Muss ich immer nur alles schlucken?

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Leyla
Gelöschter Benutzer

Muss ich immer nur alles schlucken?

von Leyla am 26.08.2019 11:13

Ich hause in einem Wohnblock, man könnte auch sagen, Ghetto. In dem sich schlichtweg kaum einer für den anderen interessiert.
Umso schlimmer, wenns doch einer mal tut - ich z.B.
Das geht dann ganz schnell in Richtung Ausnutzung - muss ich als Christ das nun hinnehmen und mir jedes Prob an den  Hals laden, das man mir darauf wirft oder darf ich auch mal Nein sagen?

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geli
Gelöschter Benutzer

Re: Muss ich immer nur alles schlucken?

von geli am 26.08.2019 11:42

Leyla: oder darf ich auch mal Nein sagen?

"Nein" sagen können ist nicht nur erlaubt, sondern sogar enorm wichtig. 
Wenn man nur auf die "Bedürfnisse" und Wünsche, Erwartungen und Vorstellungen von anderen guckt und versucht, dem überall gerecht zu werden, verliert man leicht das aus dem Blick, was Gott eigentlich für den jeweiligen Tag vorbereitet hat.

Ich kann das aus meiner eigenen Erfahrung so schreiben, weil ich jemand war, der gedacht hat (und schon dreimal als Christ, der ja "Gutes" tun soll und helfen soll), dass man nie Nein sagen darf. Das muss man dann regelrecht "lernen", denn so einfach, wie sich das anhört, ist das nicht unbedingt .

An eine Begebenheit, als ich mit dem Nein-Sagen am Lernen war, kann ich mich noch gut erinnern.
Wir hatten damals in der Gemeinde einen Nebenraum für die Babys und Kleinkinder, und hier hat man Leute für den "Kinderdienst" gesucht.
Ich hatte damals zwei kleine Kinder - der Ältere ging zu der Gruppe von 2-6 Jahren, und ich sass immer mit meinem zweiten Kind, dem Baby, oben in dem Raum, wo man auch die Predigt mithören konnte.
Ich hatte im Alltag für das Baby relativ wenig Zeit, weil ja auch mein erstes Kind noch sehr klein war, und so genoß ich eigentlich diese Zeit, wo ich mich so richtig schön und ungestört um das Baby kümmern konnte.
Ja, aber weil ich ja sowieso immer da sass, kamen einige und meinten, ich könnte doch da auch gleich Kinderdienst machen.
Das hätte aber bedeutet, dass ich mich um 5-6 Babys und Kleinkinder hätte kümmern müssen - und mein eigenes Baby dann hinten anstehen hätte müssen.
Ich hab lange gezögert und auch gebetet, was ich nun machen soll, und hab mich am Ende dafür entschieden, "Nein" zu sagen.
Egal, was die anderen dazu sagen würden.
Irgendwie hatte ich aber immer ganz hinten in meinem "Hinterkopf" so ein kleines bisschen schlechtes Gewissen... 

Ja, und einige Jahre später, da kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die damals auch kleine Kinder hatte und die Sache so mitbekommen hatte. Die sagte mir dann, dass sie dieses "Nein" damals echt mutig und auch gut fand...  

Allerdings muss man sich bewußt mache, dass man sich mit einem "Nein" nicht immer nur Freunde macht . Das nehme ich allerdings in Kauf, denn ich bin auch als Christ nicht auf der Welt, um es den anderen "recht" zu machen und ihren Vorstellungen Genüge zu tun.

Im Gegenteil: Ich denke, eine echte Beziehung oder eine echte Freundschaft lebt davon, dass man dem anderen zu jeder Zeit auch ein "Nein" zugesteht, ohne beleidigt zu sein. 
Sonst artet eine Beziehung schnell in Kontrolle und Manipulation aus - nach dem Motto: "Nur wenn du machst, was ich will und mir vorstelle, ist alles ok. Wenn du aber Nein sagst, dann bin ich beleidigt, oder ich halte dich gefangen in Schuldgefühlen, bis du machst, was ich will".
Oder auch, dass "gerechnet" wird: Also ich habe dir letztes Mal auch geholfen, jetzt musst du das auch tun.
Da geht die Freiheit verloren, und man begibt sich in Knechtschaft.

Wenn ich jemandem helfe, dann auch Liebe und weil ich den Eindruck habe, dass Gott mir diese Sache in den Weg gestellt hat.
Aber mit meiner Hilfe darf ich den anderen nicht in "Zugzwang" bringen, sonst ist es keine Hilfe, sondern ich kaufe mir etwas von ihm. 

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Toni

76, Männlich

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Beiträge: 41

Re: Muss ich immer nur alles schlucken?

von Toni am 26.08.2019 16:04

Hallo Leyla,
ich dachte gerade, nachdem ich das hier gelesen hatte, dass es bei dir wohl nicht grad um Christen geht wie bei dem aussagekräftigen Beispiel von geli. Deshalb fände ich es hilfreich wenn du auch ein konkretes Beispiel schilderst, denn im Umgang mit Nichtchristen sieht das Problem möglicherweise anders aus. Nicht dass ich jetzt denke, als Christ müsse man Nichtchristen gegenüber immer ja sagen um "als Licht in der Welt zu leuchten".
Also - wie gesagt - ein Beispiel könnte evtl. weiterhelfen.
LG, Vielton

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Cleopatra
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Re: Muss ich immer nur alles schlucken?

von Cleopatra am 27.08.2019 08:30

Ich finde gelis Beispiel auch sehr bezeichnend.
 
