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christ90

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Re: Gedanken zur Religion

von christ90 am 04.09.2016 23:40

sonnenkind: Die Definition die Christ90 (von Religion, Anm.) formuliert hat, ist aber so ungenau, dass z. B. Mitglieder magischer Orden, Reiki-Heiler und Freimaurer darunter fallen, während der Konfuzianismus als Weltreligion mit vielen Millionen Anhängern nicht eingeschlossen ist.

Nun, ich finde deine Kritik mittlerweile durchaus berechtigt. Religion, im weiter gefassten Sinne (und lediglich dieser kommt für meine Erwägungen in Betracht), beinhaltet eine ganze Reihe unterschiedlicher Formen und Aspekte, wovon die die Bezugnahme auf Transzendenz lediglich einen, wenngleich zentralen, darstellt. Von der Religion zu sprechen ist in der Tat problematisch, zumal der Begriff eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene in sich vereint, welche mitunter kaum Überschneidungen aufweisen. Religion letztlich an dem einen, noch dazu sehr vagen Kriterium der Transzendenz festzumachen halte ich inzwischen nicht mehr für sinnvoll, zumal Religion noch um so vieles mehr beinhaltet. Bei der Vielzahl an religiösen Bestrebungen von allem Spezifischen abzusehen und zu einem "gemeinsamen Nenner" zu gelangen, scheint mit in der Tat keine einfache Aufgabe zu sein. Eine solche Gemeinsamkeit liegt m. E., wie gesagt, in der Vermittlung von Halt: Halt als individuelles Bedürfnis bzw. (insbesondere in den früheren Stadien von Religion) soziales Erfordernis. Im Zuge meiner Beschäftigung mit Religion stieß ich bisher auf folgende Begriffsbestimmungen, welche ich im Folgenden gerne wortgetreu zitieren möchte. Ob es sich bei ihnen um wissenschaftlich anerkannte Definitionen handelt vermag ich dabei nicht zu beurteilen, tut m. E. auch nichts zur Sache, jedenfalls scheinen sie mir, jede auf ihre Art, ganz wesentliche Aspekte von Religion herauszustellen.

"Wir müssen sagen, was wir unter Religion und Glauben verstehn. Wir verstehn darunter das suchende, tastende Sinnen und Sehnen, Wollen und Wünschen, Zweifeln, Trotzen und Bitten der menschlichen Seele über das Sicht- und Denkbare hinaus. Das ganze Gebiet des Gewissens, das moralische Gesetz in unserm Innern, das nach Kant jeden ernsten Menschen mit Ehrfurcht und Andacht erfüllt, ist nicht allein sinnlich-sittlich, sondern, wie die Worte "Ehrfurcht und Andacht" zeigen, übersinnlich, unwirklich. Dies Übersinnliche, Überwirkliche lebt in allen Menschen. So wie es Menschen gibt, die im menschlichen Wesen irren, z. B. in Farben, oder im Geschlecht, und auch solche, die seelisch ganz dumpf und stumpf sind, so gibt es auch solche, die jene innere, geistig-seelische Bewegung, eben die Religion, wenig oder irrend, oder garnicht haben. Aber der Masse der geistig und seelisch Gesunden ist sie angeboren. (...)

Religion ist der mit der Schöpfung gegebene, geheimnisvolle seelische Zusammenhang mit dem All, der in jedem Menschen (wohl auch in der Tierseele) lebt, sie gestehe sich ihn oder leugne ihn, sie liebe und pflege ihn, oder vernachlässige oder hasse ihn. (...) Religion, das heißt zu deutsch Bindung. Geheimnisvolle Bindung mit dem ewigen Allgrund haben alle menschlichen Wesen. Wer sagt, ich habe keine Religion, bin nicht religiös, redet Unsinn. Religion haben alle Menschen. So wie das All, Seele und Wille des Alls, in und durch sich selbst, die Schöpfung, die Sterne, die Welten geschaffen hat, wie sie sind, und auf diesem Stern Erde, Berge, Bäume, Tiere und Menschen, wie sie sind, so hat sie, nach eben demselben Schöpferwillen, die Menschen religiös geschaffen, das heißt: in geheimnisvoller Bindung mit ihr selbst, mit dem All. Es ist ein großer Unterschied zwischen Religion und andererseits Kirche und Kirchenglauben. Man muss das scharf auseinanderhalten. Religion hat man; Kirche und Kirchenglauben kann man haben oder nicht haben. Religion ist dem Menschen angeboren; Kirche und Kirchenglauben wird gelehrt. Religion ist das Mitgebrachte, also Erste, Kirche und Kirchenglauben ist das Zugelernte, das Zweite."

