von Cleopatra am 22.02.2020 21:47
Liebe bettyb,
ich habe lange gebraucht, bis ich dir schreibe, ich habe viel gebetet, weil ich eben auch denke, bei einem solch sensiblen Thema ist es ganz wichtig, selbst auch sensibel zu antworten.
Und du merkst ja auch an allen Antworten, dass wir mit dir leiden und es uns total leid tut, dass es dir so schlecht geht.
Wie wir lesen können- wenn ein Glied leidet, leiden auch wir mit.
Ja, wie gerne hätte ich jetzt eine Antwort auf dich, wieso du so viel erleben und ertragen musst.
Ich glaube, niemand wird mitfühlen können, der noch kein eigenes Kind zu Grabe getragen hat.
Wieso lässt Gott das zu?
Nun, diese Frage bewegt dich gerade, beziehungsweise- diese Frage quält deine Gefühle.
Denn wie oft lesen wir in der Bibel, wie Gott Wunder vollbracht hat, Krankheiten geheilt hat und Menschen aus schwierirgen Situationen herausgeholfen hat?
Und auch hier, in christlichen Kreisen, hören und erleben wir Heilungen, Wunder, Führung.
Wieso- also fragt sich das Gefühl- wieso dann nicht auch bei dir?
Ich musste auch (wie geli schon schrieb) an Hiob denken.
Was ist ihm alles Schlimmes geschehen?
Ich denke auch an eine Frau in meinem Bekanntenkreis, die vor eineinhalb Jahren ihren Ehemann zu Grabe tragen musste nach langem Kampf und Fasten gegen den Krebs..... Vor einem Jahr dann den Sohn, ganz plötzlich und unerwartet.
Ich kenne viele Menschen, die ihr Leben lang teilweise schon mit schlimmen Krankheiten kämpfen.
Wie mag es wohl Paulus ergangen sein, der die ganze Zeit verfolgt wurde, verprügelt, ins Gefängnis gebracht, Ungerechtigkeit ertragen hat und am Ende sogar diesen "Dorn im Fleisch" hatte- obwohl er doch für Gott nur Gutes tat..?
Ich erinnere mich an mich, als ich nach dem Unfall so viel verlor und in eine gewisse "Trauerphase" kam (Gott sei Dank kannte ich die Stadien und konnte diese so bewusst nutzen).
Und weißt du was? Ich glaube, alle genannten Personen haben eines gemeinsam- sie brauchen Trost und sie brauchen Gebet.
Aber wie du schreibst, "wirken" die Anteilnahme erstmal nicht sehr viel.
Auf der Sachebene nehmen wir es wahr, ja, und es ist ja auch total nett.
Aber deine Gefühlswelt ist zur Zeit einfach nur völlig erschöpft und enttäuscht.
Was könnte also in Wirklichkeit helfen?
Nun, ich denke, neben dem Gebet deiner Geschwister, die für dich vor Gott stehen, auch, wenn du es nicht siehst, können dir alle sagen, wie sehr Gott dich liebt und so weiter, es wird eben höchstens deine Sachebene erreichen.
Bei Hiob hat kein Freund helfen können. Auch keine Schuldzuweisung.
Währest du nun in unserer Position, würdest du vielleicht theologisch und selbstverständlich biblisch korrekt antworten:
Ich wurde oft gefragt "Wenn es Gott gibt- wieso lässt Gott dann Krieg zu?" ich sagte dann "Wieso ist Gott Schuld, wenn der Mensch die böse Entscheidung trifft?"
oder "Wenn es Gott gibt, wieso gibt es dann die Krankheit?" worauf ich (und du würdest es sicher auch so machen) darauf hinweise, dass die Krankheit die Folge der Sünde ist und wir in dieser sündigen, bösen, krankheitbehafteten Welt leben müssen- erst bei Gott sind wir davon wirklich befreit.
Und wenn dann noch jemand argumentieren würde, dass Gott schließlich den Nachbarn geheilt hat, wieso denn dann nicht meinen Bruder- dann hättest du vielleicht auch das Gleichnis von den Arbeitern am Weinberg im Hinterkopf, wo der Chef selbst entscheidet, wem er was gibt und die Arbeiter zugesagt haben.
Nun, sicher würdest du jetzt nicht unbedingt den leidenen Gegenüber darüber informieren, dass wir alle Gottes Geschöpfe sind und er in seiner Erhabenheit, Treue und Güte weiß, was er tut und alles im Blick hat. Du würdest jetzt nicht vom großen Puzzle der Welt reden, bei dem wir nur ein kleines Puzzlestück sind, welches wir nur sehen können.
Denn dies wäre ja vielleicht natürlich richtig- aber die Gefühle sperren sich dagegen, einfach, weil es weh tut. Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll, es ist schon so ernst gemeint.
Es ist auch so schwer zu verstehen, wieso Gott bei dem einen sein Geschenk der Gnade an dieser Heilung zum Beispiel macht und nicht bei jedem- oder doch wenigstens diesmal bei dir. Wieso hat er sich so entschieden? Haben wir ein Anrecht drauf?
Auch das wollen wir dann nicht hören, weil wir es anders hören wollen!
Wieso tut es weh und wieso ist es unangenehm? Weil du in Trauer bist, liebe betty.
Und in der Trauer gibt es (sorry, wieder Sachebene) unterschiedliche Phasen. Eine der Phasen schimpft sich "Zorn", eine Phase heißt "Verhandeln", es gibt aber auch die Phase, die sich "Depression" nennt.
Und diese Phase ist sehr unangenehm, sie kann lähmen, sie schaut zurück und sie leidet enorm.
Und diese Phase dauert bei jedem unterschiedlich.
Kein einziger Mensch, der außenstehend ist, und sei sie noch so liebevoll und so nah- keiner kann sie dir verkürzen.