Und vor allem eben auch die Aussage, dass man sonst gerne Schuldgefühle projeziert.
 
Ein bisschen habe ich mich auch gefragt, wie man ein einjähriges Kind abgeben kann, ohne dabei zu bleiben, aber ok.
 
Christ sein bedeutet nicht Helfer-Syndrom zu bekommen.
 
Wir müssen auch auf uns selbst aufpassen.
 
Ich musste das auch schmerzlich erfahren, als ich drei Monate nach meinem schweren Unfall in der Reha war:
 
Ich hatte mich immer hinten angestellt und anderen ihre Probleme angehört und bemitleidet (mit ganzem Herzen).
 
Aber in der Reha war ich, weil ich viel verloren war und eben noch sehr krank war.
Es ging diesmal um mich, um meine Gesundheit.
 
Natürlich bekam man dann jeden Tag sehr viele Anwendungen, und das Handy blieb natürlich auf dem Zimmer.
 
Da ich aber plötzlich nicht für eine "Freundin" Tag und Nacht zur Verfügung stand, wurde ich mehrmals am Tag angerufen.
Ich solle mich jetzt um sie kümmern, sie wollte gerne reden und bemitleidet werden.
 
Als ich dann mal am Abend aufs Zimmer kam und mein Handy sah, sah ich die vielen Anrufe und dann eine SMS "ich stehe auf der Brücke, wenn du nicht zurückrufst, springe ich..." oder an einem anderen Tag "Die vielen Tabletten liegen direkt neben mir, ich muss sie nurnoch schlucken..."
 
und so weiter, um mich zu nötigen, mich wieder beiseitezuschaffen und alle Aufmerksamkeit dieser Person zu widmen.
 
Das war damals so schlimm für mich, da ich ja psychisch auch noch sehr labil vom Unfall war.
 
Ich musste deshalb mein Handy wegtun, um mich auf die Anwendungen zu konzentrieren, leider konnten mich dann auch meine Nachbarn mehr erreichen, die sich um kein Kanninchen gekümmert haben, als sie beim Tierarzt waren um es einschläfern zu lassen.
 
Diese Person hat später immerwieder versucht, Kontakt zu mir aufzunehmen, sogar unter unterschiedlichen Nicknamen hier und über unterschiedliche Mitarbeiter hier.
 
Es hieß von ihr aus immer- wenn ich nicht wieder den Kontakt zu ihr habe und ihr seelsorgerlich helfe, dann habe ich ihr auch nicht vergeben, und als Christ muss man doch vergeben.
 
Es hat lange gebraucht bis ich damals gelernt habe- ja, vergeben sollen wir. Aber vergeben bedeutet nicht, sich selbst in Situationen zu setzen, die einem schlecht tun.
 
Rein psychologisch ist es ganz schlecht, immer alles zu schlucken. Nichts aufzuarbeiten und keine Grenzen zu zeigen.
 
Es ist natürlich immer so ne Sache, wie man es tut ;-D
Wenn du sagst, dass du in einer Art Ghetto wohnst, wo niemand Interesse am Nächsten hat, dann ist es doch schon gut wenn du durch ein Lächeln oder ein nettes Wort Licht und Salz sein kannst.
 
So, wie du es beschreibst, scheinen dir dann die Nachbarn ja zu vertrauen, wenn sie dir  von ihren Problemen erzählen, das ist ein echt gutes Zeichen, denn dann hast du vielleicht schon als Licht der Welt geleuchtet und kannst so Zeugnis geben.
 
Oder wie genau meinst du es?
 
Vielleicht verstehe ich es auch etwas besser, wenn du da näher beschreibst, denn sonst könnte man es auch so sehen, dass Gott dich vielleicht wegen dem vielen Egoismus und Desinteresse als Licht hingestellt hat...?
 
Nur so, wie du es beschreibst, scheint es dir ja nicht zu gefallen bzw nicht gut damit zu gehen...?
 
Liebe Grüße, Cleo
 

Die Bibelverse sollen meine Meinung bilden, nicht begründen
Zitate im Forum, wenn nicht anders vermerkt, aus der rev.Elberfelder

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geli
Gelöschter Benutzer

Re: Muss ich immer nur alles schlucken?

von geli am 27.08.2019 12:20

Cleopatra: Es hieß von ihr aus immer- wenn ich nicht wieder den Kontakt zu ihr habe und ihr seelsorgerlich helfe, dann habe ich ihr auch nicht vergeben, und als Christ muss man doch vergeben.

Ja, das ist so die "typisch christliche" Motivation - bzw. ich nenne es lieber: die "Typisch christliche Manipulation", damit man am Ende doch das tut, was der andere erwartet.