aus: G. Frenssen, Der Glaube der Nordmark, 1936, S. 95f

"Was ist Religion? Was ist dies wunderliche Rätsel, das tausend Widersprüche in sich zu bergen scheint? Wir sagen es kurz und schlicht: Religion ist der Eindruck, den die Welt auf uns macht, die Welt und die Dinge, die in ihr sind. Nicht die Oberfläche, nicht der Augenschein, nicht der flüchtige Augenblick. Nein, die wirkliche Welt, die unerschöpfliche Welt, die mit solch verschiedenen Augen uns ansieht, bald mit lachenden, lockenden, bald mit finsteren, unheimlichen Augen. Religion ist der im Innersten empfundene lebendige Zusammenhang unseres Wesens und Lebens mit dem Geheimnis der Welt. Sie ist das Gefühl, daß die Welt ihre unergründliche Tiefe hat, daß nicht der Leichtsinn und die stumpfe Gleichgültigkeit, daß auch nicht der nüchterne rechnende Verstand das letzte Wort über sie spricht, sondern daß etwas Wunderbares, Furcht- oder Ehrfurchtgebietendes in den Dingen ist. Gefühl ist ein missverständlicher Ausdruck. Religion ist die Grundstimmung, mit der die Welt, in der wir leben und atmen, die täglich und stündlich bestimmend auf uns einwirkt, uns erfüllt und durchdringt, uns imprägniert. Das ist die Macht der Religion. Religon ist der Eindruck, den die Welt mit ihrer unergründlichen Wirklichkeit auf des Menschen Seele macht."

aus: B. Dörries, Der Glaube an die Welt, 1920, S. 14

"(...) In dem entwickelungsgeschichtlichen Tatbestande der Religion haben wir gesehen, wie sie das gesamte menschliche Leben umfaßt und doch sich nicht in ein zusammengewürfeltes Chaos auflöst, sondern wie alle ihre Strahlungen sich gegenseitig bedingen, nicht auseinander zu reissen und nicht voneinander zu lösen sind. Welches ist also das zusammenschließende Band? In ihm muß das Wesen der Religion zutage treten und über den Begriff der Religion entscheiden. (...) Jenes Band ist die unauflösliche Einheit unseres Geisteslebens in allen seinen Erscheinungen und Aeußerungen, und die Religion bildet den vollkommensten und zugleich den ursprünglichsten Ausdruck dieser unserer geistigen Einheit, mit der wir dem Leben, seinen Bedingungen und Forderungen so eigenartig und wirkungsvoll gegenübertreten. (...) Der Inhalt einer solchen Religion mag dabei völlig dahingestellt bleiben. In Betracht kommt bei dieser allgemeinsten Begriffsbestimmung lediglich der innere Zusammenhang des Geisteslebens und die Betätigung dieses inneren Zusammenhangs auch in der Lebensauffassung und Lebensführung. DIeser kahle Ausdruck des inneren Zusammenhangs bedarf allerdings vorerst noch der Erläuterung, und eine solche ist um so notwendiger, je inhaltsreicher das Geistesleben ist und je mehr es sich zu höheren Stufen der Kultur entwickelt hat. Für die hier in Betracht kommende Bestimmung des Religionsbegriffs sind ja nicht mehr seine Ursprünge und Entwickelungsphasen maßgebend, sondern derjenige Grad seiner Ausbildung, den er im Verlauf der Zeiten erlangt hat. Nur von hier aus läßt der volle Begriffsinhalt sich erkennen, sein Kern sich ausschälen und seine Keime innerhalb der geschichtlichen Entwickelung sich nachweisen. (...)