Diese Phase ist für die Psyche die langfristige Medizin, solange man irgendwann aus dieser Phase herauskommt.
Wann es soweit ist, das kannst ganz alleine nur du entscheiden.
- Damals habe ich mir die Zeit der "Trauer" bewusst genommen und bin in eine Essstörung gerutscht.
Als mein Arzt mir bei den extrem miesen Blutergebnissen den Marsch geblasen hat, habe ich mir ganz bewusst in den Hintern getreten, habe ganz bewusst (und anstrengend) gesagt, dass diese Zeit nun vorbei ist und ich nach vorne sehe und mich zwinge, wieder regelmäßig zu essen.
Und es fiel mir nicht leicht, ich brauchte auch hier Gottes Hilfe und ganz viel Gebet. Aber kein mensch hätte mich dazu bringen können- die Entscheidung musste ich selbst treffen.
- Hiob hat irgendwann verstanden, wie Gott wirklich tickt, was seine Stellung ist und dass er derjenige war, der trotz allem zu ihm stand, ihm immer zuhörte, sogar Antwort gab und bei ihm blieb und ihm zeigte, was wichtiger ist als äußerliche Güter oder der Körper. Kein Freund konnte ihm diesen Blickwinkel geben.
- Meine Bekannte hat im Herzen Gott bewahrt, weil sie die Gebete gespürt hat, Gottes Anwesenheit und Trost ganz nah war und er ihr bei ganz vielen Dingen geholfen hat. Kein Verwandter konnte ihr das abnehmen.
- Freunde, die so schwer erkrankt sind, lächeln mich an und sind mir große Vorbilder, wenn es mir schlecht geht, zu sehen, wie sie auf Gott schauen und erkennen, wie wichtig die Seele ist und die Beziehung zu Gott.
Nun, vielleicht wirst du irgendwann jemanden genau die richtigen Worte geben können, wenn er/sie in einer Glaubenskriese ist, eben, weil du weißt, wie schlimm das ist.
Und es ist auch verständlich, wenn man sich dann eben zurückziehen möchte und auch das viele "ich bete für dich" und "Gott ist so lieb" nicht hören möchte, eben, weil die Gefühle noch etwas anderes sagen.
Daher hoffe und (entschuldige) bete ich auch dafür, dass du aus diesen schweren Gefühlen herauskommst, dass du Gott siehst und erkennst als den, der er ist, der trotzdem bei dir ist, mit dir leidet, dir all deinen Frust, deine Trauer, deine Enttäuschung anhört. Und ich hoffe und bete, dasss dies zur richtigen zeit geschieht und du diese Entscheidung irgendwann treffen kannst- wenn es für dich richtig ist und du es für dich entscheidest.
Er weiß ja, wie es dir geht. Und ich selbst wünschte auch, dass es diese doofe Sünde mit all ihren "Folgeerkrankungen" nicht geben würde. Dass natürlich immer jemand da wäre, der unsere Schmerzen und Krankheiten sofort wegnimmt und es uns immer gut gehen würde. Ja, so war es ja auch damals vorgesehen.
Noch ein kleiens Wort zum Thema Vertrauen:
Du meinst vielleicht, du kannst Gott nicht vertrauen, eben, weil du enttäuscht bist.
Vertrauen baut sich auf, Vertrauen ist aber auch eine Entscheidung.
Gott muss sich dein Vertrauen nicht verdienen.
Je mehr Erfahrungen wir mit Gott machen, umso mehr wird der Glaube und auch das Vertrauen wachsen.
Aber alles beginnt mit einem Anfang- und der beginnt mit der Entscheidung, diesen Schritt des Vertrauens zu gehen.
Und wenn du diesen Schritt, diese Entscheidung noch nicht gehen möchtest, dann fühle dich auch nicht gedrängt dazu.
Wir beten im Hintergrund und du kannst auch Gott gegenüber wie David in den Psalmen deine Gefühle so rauslassen, du kannst ihm auch sagen, was du denkst und was du von ihm erwartest, was du möchtest und was deiner Meinung nach richtig wäre.
Und dann sei aufmerksam, wenn Gott antwortet
Ja liebe betty, viele Worte, ich wollte mir aber gerne diese Zeit nehmen.
Ich hoffe, dass du dich nicht irgendwo gekrängt fühlst oder so, nein, ich wollte wirklich sensibel sein, aber auch keine Wahrheit auslassen.
Selbst, wenn sie manchmal unangenehm und doof klingt ändert es ja nichts daran, dass sie stimmt.
Und ich glaube, dass wir alle eben ahnen, was für eine schwere Zeit du durchmachst, und vor allem, wenn diese schon was länger anhällt.
Ich finde burgolds Vorschlag auch total gut, wenn du einfach mal quastschen möchtest, oder einfach mal die Gemeinschaft mit anderen Christen haben möchtest- dann melde dich. IM Chat geht es natürlich zeitlich immer am Besten, weil du dann sofort Antwort bekommst.
Aber auch hier- es gibt kein "vorjammern" oder so, nein, ich bin wirklich froh, dass du so ehrlich bist und uns teilhaben lässt an deiner schweren Situation, denn so können wir wirklich ganz gezielt für dich beten. Und wir wollen dir gerne zur Seite stehen, so gut, wie es eben geht.
Ich nehme dich mal gedanklich ganz dolle in den Arm.
Möge Gott dir eine ruhige Nacht schenken , ja, und dir auch das Gefühl der Geborgenheit geben, ,damit du spürst, dass du nicht alleine bist und Gott mit dir leidet und dir beisteht- immer, eben auch in schweren Zeiten.
Ganz liebe Grüße, Cleo
Die Bibelverse sollen meine Meinung bilden, nicht begründen
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