Schlange. Innerlich seufzend schloß ich mich an siebzehnter Stelle hinter einem älteren Herren in einer knallroten Unaussprechlichen der Schlange an. Der ältere Herr wandte sich mir zu: „Na, auch auf „halber Treppe" gewesen?" Ich nickte etwas verdrossen: „Sie auch?" „Nicht nur ich", intonierte jener leichtbekleidete Herr, Manager eines großen Industriebetriebes, „die Herrschaften vor mir teilen das gleiche Schicksal."
Ich war beeindruckt. Man stellte sich vor: Ein Bankdirektor auf Besuch bei seiner Schwiegermutter, eine Sopranistin, ein Konzertgeiger, einige Hausfrauen, Seeleute auf Heimaturlaub - bunt war die Mischung, die hier unterbehost vor der Telefonzelle harrte. Wir begannen, Gefallen aneinander zu finden, wie unterhielten uns und schließlich rief jemand: „Laßt uns drüben in den Stadtpark gehen, da ist es gemütlicher."
Gesagt, getan. Es wurde eine lustige Veranstaltung. Ein anderer, schon recht betagter, Herr verriet mir, er sei gar nicht ausgesperrt. Doch auf diese Weise finde er die Gesellschaft, die er in seinem Rentnerdasein so sehr entbehrte. Mit Einigen aus dieser „halbe Treppe"-Runde pflege ich noch heute regen Kontakt...
Einmal schlug das Schicksal auf einer Autobahntoilette zu. Es war eine dieser Entsorgungslokalitäten, wissen sie, die vollautomatisch funktionieren. Nur drücken muß man noch selber.
Ich hatte es recht eilig und schoß also mit Höchstgeschwindigkeit in dieses Häuschen. Drinnen hielt ich etwas verwirrt inne. Polierter Edelstahl wohin das Auge sah. Eigentlich mutete diese Räumlichkeit eher wie eine Großküche an, und nicht wie ein WC. Wo ich die Eingangstüren in die intimen Kabinen vermutete, blinkte mir ebenfalls blanker Edelstahl entgegen, freilich ohne, daß ich eine regelrechte Tür hätte erkennen können. Einen Münzeinwurf suchte ich vergeblich, eine Bedienungsanleitung hing nicht aus. Indessen stieg der Druck ins schwer Erträgliche und meine anfängliche Verwirrung machte einer gelinden Verzweiflung Platz.
Um aus der Entfernung vielleicht etwas besseren Überblick zu bekommen, trat ich zwei oder drei Schritte zurück. Plötzlich begann, wie von Geisterhand in Gang gesetzt, ein Wasserhahn zu sprudeln, so heftig, daß meine rückwärtige Geographie ruckzuck mit dem Pazifik versehen wurde. Nur ein entschlossener Satz nach vorne verhinderte weitere Überflutungen. Da öffnete sich die Tür einer der Kabinen. Erleichtert wollte ich eintreten, als eine Laune der Elektrik die Türe wieder zuschlug.
Jetzt wollte ich es genau wissen. Ich trat zurück auf genau die Stelle, an der zuvor der Wasserhahn ausgelöst wurde und richtig - er befeuchtete mich wieder. Wieder tat ich einen Satz nach vorne - die edelgestählte Tür öffnete sich - und fiel sofort wieder ins Schloß. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig und ich versuchte es bei der zweiten Türe - mit gleichem Erfolg...
Mit starken Lederriemen an Armen und Beinen wachte ich in einem kahlen Zimmer wieder auf. Ein mürrisches, wahrscheinlich weibliches Gesicht beugte sich kurz über mich: „Topati 26 ist auch wieder wach", hörte ich die ältliche Schwester sagen. Ich verstand nichts. Lange Zeit lag ich so da und starrte an die Decke. Schließlich kam ein freundlicher Herr in weißem Kittel - ein Arzt, wie ich vermutete - und ließ mir von jener Schwester die Riemen lösen.
„Wie fühlen sie sich?", begann er das Gespräch.