Zwei große Gruppen treten uns zunächst hierbei vor Augen. Die eine von ihnen umfaßt die inneren Zusammenhänge unserer eigenen Vorstellungen, Gefühle und Handlungen; und deren Uebereinstimmung untereinander in subjektiv-psychologischem Sinne ist eine erste Bedingung für die religiöse Einheit unseres Geisteslebens. Andererseits aber führt unser Geistesleben uns hinaus in die Außenwelt, deren Getriebe ja unsere geistigen Reaktionen wachruft und dauernd im Dienste unserer Selbsterhaltung beansprucht und über die Selbsterhaltung hinaus unsere Geistesfähigkeiten zum Ringen um die Vormacht anspornt. Wenn anders diese Außenwelt und ihr Getriebe nicht unsere Vorstellungen und unsere Ethik in zusammenhanglose und unstet wechselnde Fetzen reißen und damit auch unser Ich in alle Winde zerstreuen sollen, so müssen sie einer einheitlichen AUffassung zugänglich sein, so muß unsere Erkenntnis auch unter ihnen einen einheitlichen Zusammenhang herstellen und von diesem aus einer einheitlichen Einstellung unseres Gefühlslebens und unserer Ethik die Wege bahnen. Hiermit stehen wir vor der zweiten, einer objektiv-logischen, Bedingung religiöser Geisteseinheit, die nun die Welt- und Lebensauffassung in ihre Schranken zieht. Diese Bedingung setzt auch in allem äußeren Sein und Geschehen einen einheitlichen Zusammenhang voraus, den es forschend zu verfolgen und erkenntnisgemäß zu begreifen oder mittels religiösen Glaubens zu umspannen gilt. Beide Bedingungen indes sind nur die Vorstufen für den höchsten und den eigentlich religiösen Sinn jenes inneren Zusammenhangs, der die Uebereinstimmung unserer subjektiven Einheit mit der objektiven Einheit, in bestimmter Ausdrucksweise die Einordnung unserer subjektiven Lebensbetätigung in die objektive Weltordnung bedeutet. Erst mit dieser Bedingung vollendet sich der Einheitsanspruch des vollentwickelten religiösen Bewußtseins, vollendet sich der allumfassende Begriff der Religion. (...)

Die Religion kann nicht Glaubensreligion oder Gefühlsreligion oder praktische Religion sein wollen, sondern muß sich auf den gesamten Geistesinhalt erstrecken, muß ihn ganz und ungeteilt in sich aufnehmen und ihm Rechnung tragen in Wahrung unserer geistigen Einheit. (...) Einheit des Geisteslebens heißt nicht seine äußerliche Zusammenfassung, sondern seine innere Uebereinstimmung. Und diese innere Uebereinstimmung aller Regungen unseres Vorstellungs-, Gefühls-, und Willenslebens untereinander ist die subjektive Bedingung für jedes echte religiöse Verhalten. Denn jede Unstimmigkeit und jeder Mangel in dieser Hinsicht vernichtet das Wesen der Religion und hat auf ihren Namen keinen Anspruch mehr. (...) Religion ist die einheitliche Ordnung des gesamten inneren und äußeren Lebens nach Maßgabe eines idealen Werts, der dem Leben erkenntnisgemäß zugrunde gelegt wird."

aus: B. v. Kern, Die Religion in ihrem Werden und Wesen, 1919, S. 206-238

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christ90

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Re: Gedanken zur Religion

von christ90 am 20.03.2016 07:56

Auch wenn ich zuletzt keine weiteren Beiträge mehr verfasst habe, soll dies nicht den Eindruck erwecken, das Thema wäre für mich abgeschlossen; es verfolgt mich vielmehr auch weiterhin, wird es vermutlich noch lange Zeit hindurch...

Neulich stieß ich auf einen Text, den ich im Folgenden gerne unkommentiert wiedergeben möchte, zumal er mir sehr passend erscheint und überdies auch meinem persönlichen Denken (wenngleich nur bedingt meinem Empfinden) sehr nahe kommt. Eventuelle Tippfehler bitte ich dabei zu entschuldigen.



Wissen wir eigentlich, was Religion ist? Ich denke nicht. Schon das Wort schillert in tausend Farben. Wissen wir, was unsere eigene Religion, oder besser: unsere ganz persönliche Religiosität ist? Selbst mit dieser Frage wird so mancher Schwierigkeiten haben. Also stellen wir erst einmal nüchtern fest: Es gibt ein Problem bei der Beantwortung dieser Frage. Und das ist gut so. In Fragen der Religion ist jede leichte Antwort verdächtig. (...)

Schauen wir einmal im Lexikon nach; das ist bei allen Fragen als ersten Schritt empfehlenswert. Im Lexikon findet man unter dem Stichwort „Religion" den aufschlussreichen Hinweis, dass sich das Wort vom lateinischen „religio" ableitet, was „Gottesfurcht" bedeutet. Religion wäre demnach eine von Furcht bestimmte geistige Beziehung zwischen dem Menschen und einem Gott oder mehreren Göttern. Religion ist so gesehen zuerst mal ein Gefühl, und zwar eines, das wir gemeinhin als unangenehm empfinden: Furcht. Aus Furcht und Angst entsteht zumeist nichts Positives. Doch auch die Furcht kann sich zum Positiven wenden – und genau das geschieht in der Religion. Aus Furcht wird Ehrfurcht – Ehrfurcht vor dem Schöpfer und seiner Schöpfung.

