Impulse

Erste Seite  |  «  |  1  ...  3  |  4  |  5  |  6 [ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Neueste Beiträge zuerst ]


nusskeks

55, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 580

Re: Impulse

von nusskeks am 18.10.2025 09:45

Gedanken zu Johannes 6,60

Viele nun von seinen Jüngern, die das hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede! Wer kann sie hören?"

Das griechische Wort, das Johannes hier für „hart" gebraucht, lautet σκληρός (sklērós). Es bedeutet nicht bloß „streng" oder „unfreundlich", sondern wörtlich: rau, unnachgiebig, schwer zu ertragen. Eine „σκληρός λόγος" – ein harter Ausspruch – ist also etwas, das sich dem Hörer nicht anpasst, sondern gegen ihn steht, weil es seine Denkweise und sein Herz herausfordert.

Was macht die Rede Jesu in Johannes 6 so „hart"? Zunächst einmal, dass Jesus sich selbst als das Brot des Lebens bezeichnet – nicht als Lehrer, nicht als Wundertäter, sondern als Quelle allen Lebens. Er sagt nicht: „Ich zeige euch den Weg zum Leben", sondern: „Ich bin das Leben." Für jüdische Hörer, die gerade das Passahbrot und das Manna der Väter im Sinn hatten, war das eine ungeheuerliche Aussage. Wer so spricht, beansprucht Göttlichkeit.

Dann spricht Jesus vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes. Das war für Juden, die das Blutverbot der Tora kannten, empörend. Aber Jesus meint nicht Kannibalismus – er verwendet Bilder des Opfers und des Bundesmahls. Er redet davon, dass wahres Leben nur durch die persönliche Aneignung seines Opfers entsteht. „Essen" und „trinken" bedeuten: annehmen, sich einverleiben, glauben. Wer an Jesus glaubt, lebt aus seinem stellvertretenden Tod. Doch das ist keine symbolische Nettigkeit, sondern eine Zumutung: Es gibt keinen anderen Weg zum Leben als ihn.

Hinzu kommt die zweite Härte: Jesus macht deutlich, dass der Glaube selbst ein Werk Gottes ist. Niemand könne zu ihm kommen, „es sei denn, der Vater zieht ihn". Damit nimmt er dem Menschen jedes religiöse Eigenrecht. Es genügt nicht, sich für fromm zu halten oder Jesus interessant zu finden – Gott selbst muss das Herz ziehen. Diese Aussage kratzt an menschlichem Stolz und Selbstvertrauen.

Und schließlich stößt Jesu Rede an, weil sie alles auf seine Person konzentriert. Nicht auf den Tempel, nicht auf das Gesetz, nicht auf Wunder, sondern auf ihn selbst. Er ruft nicht zu mehr Taten, sondern zu radikalem Vertrauen. Das ist für viele zu viel. Sie wollten Brot, nicht ein Kreuz; Zeichen, nicht Glauben; Erleichterung, nicht Erneuerung.

Darum ist die Rede „hart" – weil sie uns zwingt, uns zu entscheiden. Sie zerbricht alle Illusion, man könne Gott begegnen und doch unabhängig bleiben. Sie legt offen, ob wir bereit sind, uns von ihm nähren zu lassen, statt uns selbst zu versorgen.

Doch Jesus erklärt am Ende: „Die Worte, die ich zu euch rede, sind Geist und Leben" (V. 63). Was hart scheint, ist in Wahrheit heilend. Gottes Wort bleibt „sklērós" für den alten Menschen – aber wer sich beugt, wer glaubt, entdeckt darin das Brot des Lebens. Die Härte liegt nicht in der Grausamkeit Jesu, sondern in der Klarheit seiner Wahrheit. Sie will uns nicht brechen, sondern neu machen.

