Augen offen halten
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Augen offen halten
von Cleopatra am 19.12.2023 07:46Ihr Lieben,
mich bewegen gerade einige Begegnungen, die ich machen durfte und ich frage mich, ob wir (jeder kann hier nur für sich selbst schauen und beantworten) die Augen offen haben für Menschen in Not.
Ich schreibe kurz die Begegnungen:
Am Sonntag lief ich mit meinem Hund eine schöne Runde spazieren.
Schon oft sind wir einer Frau begegnet, von der erzählt wurde, sie sei Alkoholikerin, aber mich hatte dieses Gerede nicht interessiert.
Da wir uns schon oft beim Laufen gesehen und einander einen guten Tag gewünscht haben, blieb sie diesmal stehen und wir kamen ins Gespräch.
Sie erzählte sofort von sich und ihrer bewegenden Vergangenheit, mitlerweile geht sie sehr offen damit um.
Als Alkoholikerin lernte sie in einem betreuten Wohnen für Alkoholiker ihren Ehemann kennen.
Beide lebten zusammen und er wurde immer kranker.
Nach längerer Zeit Abszinenz haben beide wieder angefangen, da eine schlimme Zeit für beide kam (nicht näher beschrieben).
In der "Hoch-Zeit" war sie nicht mehr in der Lage, mitzubekommen, was um sie herum geschah.
Sie lief betrunken herum und verlor Handy und Brille. Das Handy hatten wir mal wiedergefunden und ihr gebracht.
Eines Nachts starb ihr Ehemann, während sie nebenan im Vollrausch war.
Sie hat es nicht mitbekommen.
Irhgendwann waren Kripo und Krankenwagen da, an mehr kann sie sich nicht erinnern.
Dieser Schock- dass sie sich nicht daran erinnern kann, die Trauer um ihren Ehemann und das Nicht-Wissen, was da genau passiert ist, hat sie so "aufgerüttelt", dass sie seitdem versucht hat, nichts mehr zu trinken.
Sie ist unruhig und läuft viel herum.
Ich war so ergriffen von ihrer Geschichte, ihrer Trauer, dass ich sie gefragt habe, ob ich für sie beten darf und wir haben uns in den Arm genommen und gemeinsam gebetet.
Sie hat auch nach einer Gemeinde gefragt und ich darf weiter für sie beten.
Die andere Geschichte:
Gestern in der Suppenküche kam ein Paar zu uns, für die wir Kleidung gesammelt haben.
Sie leben schon länger in der Notunterkunft und haben erzählt, dass das Ordnungsamt da war und alles weggeräumt hat, die Begründung ist der Brandschutz. Sie erzählten davon, dass auch de Bilder der Kinder weg sind. Eine andere dritte Person erzählte unabhängig davon, dass ihr Nachttischchen, welches sie von ihrem Vater geerbt hatte, auch weg kam, als sie gerade nicht da war.
Natürlich bin ich mir bewust, dass es Sichtweisen sind, die uns subjektiv erzählt werden.
Aber sie zeigen doch: Andere Menschen haben den Schlüssel von meiner Privatsphäre und können alles wegschmeißen.
Dieses Paar ist nun nach dem Essen bei uns in eine andere Stadt gefahren, wann sie nochmal hierher kommen, weiß ich nicht.
Auch die habe ich in den Arm genommen und wir haben gemeinsam für dieses Paar gebetet.
Da sagte mir der Mann, dass er in dieser Suppenküche das Gefühl gehabt habe, dass sie so angenommen werden, wie sie sind und dass sie die Liebe ohne herablassende Bewertung spüren, die nicht selbstverständlich sei.
Wieso schreibe ich das?
Ganz sicher nicht, um irgendwie gut dazustehen, denn ich denke, dass Gott uns Menschen vor die Füße stellt.
Mich beschäftigt der Gedanke, im Sinne von "lasst uns nochmal neu motivieren, uns von Gott gebrauchen zu lassen".
Ich denke, jetzt in der kalten, dunklen Jahreszeit sind sehr viele Menschen einsam, traurig und in schweren Situationen.
Viele sind bereit, davon zu erzählen.
Gerade jetzt haben wir doch so ein hoffnungsvolles Gesprächsthema- Jesus, unsere Rettung!
Lasst und beten für Situationen, in denen wir auf Jesus aufmerksam machen dürfen.
Lasst uns beten für die Menschen, denen es schlecht geht.
Gott bereitet Herzen vor, wir müssen nu bereit als Werkzeug sein, ich denke, dass Gott uns dann ganz einfach zeigt, wo er uns haben und gebrauchen möchte.