Von dem Schriftsteller Adalbert Stifter (1805-1868) gibt es ein kleines, wunderbares Stück Literatur, in welchem der Leser – jeder Leser! – spürt, was in einem Menschen vorgeht, der von einem religiösen Gefühl ergriffen wird. Von Stifters berühmter Beschreibung der Sonnenfinsternis des Jahres 1842 ist die Rede, von jenem Moment, da der Mond die Sonne vollständig verdeckt: „(...) – die Stadt sank zu unsern Füßen immer tiefer wie ein wesenloses Schattenspiel hinab, das Fahren und Gehen und Reiten über die Brücke geschah, als sähe man es in einem schwarzen Spiegel – die Spannung stieg aufs höchste – einen Blick tat ich noch an das Sternrohr, er war der letzte; so schmal, wie mit der Schneide eines Federmessers in das Dunkel geritzt, stand nur mehr die glühende Sichel da, jeden Augenblick zum Erlöschen, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, dass bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten – sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück – es war ein ordentlich trauriger Anblick – deckend stand nun Scheibe auf Scheibe, und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte – das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges „Ah" aus aller Munde und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten." So einfach ist Religion – und so tiefgehend, so tief ergreifend.

Religiosität ist in ihrer reinsten Form ein „herzzermalmendes" Gefühl – dieses bescheidene Gefühl der Unwissenheit angesichts der Natur mit ihren rätselhaften Ereignissen, ihren unendlichen Räumen um uns her und in uns. Religiosität ist ein Gefühl für das All, worin, mal zart, mal heftig, das unbestimmte Wissen von etwas Allmächtigem aufscheint. In solchen Momenten des gefühlten Religionsfunkens kommt mir immer der Gedanke, dass man darin mit allen Menschen, die jemals gelebt haben und jemals leben werden, vereint ist. Besonders stark ist dieses Gefühl beim Blick in den sternklaren Nachthimmel, der ein Blick in die Unendlichkeit ist. Egal, ob diesen Blick ein Vertreter Homo sapiens vor 50 000 Jahren getan hat oder unsereins heute – es ist der gleiche Blick und der gleicht Anblick und das gleiche ergreifende, ehrfürchtige Gefühl, das sich dabei einstellt. Die Stärke dieses Gefühls, so darf man vermuten, bestimmt den Grad der Religiosität.

Religion, so scheint es, liegt dem Sinnlichen näher als dem Gedanklichen. Der Ursprung des Religiösen läge demnach im Anschauen der Schöpfung und dem Staunen über sie. Alles, was danach an Gedanken und Gedankenkonstruktionen hinzutritt, wäre Theologie. Das heißt: Ursprüngliche Religiosität ist ohne jede Theologie möglich. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die wir in Gedanken gleich zweimal unterstreichen; sie besagt, dass man religiös sein kann, ohne eine Religion zu haben. Religiosität ist etwas ganz Persönliches, sie besteht vollkommen für sich und ist von keiner Anschauung eines anderen Menschen abhängig. Religiosität ist Ausdruck höchster innerer Freiheit.

In solchen Momenten gefühlter Unendlichkeit kann es passieren – muss aber nicht! -, dass die eigene winzige Endlichkeit eins wird mit dem Unendlichen. Man fühlt sich als ewig in einem einzigen Augenblick. Und ich vermute, dass dies der Kern aller Religion ist. Sehr schön hat diese „gefühlte Religion" der Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher (1768-1834) in folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „...und wenn ihr so mit dem Universum, soviel ihr hier davon findet, zusammengeflossen seid, und eine größere und heiligere Sehnsucht in euch entstanden ist, dann wollen wir weiterreden über die Hoffnungen, die uns der Tod gibt, und über die Unendlichkeit, zu der wir uns durch ihn unfehlbar emporschwingen." Da ist von Gott noch überhaupt nicht die Rede, weil das Gefühl, das einen erfasst, jenseits aller Worte liegt. „Gott" ist halt auch nur ein Wort unter vielen. Doch eines steht fest: Man kann Gott nicht haben ohne die unendliche Welt, die uns umgibt und die wir in uns bergen bis auf die Atome hinein, aus denen wir bestehen.

