Das frommdeutsche Vokabular
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Rapp
Gelöschter Benutzer
Das frommdeutsche Vokabular
von Rapp am 17.08.2014 18:48Wieder einmal stand ich bei meiner Buchhandlung an. Ich hatte gehört dass das frommdeutsche Wörterbuch in einer Neuauflage herausgekommen war. Nun wie es so ist: die Warterei war wieder mal für die Katz. "Herr Hefti, bei der nächsten Auflage melden sie sich bitte nicht erst am vierten Tag. Dann ist dieses Buch bestimmt schon wieder vergriffen". Das war wieder einmal dumm gelaufen...
So schreibe ich mal einige Gedanken zur frommdeutschen Sprache frei auf. Frommdeutsch, auch Sprache Kanaans genannt, ist eine für Außenstehende völlig unverständliche Sprache. Uneingeweihte, sprich gemeindeferne Menschen, können diese Sprache unmöglich verstehen. Sie hören Bahnhof oder x eine Fremdsprache, die zwar nach deutsch klingt, aber den Worten vermutlich einen ganz anderen Sinn gibt, als den, den wir im Alltag kennen.
Da sitze ich in Berns berüchtigter Drogenkneipe. Bei mir sitzt Babylon. So nannte man den Jungen. Er hatte mich angequatscht und ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er sein Leben ändern sollte. "Tu Buße, das geht nicht so weiter!" "Tja," war die lakonische Antwort, "letztes Mal als sie mich erwischten kostete das Fr. 40.-- und nächstes mal gibts Knast!" Babylon hat das Wort Buße dem heutigen Sinn nach verstanden, nämlich als Strafe. Die Bibel spricht aber von umdenken. Naja, das wäre ganz was anderes!
Begegnung in der Straßenbahn. Fahrscheinkontrolle! Ich bin ohne gültige Karte hier und werde kanaanäisch rausbefördert, sintemalen ich nicht im Besitze eines gültigen Fahrausweises bin... Der nächste Lachkrampf lässt grüßen!
Lacht aber nicht zu früh. Ich habe eine dringende Bitte: ich mag nicht, wenn man mich lächerlich macht. Doch manchmal beschleicht mich eine leise Ahnung. Es gibt Schreiber in christlichen Foren die ihr ganz simples Deutsch abstreifen, wenn es um geistliche Dinge geht. Da holt man eine längst antiquierte Sprache aus der hintesten Ecke jener besonders tiefen Schublade der Mottenkiste hervor. Dass man verstanden wird ist unwichtig. Wichtig ist der fromme Sound. Der Ton macht ja die Musik - aber dieser Ton klingt schief.
Das zu Beginn und zum nachdenken. Wo habe ich Revisionsbedarf? Ich lass das erst mal sacken...
Willy
Re: Das frommdeutsche Vokabular
von imanuel am 17.08.2014 19:35Hallo lieber Rapp,
Das imanuel muß darüber nachdenken und hofft das der heilige Geist dolmetscht wenn es wichtig ist.
Gott bitte gebe uns eine gebetslast für dein auserwählten Volk,und lass uns eintreten gegen die Ersatztheolgie.
Lass uns Wächter auf den Mauern von Jerusalems sein nach Jes.62,6
marjo
Gelöschter Benutzer
Re: Das frommdeutsche Vokabular
von marjo am 18.08.2014 07:29Vielleicht ist das Problem nicht in erster Linie darin zu suchen, dass die Nichtchristen die Ausdrücke der Bibel nicht (mehr) kennen sondern eher darin, dass die Christen ihnen darin kaum noch nachstehen.
gruß, marjo
Rapp
Gelöschter Benutzer
Re: Das frommdeutsche Vokabular
von Rapp am 18.08.2014 11:26Ich bin ja sicher auch ein wenig vorbelastet: als Übersetzer muss ich immer wieder Sprachbilder der einen Kultur in entsprechende Bilder der Zielkultur übertragen. Schaff ich das nicht, rede ich an den Leuten vorbei. Es bleibt Fremdsprache, auch wenn ich korrektes Deutsch spreche.
So gibt es im hohen Norden kein Fettnäpfchen, in das ich treten kann. Steckt aber jemand seine Nase in fremde Angelegenheiten sagt man: er hat neue Haut auf die Nase bekommen., was hier wiederum keiner versteht. Dort aber ist es sehr logisch: die Nase ist das erste, was erfriert, wenn sie sich im Winter zu weit vorwagt. Dann schält sie sich wie bei einem Sonnenbrand...