Hoditai, Mensch des Weges 
One of Israel

Antworten Zuletzt bearbeitet am 18.10.2025 09:48.

nusskeks

55, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 580

Re: Impulse

von nusskeks am 21.10.2025 11:50

Gottes Zeit, Gottes Weg
Johannes 7,1–13

Galiläa bleibt Jesu Rückzugsort, Judäa gefährlich – „die Ἰουδαῖοι" (oft: die führenden Kreise in Judäa) suchen ihn zu töten. Vor diesem Hintergrund fordern ihn seine leiblichen Brüder heraus: „Zeig dich der Welt!" (vgl. Joh 7,3–4). Sie haben gesehen – und doch nicht geglaubt (7,5). Ihre Logik ist menschlich: Sichtbarkeit schafft Anerkennung. Jesu Antwort ist göttlich: „Meine Zeit (καιρός) ist noch nicht da; eure Zeit ist immer bereit" (7,6). Nicht der Druck der Menge, nicht familiäre Erwartungen, nicht religiöse Kalender bestimmen Jesu Schritte, sondern der Vater.

Jerusalem – an der Grenze Juda/Benjamin gelegen und Sitz des Tempels – füllt sich zum Laubhüttenfest (סֻכּוֹת, Sukkot). Sukkot erinnert an provisorische Hütten (סֻכּוֹת, Sukkah) in der Wüste: vergänglicher Schutz, totale Abhängigkeit. Zugleich dankt Israel für die Ernte und bittet um Regen. In der Tempelzeit trug man Wasser aus dem Siloah zum Altar; nachts erleuchteten große Leuchter die Höfe – ein Fest von Wasser und Licht. Genau in diesen Rahmen wird Jesus später hineinsprechen (7,37–39; 8,12). Doch hier, in 7,1–13, geht er „nicht offen (ἐν παρρησίᾳ) sondern wie im Verborgenen" (7,10) hinauf: kein Spektakel, nur gehorsamer Schritt in den Willen Gottes.

Drei Linien treffen sich:

1. Nähe ohne Glauben rettet nicht. Seine Brüder stehen Jesus leiblich nahe, geistlich fern. Der Weg vom Sehen zum Glauben ist kein Automatismus. Später werden einige von ihnen glauben – aber erst nach Begegnung mit dem Auferstandenen.

2. Gottes Zeit ist heilig. Καιρός (kairos) ist nicht bloß Termin, sondern vom Vater gesetztes Zeitfenster. Jesu Verweilen in Galiläa und sein stilles Hinaufziehen zum Fest zeigen: Gehorsam ist wichtiger als Sichtbarkeit. Nicht jede „gute Gelegenheit" ist Gottes Stunde.

3. Sukkot lehrt Vertrauen. In der Sukkah verzichtet man auf festes Dach, um unter Gottes Schirm zu wohnen. So verweigert Jesus die falsche Sicherheit öffentlicher Show und bleibt im Schutz des Willens des Vaters.

Für uns:
-> Lass dich nicht durch Erwartungen (Familie, Öffentlichkeit, Gemeinde) treiben. Frage nach Gottes καιρός. Manchmal heißt das: warten; manchmal: leise gehen.
-> Verwechsele Erfolg nicht mit Sendung. Die Welt ruft: „Zeig dich!" – Jesus ruft: „Folge mir."
-> Lebe Sukkot-artig: dankbar, schlicht, gastfreundlich – bewusst provisorisch, denn unsere feste Wohnung ist bei Gott.
-> Bete um Herzen, die glauben, nicht um Augen, die nur sehen. Nähe zum Heiligen genügt nicht; Vertrauen auf den Heiligen rettet.

So führt Johannes uns hinein in Jesu Weg: keine Glanzparade, sondern die stille Königsherrschaft des Vaters – Schritt für Schritt, in Gottes Zeit.

Hoditai, Mensch des Weges 
One of Israel

Antworten
Erste Seite  |  «  |  1  ...  3  |  4  |  5  |  6

« zurück zum Forum