Etwas ganz Entscheidendes folgt aus all dem: In der Religion steht die Idee eines Gottes gar nicht so hoch, wie wir gemeinhin denken. Denn mit dem an sich nichtssagenden Wort „Gott" wird das ursprüngliche Gefühl des Staunens auf eine abstrakte Idee hin verengt, eben auf die Gottesidee. An die Stelle des unpersönlichen, aber „herzzermalmenden" All-Gefühls tritt der Glaube an einen persönlichen Gott. Daraus kann sich ein Problem ergeben. Im System der Religion, also der Theologie, kann der Sinn für das Ganze verloren gehen, bis es auf einmal nur noch um den richtigen Glauben geht – und darum, dass alle anderen den falschen haben. Der Glaube wird leidenschaftlich und dabei parteiisch. Diese Leidenschaft kann sich bis zum Fanatismus steigern. (...)

Könnte es nicht sein, dass die Religionen des Ostens, wie der Buddhismus, so wenig zum Fanatismus neigen, weil sie im ursprünglichen „herzzermalmenden" Gefühl verharren, diesem Gefühl des Einsseins mit dem Universum? Sie verzichten auf die Idee eines persönlichen Gottes. Der religiöse Mensch des Ostens bleibt dadurch innerlich frei; er tut alles mit Religiosität, aber nicht aus Religion. Daraus entspringt seine Fähigkeit zur Gelassenheit. Diese ist womöglich das religiöseste Gefühl von allen – und deshalb auch so schwer zu erringen.

Also, was ist nun Religion? Antwort: ein großes Gefühl, vermutlich das größte, das ein Mensch haben kann. Religion ist der Widerhall des Universums in einem selbst. Daraus ergibt sich, was Religion nicht ist: Sie ist kein Sklavendienst an irgendeinem Gott, keine furchtsame Unterordnung unter eine überweltliche Macht, keine Gefangenschaft im muffigen Dogmenkeller irgendeiner Kirche. Sie ist Ausdruck allerhöchster Geistesfreiheit. Wahre Religion ist nur in Freiheit zu haben, weil alle Wahrheit nur aus der Freiheit entspringt. Wo sich das Religiöse mit der Unfreiheit und der Dummheit gemein macht, wird es zur Pseudo-Religion und zur Lebenslüge.

Aus: G. Staguhn: „Wenn Gott gut ist, warum gibt es dann das Böse in der Welt?" S. 9-13.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.03.2016 08:18.

christ90

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Re: Das Wort vom Kreuz als Ärgernis und Torheit

von christ90 am 07.02.2016 23:19

solana: Was ist es denn nun genau, was so "störend" und so schwer verdaulich ist am "Wort von Kreuz"?
 Ist es vielleicht diese Tatsache, dass dem Menschen dabei kein "Ruhm" bleibt: Röm 3,27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen.

Es sei gesagt, dass das rühmen an dieser Stelle auf die Errettung bezogen ist, welcher sich in der Tat niemand rühmen kann. Hier sind alle gleichermaßen auf Gott angewiesen, auf die Gnade, die ewiges Leben schenkt.

Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, allein Gott für meine Errettung zu rühmen. All mein Glück hängt letztlich an ihm. All meine Hoffnung ruht auf ihm. Ohne ihn bin ich verloren. Dies muss sich letztlich jeder eingestehen.

Aber jemanden, der einen im tiefsten Inneren in Frage stellt, einen damit konfrontiert, dass all das, was wir in unserem Leben "vorweisen" können, nichts wert ist vor Gott - das ärgert.

Will ich dem Schöpfer des Universums überhaupt etwas vorweisen? Da käme ich mir ehrlich gesagt schon etwas blöd vor. Womit kann man Ihm schon imponieren? Ich denke es wäre in der Tat keinem vernünftigen Menschen angenehm, würde sich Gott gleichsam vor ihm und seiner Leistung verneigen.

Dennoch ist es nicht so, dass all unser Tun vor Gott nichts gilt. Sehr wohl stößt dieses bei ihm auch auf Anerkennung, segnet er unser Werk, schenkt uns das Gefühl ehrlicher Freude und Genugtuung, auch jenes der Dankbarkeit ob eines Erfolges. Nur was unsere Errettung betrifft gelten all unsere Werke in der Tat nichts.

Dass der Mensch dabei eine so schlechte "Figur" macht? Dass er angewiesen ist darauf, von Gott selbst gerechtfertigt zu werden und dass er sich das eingestehen muss ?

