Impulse
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Re: Impulse
von nusskeks am 27.05.2025 14:51Der Schmerz der Liebe – ein Impuls zu Hosea
Der Prophet Hosea ist eine der eindrucksvollsten Stimmen der alttestamentlichen Prophetie. Er predigt nicht nur mit Worten, sondern lebt die Botschaft Gottes am eigenen Leib. Gott befiehlt ihm, eine Ehe mit einer treulosen Frau einzugehen – ein lebendiges Gleichnis für die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel. Diese Ehe wird zum Abbild eines göttlichen Herzens, das zugleich gebrochen und unaufgebbar treu ist.
Hosea lebte im 8. Jahrhundert v. Chr., in einer Zeit äußerer Blüte und inneren Zerfalls des Nordreichs Israel. Politische Intrigen, soziale Ungerechtigkeit und religiöse Untreue gegenüber Adonaj (אֲדֹנָי), dem Bundesgott, prägten die Gesellschaft. Statt auf den lebendigen Gott zu vertrauen, wandte sich Israel Baal, dem kanaanäischen Fruchtbarkeitsgott, zu. Man suchte Segen, Sicherheit und Identität durch religiöse Mischformen und politische Bündnisse – ein geistlicher Ehebruch in Gottes Augen.
Gott selbst spricht durch Hosea wie ein verletzter, aber liebender Ehemann. Er klagt, er warnt, er richtet – und doch lässt er nicht los. In Hosea 11,8 heißt es: „Wie könnte ich dich preisgeben, Ephraim? [...] Mein Herz kehrt sich in mir um, mein Mitleid ist entbrannt." Dieser Satz gehört zu den tiefsten Offenbarungen göttlichen Erbarmens in der Bibel. Gott ist gerecht – aber er ist kein unbeteiligter Richter. Er liebt. Und diese Liebe ist leidenschaftlich, verletzlich, und sie will zurückgewinnen, nicht vernichten.
Hosea macht klar: Wahre Gotteserkenntnis ist nicht bloßes Wissen oder religiöse Übung. „Denn an Liebe habe ich Gefallen und nicht am Schlachtopfer, an Gotteserkenntnis mehr als an Brandopfern" (Hos 6,6). Jesus selbst zitiert diesen Vers zweimal (Mt 9,13; 12,7) – ein deutlicher Hinweis, wie zentral Hoseas Botschaft auch im Neuen Bund ist. Gottes Ziel war nie ein äußerlicher Kult, sondern ein verändertes Herz.
Im Neuen Testament wird Hosea besonders durch zwei Zitate hervorgehoben: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen" (Hos 11,1) bezieht Matthäus auf die Kindheitsgeschichte Jesu (Mt 2,15). Und Paulus bezieht Hosea 2,25 auf die Berufung der Heiden in die Gemeinde Gottes (Röm 9,25f): Die, die „nicht mein Volk" waren, sollen „mein Volk" heißen. Hosea wird damit zu einem Wegweiser auf die Weite der Gnade Gottes – über Israel hinaus zu allen, die ihn von Herzen suchen.
Hosea zeigt uns, dass Gottes Liebe nicht billig ist, sondern teuer erkauft, voller Schmerz und doch voller Hoffnung. Er ruft nicht nur Israel, sondern auch uns: Kehrt um! Kommt zurück zu dem, der euch liebt, obwohl er alles über euch weiß. In einer Zeit, in der Treue oft als Last empfunden wird, lehrt Hosea, dass es ohne Treue keine echte Liebe gibt – weder zwischen Menschen noch zu Gott.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 30.05.2025 17:56„Wehret ihnen nicht!"
Markus 10,13–16
„Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie."
– Markus 10,13–16
Diese kurze Begebenheit ist viel mehr als eine rührende Kindergeschichte. Sie ist ein tiefgehender Einblick in das Herz Jesu – und eine ernste Lektion für seine Nachfolger.
Wer wurde zurechtgewiesen?
Oft überliest man es: „Die Jünger aber fuhren sie an".
Doch wer ist mit „sie" gemeint? Nicht die Kinder selbst. Der griechische Text sagt: ἐπετίμησαν αὐτοῖς – ein Dativ Plural, der sich grammatikalisch am wahrscheinlichsten auf die Erwachsenen bezieht, die die Kinder zu Jesus brachten. Also vielleicht Mütter, Väter, Verwandte.
Die Jünger stellen sich hier zwischen die Suchenden und den Retter – sei es aus falschem Eifer, einem Bedürfnis nach Ordnung oder aus einem tief sitzenden, gesellschaftlich geprägten Denken: Kinder sind unwichtig. Man stört den Meister nicht mit so etwas.
Und Jesus? – Er wird unwillig.
Das Wort im Urtext – ἠγανάκτησεν (ēganaktēsen) – ist stark. Es bedeutet: Empörung, Zorn über Unrecht oder Härte. Jesus wird nicht oft so beschrieben. Aber hier – wo Menschen den Zugang zu ihm verwehren – reagiert er mit heiliger Entrüstung.