Was ich im weiteren Verlauf der insgesamt recht erfreulichen Konversation erfuhr war dieses: Jemand mußte meine vergeblichen Versuche, die Toilettenkabine zu betreten, beobachtet haben. Der Aussage dieses Herren nach, den ich leider niemals deswegen habe befragen können, soll ich zum Schluß wie ein Wahnsinniger vor und zurückgesprungen sein, mit Schaum vor dem Mund und blutunterlaufenen Augen. Schließlich habe er über sein Mobiltelefon die Sanitäter informiert.
„Was", fragte ich den freundlichen Arzt zum Schluß unseres Gespräches, „was meinte die Schwester vorhin mit 'Topati 26"? "Toilettenpatient Nr. 26", erwiderte der Herr Doktor, „sie sind diese Woche der 26'ste Toilettenbesucher der bewußten Autobahntoilette, der bei uns im psychiatrischen Landeskrankenhaus eingeliefert wurde." Man bedenke, das geschah an einem Montag!
Inzwischen mache ich um jedwede Art öffentlicher Bedürfnisanstalten einen weiten Bogen.
Ein weiteres Mal, als ich mich, inzwischen muß es korrekter weise „uns" heißen, denn da war ich bereits verheiratet, ein weiteres Mal also sperrte ich uns aus, als meine Frau und ich von einer längeren Ausflugsfahrt in unsere kleine Wohnung zurückkehrten. Sie war der Meinung, ich müsse den Schlüssel haben, ich war der Meinung ... genau. Schließlich gelangten wir zähneknirschend zu der Einsicht, einer von uns beiden - der jeweils andere selbstverständlich - müsse den Schlüssel verloren haben. Also riefen wir zur inzwischen schon fast mitternächtlichen Stunde den Schlüsselnotdienst. Der erschien denn auch, mit Blaulicht und in Begleitung dreier Streifenwagen des örtlichen Polizeireviers. Nach Entrichtung eines Betrages von 419,34 DM sowie dem Betreten unserer Wohnung fand ich dann jedoch den Schlüssel. Das heißt, eigentlich fand ihn meine Frau. Als sie mich zum Trost für den gezahlten Betrag küssen wollte, klaubte sie ihn zwischen meinen Zähnen hervor. Dorthin hatte ich ihn gesteckt, weil ich beide Hände benötigte, um unser Gepäck tragen zu können.
Einige, wenige Male passierte es mir oder auch meiner Frau und mir gemeinsam, noch, daß ich mich / wir uns aussperrten. Meistens jedoch verliefen diese Aussperrungen glimpflich und - aufs Ganze gesehen - recht preiswert.
Dann kam jener schicksalsträchtige Montagmorgen im November letzten Jahres. Ich arbeite in einem Rechenzentrum im Dreischichtbetrieb und dort gilt das ungeschriebene Gesetz, daß derjenige, der am Montagmorgen die Frühschicht beginnt, bereits um 02:00 Uhr seinen Dienst anzutreten hat. Diesmal war die Reihe an mir, also tat ich, wie verlangt.
Ich kam rechtzeitig am Rechenzentrum an, entschärfte die Alarmanlage, schloß Außen- und Innentüre auf, legte Mantel, Hut und Straßenschuhe ab und begann mein Tagwerk.
Zu einem unbestimmten Zeitpunkt sollen bestimmte Listen an einem bestimmten Platz liegen, so lautet ein weiteres ungeschriebenes Gesetz. Also schnappte ich zur nämlichen Zeit jene bestimmten Ausdrucke und legte sie an ihren Platz. Weil nun eine kleine Pause anstand, wollte ich mal nach dem Wetter sehen und ging ins Freie.
Froh und dankbar, daß ich bei diesem novembrigen Schmuddelwetter im Warmem arbeiten durfte, wandte ich mich wieder dem Eingang zu, um ins Gebäude zurückzukehren.
Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Weder mit Tricks noch mit Kraft. Sie blieb verschlossen, diese Tür. Zunächst stand ich wie vom Donner gerührt. Ich - in Schlappen und Hemd - stand bei knappen vier Grad plus vor der versperrten Rechenzentrumstüre.