Hierin liegt, denke ich, der entscheidende Punkt.
 
Der Mensch empfindet sich von sich aus i. d. R. nicht als durch Sünde verloren (wenngleich er sich, als ein zeitliches Wesen, natürlich seiner Vergänglichkeit bewusst ist). Obgleich er sich vermittelst seines Gewissens als schuldig erfährt, empfindet er es nicht so ohne weiteres als notwendig bei einem göttlichen Retter um Vergebung zu bitten; trachtet er vielmehr mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen, sich gleichsam selbst zu Vergeben um die angekratzte Selbstachtung wieder zu erlangen. Dies ist die natürliche Reaktion. Es kommt ihm nicht in den Sinn, dass er sich mit seinem Verhalten nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen Gott versündigt hat.

Dieses Erfordernis sich erst „amtlich" vor Gott entschuldigen, demütigen zu müssen, welcher die Schuld erst tilgen, den Sünder begnadigen muss, und zwar durch Jesus, ehe er wieder frei wird von Schuld; hierin liegt m. E. noch heute ein Ärgernis.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.02.2016 00:22.

christ90

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Re: Die Gewissheit, das ich einen Retter brauche

von christ90 am 30.01.2016 12:56

Henoch: Hätte Jesus nicht alle Sünden abgewaschen, wäre ich verloren. Er hat sie abgewaschen und Gottes Anforderungen völlig erfüllt an meiner Stelle

Dazu möchte ich sagen, dass, auch wenn ich mit deinen Ausführungen durchaus konform gehe und sie nachvollziehen kann, ich solchen und dergleichen Aussagen doch mit einer gewissen Vorsicht begegne.

Nicht weil Jesus gleichsam stellvertretend meine Anforderungen (sündenloses Leben) übernimmt bin ich gerettet, sondern weil mir, vermittelst Jesus, vergeben wurde.

Oft wird das Ganze dann dahingehend gedeutet, dass Christus auch unsere Sünden stellvertretend auf sich genommen habe, auf das wir vor Gott, dem Vater, bestehen könnten.

Was dann zu Theorien führt, wonach Jesus selbst (für kurze Zeit) von Gott getrennt gewesen wäre um die Konsequenz der Sünde stellvertretend auf sich zu nehmen; was ja in jedem Fall undenkbar ist. 
 
Dabei bin ich vielmehr geneigt zu sagen: In Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt, auf das jeder, der diese Vergebung für sich in Anspruch nimmt ewiges Leben habe.

Christus nahm unsere Sünden nicht buchstäblich auf sich; er nimmt sie hinweg, sprich vergibt sie uns, will uns von ihnen befreien. Wenn Gott uns vergibt, dann ist die Sünde in dem Moment aus der Welt.

Btw: Für die ersten Christen war Jesus Retter nicht weil, sondern vielmehr obwohl er am Kreuze starb. Was ja auch einleuchtet: Hätte man Jesus nicht gewaltsam umgebracht, hätten wir dann etwa keine Erlösung? - Nichtsdestotrotz zeugt sein schmerzhafter Kreuzestod, von seiner Bereitschaft für uns bis in den Tod zu gehen.

Und wenn wir sündigen, wissen wir, dass wir einen Fürsprecher und Hohepriester im Himmel haben, der für uns eintritt.

Auch mit dem Gedanken eines Fürsprecher habe ich, ehrlich gesagt, meine Probleme: Inwiefern braucht der allwissende, gerechte Gott einen, der ihn in seiner Entscheidung beeinflusst? Noch dazu wo ja der Wille des Vaters mit jenem des Sohnes eins ist?

Wie würdet ihr die Rolle eines Fürsprechers verstehen? 

Antworten Zuletzt bearbeitet am 30.01.2016 12:58.

christ90

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Re: Abraham und der Bund mit Gott

von christ90 am 21.01.2016 13:00

Ich habe durchaus wahrgenommen, dass du die Wassertaufe, insbesondere aber die Säuglingstaufe als bloß äußeren Akt betrachtest.

Letztere ja. Die am Erwachsenen vollzogene Taufe hingegen erachte ich für weit mehr denn einen äußeren Akt. Ich beschrieb sie als auch nach außen hin sichtbares Zeichen der Umkehr, des neuen Lebens mit Gott. Taufe hat also, nebst jener nach außen gerichteten, vor allem auch eine innere Dimension.