Und lasst uns nicht müde werden, auch für die Menschen um uns herum zu beten, denn auch um uns herum geschehen viele Nöte und niemand von uns ist umsonst an genau diesem Platz, wo er gerade ist.
Liebe Grüße; Cleo
Die Bibelverse sollen meine Meinung bilden, nicht begründen
Zitate im Forum, wenn nicht anders vermerkt, aus der rev.Elberfelder
Frank
Gelöschter Benutzer
Re: Augen offen halten
von Frank am 19.12.2023 11:04Ja, das nehme ich nicht anders wahr.
In der Kommukiationsbereitschaft hat sich allerdings so einiges geändert, vor 20 Jahren und mehr, war es (nach meiner Wahrnehmung) viel einfacher andere Menschen anzusprechen und ihre Nöte kennenzulernen.
Re: Augen offen halten
von Plueschmors am 19.12.2023 15:20Hallo Cleo,
also ich bewege mich täglich durch den Hamburger Hauptbahnhof, da hat man das ganze Elend der Welt auf einem Haufen. Man kann immer einen Sack voll Gold dabei haben und hätte dennoch nie genug, auch nur ein bißchen zu helfen. Mit Obdachlosen und auch Drogensüchtigen unterhalte ich mich fast täglich. Wichtiger als Geld oder was zu essen ist denen oft die Anteilnahme. Ein freundliches und warmes Wort. Da leuchten auch längst erloschene Augen kurz auf und zeigen, daß noch Hoffnung und Leben in ihnen ist.
Mag sein, aber sicher nicht grundsätzlich. Man kann eben nicht allen helfen. Besonders nicht im Dreck der Großstädte. Laß es zehn Hilfsbedürftige sein, die mich jeden Tag ansprechen wegen Geld und Essen. Viele davon auch unehrlich. Viele auch dreist. Viele stockbesoffen oder unter Drogen. Aggressiv. Viele seit Jahren mit denselben Sprüchen. Einer von den zehn ist vielleicht dankbar. Man kennt seine Pappenheimer inzwischen. Also ich schaue mittlerweile sehr genau hin, wer in dem allgemeinen Elend wirklich größte Not leidet. Und das sind - leider! - oft die ganz Stillen in den dunklen Winkeln und schattigen Ecken, die einem nicht sofort ins Auge springen, wie Deine beiden Begegnungen.
Danke für diesen Deinen Dienst. Es ist sooo wichtig, daß man arme Menschen spüren läßt, daß sie noch Menschen sind und Würde haben, denn das verlieren diese Menschen oft und die Scham läßt sie dann vom Rest der Gesellschaft Abstand halten wie die Aussätzigen zu Jesu Zeiten.
Gott segne Dich und alle Mitarbeiter und Gäste Deiner Suppenküche!
Liebe Grüße,
Plueschmors.
"Du lässest mich erfahren viele und große Angst und machst mich wieder lebendig und holst mich wieder herauf aus den Tiefen der Erde" (Ps 71,20).
Re: Augen offen halten
von pray am 19.12.2023 20:22Re: Augen offen halten
von Plueschmors am 19.12.2023 21:59Liebe pray,
ja, die Zeit war auch für mich in diesem Jahr ein seltener Gast. Wo bleibt sie nur? So viel ist wieder liegengeblieben, so viel wurde wieder versäumt.
Es müssen ja keine Romane sein. Ich - und dieses Forum allgemein - freue mich auch über kurze Lebenszeichen.
Und ja, dieser ganze elende Drogenkram ist wirklicher Mist. Aber gut zu wissen, daß Jesus sich auch dafür nicht zu schade ist und Licht und Frieden auch dorthin bringt, wo es am Allerdunkelsten ist und der Tod ein ständiger Begleiter.
Ja, dafür ist wahrlich nicht jedermann geeignet. Ich auch nicht. Ich kann "nur" warme Worte machen und ein bißchen Geld o.ä. dazu geben. Am besten sind wohl die geeignet, die selbst mal "drauf" waren und die Jesus dann befreit hat zum Leben. Die werden ernstgenommen in der Szene. Wer nur mal "genippt" hat, ist ja nur Theoretiker.
Danke. Tatsächlich ist es schwer, nicht abzustumpfen. Wenn man zu viel im Elend ist, berührt es irgendwann nicht mehr. Man kennt das ja von medizinischem Personal: "Sie haben leider Krebs und vielleicht noch zwei Monate zu leben. Ich schreibe ihnen was auf. Muß jetzt aber auch zum Tennis. Wünsche alles Gute. Tschüß." Man muß aufpassen, daß man inmitten allen unendlichen Elends doch noch ein Herz für die Menschen behält.