Aber es ist eben nur Manipulation, und dazu eine Lüge. Denn "vergeben" heißt nicht automatisch, dass ich nun doch wieder den Vorstellungen und Erwartungen - noch dazu, wenn sie völlig überzogen sind - Genüge tun müßte. 

Wenn ich jemandem vergeben habe, darf ich trotzdem die Beziehung zu dem anderen neu überdenken und ggf. auch meine Grenzen ziehen.
Auch Jesus hat das getan - er hat sich nie von Menschen vereinnahmen und "vor ihren Karren" spannen lassen.
Ich weiß jetzt leider nicht, wo das steht - aber es gibt eine Begebenheit, wo jemand zu Jesus kam, weil er Probleme mit seinem Bruder wegen einer Erbschaft hatte. Er erwartete, dass Jesus sich nun in dieser Sache für ihn einsetzen würde.
Aber Jesus sagte nur: "Bin ich denn euer Erbschlichter?"
Er hat das getan, was er von seinem Vater her als richtig erkannt hatte und sich vor allem auf seinen Auftrag konzentriert.

Unser Auftrag ist nicht, uns von anderen total vereinnahmen zu lassen und unsere Zeit damit zu "verzetteln", sondern den Menschen die gute Botschaft nahezubringen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir Hilfe anbieten - aber nur soweit wir das mit der Kraft, die wir zur Verfügung haben, auch vereinbaren können. 
Meine Erfahrung ist leider in vielen Fällen die, dass viele Menschen nur jeden Tag über sich und ihre Probleme reden wollen, aber eigentlich gar keine Lösung dafür haben wollen.
Das zeigt sich sehr schnell darin, dass sie, wenn man ihnen für ein Problem eine Lösung aufzeigen will, sie dafür mindestens 5 Ausflüchte haben, warum gerade das nicht geht. Wenn man diese Ausflüchte dann zerstreut und auch dafür versucht, eine Lösung zu finden, kommen dann von der anderen Seite für jede dieser Lösungen für die ersten 5 Ausflüchte wieder jeweils 5 neue Ausflüchte - und am Ende sind die Leute überhaupt nicht bereit, selbst etwas zur Lösung beizutragen.
Sie wollen eben nur "jammern" und sich in ihrem Selbstmitleid bestätigt sehen - mehr nicht.
Das kostet Zeit und Nerven, und am Ende ändert sich im Leben der anderen Person gar nichts.

Ja, aber vielleicht kannst Du zu Deiner Frage (wie ja auch Vielton und Cleopatra schon geschrieben hatten) wegen der Nachbarn doch einmal konkreter schreiben, was die Leute denn von Dir erwarten?
Man kann viel Erfahrungen allgemein weitergeben - aber es ist leichter, auf konkrete Situationen einzugehen und dann etwas zu schreiben!

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Cleopatra
Administrator

38, Weiblich

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Beiträge: 5157

Re: Muss ich immer nur alles schlucken?

von Cleopatra am 28.08.2019 07:46

Liebe geli,
 
ich sehe das genauso wie du.
 
Ja, das ist so die "typisch christliche" Motivation - bzw. ich nenne es lieber: die "Typisch christliche Manipulation", damit man am Ende doch das tut, was der andere erwartet.

Und derjenige ahnt vermutlich nicht, wie fies das ist.
 
Denn als Betroffener leidet man dann wirklich arg, schließlich will man ja auch alles nach Gottes Willen tun.
 
Liebe Grüße, Cleo

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geli
Gelöschter Benutzer

Re: Muss ich immer nur alles schlucken?

von geli am 28.08.2019 12:20

Cleopatra: Und derjenige ahnt vermutlich nicht, wie fies das ist.

Derjenige ahnt vielleicht schon etwas  - aber er blickt lange nicht dahinter, um was es geht.  Ich spreche leider aus eigener Erfahrung...

Solange er nicht durchblickt, läßt er sich durch diverse Schuldgefühle immer wieder "auf Kurs" (der anderen) bringen.
Sogar Leute, die eigentlich gar nichts mit dem Glauben am Hut haben, kommen dann - sie wissen ja, dass man Christ ist - mit der Argumentaton:
"Aber du willst doch Christ sein, da müßtest du doch...".  
Zum Manipulieren ist sogar Gott gut - oder das, was man vermeintlich dafür hält.

Noch schlimmer ist es allerdings, wenn christliche Brüder und Schwestern "Gottes Willen" um Munde führen, und dafür sogar auch noch einige Bibelstellen aufzählen können. Denn man findet ja bekanntlich für alles eine Bibelstelle, die die eigene Meinung dann untermauert.
Da wiegt "Ungehorsam" natürlich viel schwerer - denn: Wenn man nun nicht tut, was die anderen meinen, dann handelt man nicht gegen die, sondern gleich gegen Gottes Willen.
Und wer - besonders, wenn man neu im Glauben ist - will nicht Gottes Willen tun?

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Leyla
Gelöschter Benutzer

Re: Muss ich immer nur alles schlucken?

von Leyla am 29.08.2019 12:11

Doch, genau darum gings und gehts mir.

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