Wieder einmal saß ich in der Spelunke mit Babylon zusammen. "Erzähl mir bloß nix von der Bibel. Die ist doch total veraltet!" Im weiteren Gespräch sagte ich: "Schau, du hast in deinem Leben viel Mist gebaut. Jesus hat das alles weggetragen und die Strafe, die du verdient hast hat er am Kreuz erlitten. Wenn du ihn bittest dir zu vergeben, schaut Gott dich an, als hättest du nie im Leben Dummheiten gemacht..." "Dann ist das ja wie eine neue Geburt?!" "Ja, die Bibel spricht von Wiedergeburt. Ich habe einzig versucht, das verständlich auszudeutschen."
Luther sagt zu seiner Bibelübersetzung, er habe dem Mann auf der Straße aufs Maul geschaut. Ich denke, wir Gotteskinder sollten das auch wieder lernen.
Willy
marjo
Gelöschter Benutzer
Re: Das frommdeutsche Vokabular
von marjo am 18.08.2014 11:37Ein gutes Fazit. Ich passe meine Wortwahl auch der Zielgruppe an. Dem Jude ein Jude, dem Griechen ein Grieche, dem Teen ein Teen usw....
Marjo
MichaR
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Rapp
Gelöschter Benutzer
Re: Das frommdeutsche Vokabular
von Rapp am 18.08.2014 16:26Wir Jungs theoretisierten, wer wohl die beste Bibelübersetzung geschaffen habe. Nach einigem Hin und her meinte einer: "Die beste Übersetzung schaffte meine Mami." "Wie? Die hat die Bibel übersetzt?" "Ja, vom Papier in die Tat!"
Hoffentlich sagt man sowas auch mal von mir...
Willy
Rapp
Gelöschter Benutzer
Re: Das frommdeutsche Vokabular
von Rapp am 21.08.2014 09:38Hier im Forum sind wir nicht als Christen unter uns. Sicher schauen ab und an Leute hier rein, die keinen Bezug zu einer Gemeinde haben. Daher meine Bitte christinesisch, die Sprache Kanaans, wenn irgend möglich zu meiden. Es bringt ja nix, wenn ich euch das in Schwedisch sage, so lange keiner von euch diese Sprache versteht... Ihr würdet mich wohl als ziemlich unfreundlich empfinden...
Willy
Re: Das frommdeutsche Vokabular
von solana am 21.08.2014 10:19"Die beste Übersetzung schaffte meine Mami." "Wie? Die hat die Bibel übersetzt?" "Ja, vom Papier in die Tat!"
Da steckt sehr viel Wahrheit drin, lieber Willy.
Eine Erfahrung, die ich während meines Studiums gemacht habe: Je komplizierter sich jemand ausdrückt, um so weniger "beherrscht" er die Materie wirklich so, dass er damit umgehen kann.
Er hat zwar ein "Theorie" in sich selbst "theoretisch" so verstanden, dass er sie wiedergeben kann - aber nur mit "Originalworten" desjenigen, der diese Theorie so verfasst hat. Er könnte sie nicht in einfachen, eigenen Worten beschreiben.
Natürlich kann man auf sehr "abstrakter" Ebene sich sehr kurz und präzise ausdrücken. Das ist aber dann quasi nur ein "Elfenbeinturm für Eingeweihte", die denselben Wissenshintergrund haben.
Das sind dann "abgehobene, theoretische" Diskussionen über "fremde" Erkenntnisse.
Jemand, der die Zusammenhänge selbst durchdacht hat und selbst "erkannt", der kennt auch dern "Weg" dahin - hinauf in den Elfenbeinturm der theoretischen Abstraktion und wieder runter, kann anderen Zusammenhänge einsichtig machen und sie auf einfache Weise mitnehmen, so dass sie auch nachvollziehen können, wie man von einem Schritt auf den nächsten kommt.
Ein ganz anderes Problem ist natürlich auch die Sprachentwicklung.
Mir fällt bei der heutigen Jugend eine starke Einseitigkeit der Sprache und eine Verarmung im Wortschatz und Ausdruck auf, die ich sehr schade finde. Klar ist das ein Phänomen, das durch die veränderten Anfordeungen und Bedingungen der heutigen Zeit zustande kommt und ihr angemessen ist. Trotzdem empfinde ich das als Verarmung, weil mir scheint, dass auch die Erlebnisfähigkeit in gewisser Weise eingeengt ist.
(Zum Missverstehen zwischen Alt und Jung aufgrund unterschiedlichen Wortschatzes gab es vor einiger Zeit eine Fernsehsendung, von der mir meine Eltern - beide bald 90 - berichtet haben. Ich habe sehr darüber gelacht, erinnere mich aber nur noch an die Empörung einer alten Frau, die sagte: "Was für eine Sauerei" als ihr Enkel sie aufforderte, beim Handy den "Kot" einzugeben, um es zu entsperren)
Gruss
Solana
angeführte Bibelstellen (soweit nicht anders gekennzeichnet) sind aus Luther 1984/2017 zitiert nach dem Bibelserver
cipher
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