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Re: Abraham und der Bund mit Gott

von christ90 am 21.01.2016 11:04

Merciful: Wie es scheint hast du meinen Beitrag nicht aufmerksam gelesen, denn ich Bezog mich in ihm ausdrücklich auf die Praxis der
Säuglingstaufe. Deine Einwände gehen also vollends ins Leere...

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Re: Abraham und der Bund mit Gott

von christ90 am 21.01.2016 00:40

Merciful: Der Grund weshalb deine Parallele hinkt liegt darin, dass die Notwendigkeit eines äußeren Zeichens heute schlichtweg nichtmehr gegeben ist. Indem man die Erfordernis einer Säuglingstaufe ableitet aus dem Gebot der alttestamentlichen Beschneidung am 8. Tag lässt man einen Aspekt weiter fortleben, dem heute längst keinerlei Bedeutung mehr zukommt. Man verharrt ein Stück weit im alten Bund und degradiert die Taufe zu einem rein äußeren Akt.

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Re: Abraham und der Bund mit Gott

von christ90 am 19.01.2016 23:40

wintergrün: Ich habe in einigen Büchern nachgelesen das der Bund Gottes mit Israel und mit der Gemeinde Christi ein und der selbe ist .. Wenn also in Israel nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die neugeborenen Kinder in den Bund hineingehörten und darum beschnitten wurden, gehören auch in der Gemeinde Jesu die Säuglinge in den Bund und müssten darum getauft werden..

Die Einheit des alten und des neuen Bundes scheint so eindeutig zu sein, dass wir nicht auf der einen Seite die Beschneidung der Kinder im alten Bund bejahen dem zustimmen und auf der anderen Seite die Taufe von Kindern im neuen Bund zurückweisen können. Wenn nun die Taufe die Beschneidung zu Beginn der Bundesgemeinschaft mit Gott ersetzt, ist dann nicht auch die Kindertaufe selbstverständlich ??

Ganz klares Nein. Wie kannst du eine Parallele ziehen zwischen dem irdisch-nationalen Bund des Volkes Israel und seines verpflichtenden äußeren Zeichens der Beschneidung und der (Geistes)Taufe des neuen Bundes, den Gott allen Menschen freiwillig anbietet? Dies ist in der Tat etwas gänzlich verschiedenes. Ebenso wie die Errettung des Menschen schon damals nicht von seiner Beschneidung abhing, tut sie es heute von einer Wassertaufe.

Des Weiteren stimme ich diesbezüglich überein mit den Beiträgen von Zoe und Henoch.

Nun ja,, aber die Wassertaufe ist sehr wichtig , damit der hl. Geist herabgesandt wird.. ohne die Wassertaufe wird ´s wohl schwierig werden ,

Die Taufe mit dem hl. Geist erfolgt mit der Umkehr eines Menschen; da gibt es keinen zeitlichen Abstand, schon gar nicht die Erfordernis einer Wassertaufe, die den Geist erst „freimacht". 
 
Wohl handelt es sich bei derselben um ein auch nach außen hin sichtbares Zeichen der Umkehr mit tiefer symbolischer Bedeutung, nicht jedoch um einen heilsnotwendigen Vorgang. Gott besteht nicht auf einer gesonderten Wassertaufe. Kehrt jemand um, so erhält er von Beginn weg alle erforderliche Kraft, erfährt die sofortige und reichliche Ausgießung des Geistes, damit er erfahren kann, dass Gott ihn als sein Kind angenommen hat.
 
Die einzige, letztlich entscheidende Voraussetzung um errettet zu werden ist es Gott zu lieben und in seinem Wort zu bleiben:

Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. (Joh 14,23)

Hier (Tim 3,14, Anm.) wird NICHT gesagt, das die Grundfeste das Evangelium (die Schrift) ist sondern die Kirche ... deshalb zählt zwar schon für mich die Schrift,, aber vielmehr natürlich die Kirche..

Aber wenn die „Kirche" sich nicht am Evangelium orientiert, ihm sogar widerspricht, dann gibt es ein Problem... Ich finde diesen Ansatz insgesamt problematisch, denn ob es sich um die wahre Kirche handelt, zeigt sich eben daran, inwiefern sie mit dem Evangelium übereinstimmt, sich (allein) an ihm orientiert.

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christ90

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Re: Lasst uns Menschen machen

von christ90 am 15.01.2016 22:15

Wintergrün: Gott hat aber NUR ADAM geschaffen ..keine Menschen, sondern EINEN Mensch

So gesehen hat Gott auch den ersten Menschen nicht geschaffen. Der Mensch entstand, zumindest in leiblicher Hinsicht, nicht auf einen Schlag, sondern ist, nach heutigem Wissensstand, das (vorläufige) Ergebnis Jahrmillionen langer evolutionärer Prozesse.