Doch dann war mir klar, was geschehen war. ein kleines winziges Hebelchen am Türschloß nur hätte ich umzulegen brauchen, dann wäre all das, was ich nun berichten muß, nicht geschehen. Doch diese Tatsache in Verbindung mit dem Wörtchen „hätte" machte das Vorhaben zunichte.
Mir wurde heiß und kalt - wie damals, auf dem Autobahn-WC. Nur kälter, denn die Außentemperatur betrug - wie bereits erwähnt - knackige vier Grad. Guter Rat war ebenso unerreichbar wie teuer, weil die Kollegen sicherlich - es mochte gegen halb fünf in der Frühe sein, noch alle ihrem Schönheitsschlaf frönten.
Was war zu tun? Zunächst versuchte ich, mit meinem echten Schweizer Taschenmesser durch den schmalen Türspalt das Hebelchen von außen nach oben zu drücken. Doch der Versuch mißlang, das Hebelchen blieb, wo es war. Dann drückte ich - mit mäßiger Gewalt - meine Kehrseite gegen die Tür in der Hoffnung, das Hebelchen könne solcher geballten Kraft nicht widerstehen - doch es widerstand. Auch heftiges Rütteln führte nicht zum gewünschten Erfolg.
Also blieb nur das Fenster.
Von unten konnte ich nicht genug erkennen. Zwar hatte ich gleich bei meiner Ankunft das Fenster in Kippstellung gebracht, doch auch schlankeren Menschen als mir wäre es nicht gelungen, die schmale Öffnung zu passieren. Doch vielleicht konnte man es irgendwie aushängen?
Also erklomm ich das schmale Fenstersims aus Aluminium. Aufgrund meiner Körperstatur lag mein Schwerpunkt etwas ungünstig, so daß ich Schwierigkeiten hatte, eine gewisse, würdevolle Haltung zu bewahren. Genaugenommen muß ich wohl ausgesehen haben wie jemand, der seine Notdurft zu falschen Zeit am noch falscheren Ort verrichten wollte... So untersuchte ich das Fenster aus der Nähe - als ich urplötzlich in grelles Scheinwerferlicht getaucht war; Blaulicht zuckte über die Wand, ein Fahrzeug ums andere kam die Einfahrt herunter - Polizei, Bundesgrenzschutz, einige Panzerfahrzeuge der Bundeswehr, Feuerwehr, Werksschutz - ruckzuck war ich von einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei umstellt, jeder zielte mit Maschinenpistolen, MG's und Panzerfäusten und grimmigen Blicken auf mich. Offenbar hatte ein aufmerksamer Mitbürger mich bei meinem Tun beobachtet und Meldung erstattet. Ich liebe aufmerksame Mitbürger...
„Hände hoch und keine Bewegung", bellte ein Mann mit Hund hinter mir. Der Hund bellte auch: "Fetter Hintern Herrchen, krieg' ich 'nen Happen?"
Ich tat einen gewagten Sprung vom Sims herunter und blieb dann wie angewurzelt stehen.
Die Einzelheiten der weiteren Vorgänge jenes Morgens möchte ich möglichst rasch im Nebel des Vergessens untertauchen sehen.
Nach drei Tagen pausenloser Verhöre und Befragungen schenkte man mir zwar keinen Glauben, wenn ich meine Geschichte erzählte, doch man konnte mir glücklicherweise nicht beweisen, daß ich etwas Böses im Schilde geführt hatte, so mußte man mich schließlich laufen lassen. Als gebrochener Mann kehrte ich tags darauf an meinen Arbeitsplatz zurück. Noch heute leide ich unter dem hin und wieder vollkommen unvermittelt aufbrandenden wiehernden Gelächter meiner Kollegen, wenn sie mich sehen.
Einziger Kommentar meines Chefs: „Naja, wenigstens ist nichts Schlimmes passiert", meine er trocken.
Machen Sie's gut, lieber Leser, und ich bitte Sie - vergessen sie um alles in Welt nicht ihren Schlüssel.
Urheberrechte bei mir

Antworten

« zurück zum Forum