Begegnet mir letztens eine Frau und sagt, sie wäre nass bis auf die Knochen, ihr fehlten noch 34 Euro für ein Bett, um die Nacht zu verbringen. Sagte ich, daß doch wunderbares Wetter sei (im Scherz). Es regnete in Strömen. Und kalt war es. Das ist auch schon so ein Anfang, eine bestialische Realität nur noch mit Humor zu bewältigen. Manchmal bleibt einem nur noch Humor. Zum Glück fand sie es auch lustig.
Ja, mit Gewalt funktioniert es nicht.
Das wünsche ich Dir auch!
Danke! Auch Euch hier allen, die mitlesen und -schreiben, Gottes Segen. Daß wir das Tun nicht vergessen und immer wenigstens ansprechbar sind für die, die niemanden mehr haben, der sie hört.
Liebe Grüße und Segen,
Plueschmors.
"Du lässest mich erfahren viele und große Angst und machst mich wieder lebendig und holst mich wieder herauf aus den Tiefen der Erde" (Ps 71,20).
Re: Augen offen halten
von Cleopatra am 20.12.2023 07:40Guten Morgen,
Das denke ich auch- im Groben, Allgemeinen.
Aber im persönlichen Gespräch, wenn man sich kennt, so glaube ich, dass bei sehr vielen Menschen viel Not ist und dass auch die Menschen mehr darüber reden möchten.
Sie tun es vielleicht nur anders, versteckter.- also allgemein gesprochen, nicht jeder Einzelne Explizit.
Oder wenn man endlich mal einen Zuhörer hat. Das ist vielleicht auch von Mensch zu Mensch verschieden.
Toll, dass du die Menschen so segnest, das finde ich auch gut!
Oooh ja- das kann ich mir so gut vorstellen! Weil die Blicke auf Augenhöhe meistens nicht da sind, sonder nur der Blick weg oder der angeekelte Blick.
Wie du schreibst sind die das ja mitlerweile auch schon gewöhnt.
Ich denke auch nicht- der Gedanke kommt mir gerade- dass Gott uns manchen Menschen vor die Nase setzt, damit wir sie erziehen oder und besser oder "gehobener" fühlen als sie.
Sie haben alle eine andere Vergangenheit und die kennen wir meistens nicht. Wir wissen nicht, wie es dazu kam, dass sie dort sind. Wir haben nicht deren Bildungsmöglichkeiten gehabt, deren Kindheit, deren Schicksale.
Bevor wir selbst denken, wir seien besser- das lerne ich in der Suppenküche auch- sollten wir meeega dankbar sein, dass wir zB ein Elternhaus hatten, Bildungsmöglichkeiten (auch die Vorbilder, zB dass Schule und Ausbildung wichtig sind), die "richtigen "Freunde, den Griff zur Bibel, wir haben andere Ethik und Moral gelernt.
Wir haben lernen dürfen, wie man Bewerbungen schreibt und haben Erfolg damit gehabt. Wir durften arbeiten und eine Wohnung schmücken.
Du- ich bin nicht naiv. Mir ist das auch klar, dass ich es hier im Ländlichen da sicher sehr "gut" habe, hier ist es meistens noch persönlicher, weil es nicht so groß und so eng ist.
Ich glaube auch, dass es da in den Großstädten ganz anders zugeht- aaaaabsolut!
Ich kann da nur von mir sprechen: Ich genieße es sehr, dass es hier persönlicher und kleiner ist, das ist so ganz mein Ding!
Und so glaube ich eben auch immernoch, dass Gott uns selbst auch ganz persönlich an verschiedene Stellen stellt.
Es müssen auch nicht immer nur Obdachlose oder Alkoholiker sein.
Bei einem Anderen ist es der direkte Nachbar, der an Weihnachten vielleicht einsam und alleine zuHause ist.
Der Apotheker, der lächelt aber dem es schlecht geht.
Die Kassiererin, die seltenst ein freundliches Wort bekommt.
Oh ja- Danke! Das hast du ganz treffend und gut geschrieben!
Danke!
Liebe pray,
danke auch dir für deinen Bericht mit deinen Erfahrungen, du hast ja auch viele Erfahrungen gemacht!
Der Gedanke mit der Schweinegrube, dass Gott da ja nicht mit reingegangen ist, der ist mir neu, da mache ich mir mal weiter Gedanken drüber.