Der eigentliche Schöpfungsakt liegt ca. 13 Mrd. Jahre zurück. An diesem bestimmten Punkt trat die Schöpfung ins Dasein und entfaltet sich seither (nach dem Willen Gottes). Alles was in weiterer Folge entstand, mithin auch der Mensch, war von Beginn weg in ihr angelegt.

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Re: Gedanken zur Religion

von christ90 am 08.01.2016 02:59

@Sonnenkind: Der Grund, weshalb ich meinen Ausführungen stillschweigend eine weitergefasste Bedeutung von Religion zu Grunde gelegt habe, liegt schlicht daran, dass sich jene ursprüngliche Bedeutung des Begriffs, für das was ich zum Ausdruck bringen wollte, als bei weitem zu spezifisch erweist. Liest man meinen Beitrag, so ist es, bei genauerer Reflexion, ziemlich offensichtlich, dass hier nicht von Religion im Sinne von „gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorschriften und Vorzeichen" sondern nur im weiter gefassten Sinne die Rede sein kann.

Ich habe vielmehr den Eindruck, dass der Begriff Religion für viele heute so etwas wie ein „rotes Tuch" ist, von dem man sich reflexartig distanziert. Zumindest machte es hier tlw. so den Eindruck auf mich. Doch frage ich mich dann weshalb das Christentum gemeinhin zu den 5 Weltreligionen gezählt wird? Nun, ich finde das ganze, offen gesagt, einigermaßen lächerlich; will mich auch nicht länger damit aufhalten.

Danke, solana, für deine weiteren Erläuterungen. Dadurch ist mir einiges klarer geworden.

Denn wenn mal ich von mir ausgehe (entschuldige bitte Sonnenkind), dann denke ich nicht als erstes an "Halt", dass jemand sich aus Suche nach Halt mit Gott beschäftigt.

Es stimmt schon: Menschen machen sich nicht vorsätzlich auf die Suche nach Halt, sondern (im besten Fall) nach objektiver Wahrheit. Dennoch ist ein unterschwelliges Verlangen nach Halt, Orientierung in der Welt, in jedem Fall gegeben. Und dieses ist m. E. der letztlich ausschlaggebende Grund, weshalb Menschen sich auf die Suche begeben: Seit jeher ist es dem Menschen darum zu tun Antworten zu finden auf jene grundlegenden, sein Dasein betreffenden Fragen; verbindliche Antworten, die es ihm ermöglichen sich zurechtzufinden in jenem unergründlichen Mysterium, in das er sich hineingestellt sieht, die ihm verhelfen zu einem Wertesystem, mit dem er sich identifizieren kann. Die Antworten, zu denen er gelangt, vermitteln ihm, indem er sie sich zu eigen macht, jenen Halt, dessen er bedarf. (Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass die Antworten der einzelnen Menschen unterschiedlich ausfallen.)
 
Was du über Gruppenidentitäten schreibst kann ich gut nachvollziehen:

Und dieses ist auch die Grundlage für "Gruppenidentitäten" von Menschen mit übereinstimmendem Weltbild und Wertesystem. Hier, in Bezug auf dieses Weltbild und Wertesystem meinte ich, dass, je mehr "in die Breite", je mehr die "Identität" an einzelnen Dingen hängt, um so sicherer und fester ist auch der "Halt", auch der Zusammenhalt einer Gruppe. Aber auch die Abgrenzung gegen andere. Und eben auch die Einschränkung, die Einengung.

Auf religiöse Gruppierungen bezogen bedeutet dies: Je mehr und speziellere Glaubenssätze, je ausgeformter die Lehre, je ausgeprägter die Verhaltensnormen, desto größer die Abgrenzung nach außen hin. Desto größer auch die Enge nach innen hin, der Druck, die Unaufrichtigkeit.

Wirkliche Einheit lässt sich nicht „machen", auf Basis einer Konstitution herbeiführen. Sie hat unbedingte Freiheit zur Voraussetzung und kann nur erwachsen aus einer Gesinnung der Liebe und des gegenseitigen Respekts. Wo diese Liebe und Aufrichtigkeit gegeben ist, ist ein Maximum an Einheit garantiert. Unterschiede im Bekenntnis fallen dann kaum noch ins Gewicht. Und jeder der liebt und „guten Willens" ist, ist in der Wahrheit.

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