Und dann sagt er zwei Dinge, die alles verändern:
1. „Lasset die Kinder zu mir kommen, und wehret ihnen nicht"
Das ist nicht nur eine Einladung – das ist ein Gebot. Es ist eine Mahnung an alle, die meinen, sie müssten filtern, wer zu Jesus kommen darf.
2. „Denn solchen gehört das Reich Gottes"
Das Reich Gottes gehört denen, die keine Macht, keine Position, keine Leistung vorzuweisen haben – wie Kinder. Die sich beschenken lassen. Die vertrauen. Die kommen, ohne verhandeln zu wollen.
Ein Blick zurück – Hätten die Jünger es wissen können?
Ja. Jesus hatte sie schon belehrt. In Markus 9 (nur ein Kapitel zuvor!) hatte er ein Kind in die Mitte gestellt und gesagt:
„Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, nimmt mich auf" (Mk 9,37)
In Matthäus 18 sagte er sogar:
„Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen."
Die Jünger hätten also wissen können – und müssen –, dass Kinder kein Hindernis, sondern ein Maßstab für den Empfang des Reiches Gottes sind. Ihr Verhalten war nicht bloß ein Missverständnis, sondern Ausdruck eines Denkens, das Jesus radikal durchbrechen wollte.
Für uns heute
Manchmal sind es nicht Worte, sondern Haltungen, mit denen wir Menschen den Weg zu Jesus schwer machen. Wir denken, jemand sei „noch nicht so weit" oder „passt nicht". Aber Jesus sagt:
„Wehret ihnen nicht!"
Niemand ist zu klein. Niemand ist zu unwichtig. Und niemand braucht mehr als das:
mit leeren Händen kommen – wie ein Kind.
gruß
nk
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 02.06.2025 16:34Schawuot / Pfingsten: Von der Stimme zum Geist
„Und das ganze Volk sah die Stimmen ..." (2. Mose 20,18)
Was für ein seltsamer Satz. Wie kann man Stimmen sehen? Das Wort „קולות" (qolot) ist der Plural von „קול" (qol) und kann sowohl „Stimme" als auch „Donner" oder „Schall" bedeuten. Noch ungewöhnlicher ist das Verb: sehen (רָאָה – raʾah). Wie kann man Geräusche sehen?
Die Offenbarung Gottes am Sinai war keine gewöhnliche Erfahrung. Feuer, Rauch, Beben, Posaunenschall – und dann die Stimme Gottes, nicht nur hörbar, sondern sichtbar. In der jüdischen Tradition wird gesagt, dass Gottes Stimme sich in 70 Sprachen zerteilte, damit jedes Volk sie hören konnte. Schon hier, mitten in der Wüste, wird deutlich: Gott redet nicht nur zu Israel – er spricht zur ganzen Welt.
Etwa 1.500 Jahre später geschieht etwas Ähnliches. In Jerusalem, am selben Festtag – Schawuot, das Wochenfest –, erfüllt Gott, was am Sinai begonnen hatte: Der Heilige Geist kommt mit Brausen, Feuer und Sprachen. Jeder hört die Jünger in seiner eigenen Sprache reden. Nicht mehr auf einem Berg verborgen, sondern mitten in der Stadt. Nicht mehr auf Steintafeln geschrieben, sondern in menschliche Herzen.
Sinai und Pfingsten gehören zusammen. Am Sinai gab Gott sein Wort – am Pfingsttag seinen Geist. Beides ist Offenbarung, beides ist Bund, beides ist heilig.
Doch da ist ein Unterschied: Am Sinai stand das Volk in Furcht – sie baten Mose, dass Gott nicht mehr direkt zu ihnen spreche. Am Pfingsten werden Herzen geöffnet. Menschen, die vorher weggelaufen wären, werden mutig. Die Distanz wird überwunden, die Trennung aufgehoben.
Und dann ist da noch das Opfer: An Schawuot mussten zwei gesäuerte Brote als Opfer dargebracht werden – ungewöhnlich, denn Sauerteig ist in der Bibel oft ein Bild für Sünde. Warum also ausgerechnet gesäuerte Brote? Vielleicht ist es ein Hinweis: Gott wusste von Anfang an, dass das, was er an Pfingsten tun würde, mit Menschen geschieht, die nicht vollkommen sind. Menschen mit „Sauerteig" im Herzen – aber bereit, sich Ihm hinzugeben.
Pfingsten heißt: Gott offenbart sich nicht nur über uns, sondern in uns. Der Geist kommt nicht mehr nur auf Mose oder Propheten, sondern auf alle, die glauben – auf Männer und Frauen, Junge und Alte, Juden und Heiden.
Gott spricht – heute. Er will gehört und gesehen werden, durch sein Wort und durch sein Wirken in uns. Die Frage ist: Lausche ich seiner Stimme? Lasse ich zu, dass sie in mein Herz geschrieben wird?
Schawuot erinnert uns daran: Gottes Bund ist lebendig. Sein Wort ist nicht nur gegeben – es ist eingepflanzt. Sein Geist will nicht nur leiten – er will erfüllen.
„Nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR." (Sacharja 4,6)
gruß
nk
One of Israel