Du selbst hast ja auch schon mege viel gemacht, auch praktische Hilfe und ja- ich finde auch in diesem Zusammenhang natürlich das Thema Gemeinde mega wichtig!
Ich wünsche dir auch von Herzen- das weißt du- dass du eine Gemeinde findest, das ist nicht so leicht wie bei mir, weil bei dir glaube ich nicht so viele Gemeinden sind.
Dazu ein dickes !
Ja, das wünsche ich auch allen!
Und den offenen Blick, ich denke, dass, wenn wir bereit sind, Gott eben wirklich uns die Menschen vor die Nase setzt, die Hilfe brauchen oder ein offenes Ohr und erst Recht Jesus.
Ich denke, gerade in der turbulenten, stressigen Zeit, in der es außerdem früher dunkel wird, da neigt der Mensch dazu, eine Art "Tunnelblick" zu bekommen, um alles konzentriert zu schaffen.
Und da wünsche ich mir (bei mir ja auch) den Blick nach rechts und links und eben die Bereitschaft, wenn Gott uns jemanden zeigt.
Und da ist Gott sehr kreativ und individuell.
Liebe Grüße, Cleo
Die Bibelverse sollen meine Meinung bilden, nicht begründen
Zitate im Forum, wenn nicht anders vermerkt, aus der rev.Elberfelder
Re: Augen offen halten
von Cleopatra am 21.12.2023 07:43Guten Morgen,
am Freitag war ein Gast bei uns, die sehr viel geweint hatte, sie war verzweifelt, weil ihr im Schlaf das Methadon geklaut wurde- ihre Aussage.
Wir haben gebetet und versucht, sie zu trösten.
Sie ist Mitte 40, glaube ich.
Am Montag war sie wieder da und ich habe sie gefragt, wie es ihr geht.
Da die Person, von der sie den Diebstahl vermutete, dabei war, erzählte sie darüber nicht mehr.
Sie sagte mir aber, dass sie am Wochenende krank gewesen sei, aber kein Corona habe (deshalb sei sie bei uns, sonst wäre sie zuHause geblieben).
Sie fühle sich aber nocht grippig.
Gestern erhielten wie die Nachricht, dass sie gestern morgen tot aufgefunden wurde von ihrem Freund, der nun auch fix und fertig ist.
So jung- ihre letzten Gefühle waren Verzweiflung, Krankheit, Traurigkeit.
Wir hoffen soooo sehr, dass Worte über Gott ihr Herz erreicht haben!
Die Andacht, die sie am Freitag noch mitbekam hatte als Thema, dass Gott nichts entgeht, dass er über allem steht und dass es bei ihm keine Zufälle gibt (Maria musste hochschwanger nach Betlehem, weil ein König die Volkszählung veranlasste- klingt erstmal nach Strapazen aufGrund von Willkür, aber so erfüllte sich die Prophezeiung aus Micha 5,1, dass der Erlöser aus Betlehem kommt).
Liebe Grüße, Cleo
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Re: Augen offen halten
von Plueschmors am 21.12.2023 22:34Hallo Cleo,
oh nein, das ist aber sehr traurig .
Vielleicht hat sie im letzten Augenblick noch nach Jesus gegriffen. Wir wissen es nicht.
Möge sie nun bei Gott finden, was sie im Leben offenbar niemals finden konnte. Möge Gott ihr die Barmherzigkeit schenken, die das Leben ihr vorenthielt.
Liebe Grüße und Segen,
Plueschmors.
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Re: Augen offen halten
von BekanntvonDamals am 08.02.2024 19:55Re: Augen offen halten
von Cleopatra am 13.02.2024 18:14Hallo,
Hm- das ist natürlich total wichtig und gut und bestimmt findet das auch schon irgendwo statt.
Aber in dem Thread geht es ja vor allem eben um die Frage: "Wo könnte Gott mich gebrauchen?"
Also im Sinne- nicht was andere tun sollten, sondern was ich als Person, die nunmal von Gott nicht durch Zufall hierhergesetzt wurde, tun kann, um Gott zu ehren, um anderen zu dienen?
Ist vielleicht bei mir gerade ein Nachbar, den andere nicht so mögen, der aber einsam ist? Gibt es eine Kollegen, der in Trauer ist? Gibt es in der Gemeinde jemanden, der sich ungesehen und alleine fühlt?
Hierfür sollten wir die Augen geöffnet halten, immer bereit, uns von Gott auch nutzen zu lassen als seine Werkzeuge.
Liebe Grüße, Cleo
PS: Der Freund besagter Frau ist nun bei uns auch regelmäßiger Besucher
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