Gedanken zur Religion

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christ90

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Re: Gedanken zur Religion

von christ90 am 08.01.2016 02:59

@Sonnenkind: Der Grund, weshalb ich meinen Ausführungen stillschweigend eine weitergefasste Bedeutung von Religion zu Grunde gelegt habe, liegt schlicht daran, dass sich jene ursprüngliche Bedeutung des Begriffs, für das was ich zum Ausdruck bringen wollte, als bei weitem zu spezifisch erweist. Liest man meinen Beitrag, so ist es, bei genauerer Reflexion, ziemlich offensichtlich, dass hier nicht von Religion im Sinne von „gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorschriften und Vorzeichen" sondern nur im weiter gefassten Sinne die Rede sein kann.

Ich habe vielmehr den Eindruck, dass der Begriff Religion für viele heute so etwas wie ein „rotes Tuch" ist, von dem man sich reflexartig distanziert. Zumindest machte es hier tlw. so den Eindruck auf mich. Doch frage ich mich dann weshalb das Christentum gemeinhin zu den 5 Weltreligionen gezählt wird? Nun, ich finde das ganze, offen gesagt, einigermaßen lächerlich; will mich auch nicht länger damit aufhalten.

Danke, solana, für deine weiteren Erläuterungen. Dadurch ist mir einiges klarer geworden.

Denn wenn mal ich von mir ausgehe (entschuldige bitte Sonnenkind), dann denke ich nicht als erstes an "Halt", dass jemand sich aus Suche nach Halt mit Gott beschäftigt.

Es stimmt schon: Menschen machen sich nicht vorsätzlich auf die Suche nach Halt, sondern (im besten Fall) nach objektiver Wahrheit. Dennoch ist ein unterschwelliges Verlangen nach Halt, Orientierung in der Welt, in jedem Fall gegeben. Und dieses ist m. E. der letztlich ausschlaggebende Grund, weshalb Menschen sich auf die Suche begeben: Seit jeher ist es dem Menschen darum zu tun Antworten zu finden auf jene grundlegenden, sein Dasein betreffenden Fragen; verbindliche Antworten, die es ihm ermöglichen sich zurechtzufinden in jenem unergründlichen Mysterium, in das er sich hineingestellt sieht, die ihm verhelfen zu einem Wertesystem, mit dem er sich identifizieren kann. Die Antworten, zu denen er gelangt, vermitteln ihm, indem er sie sich zu eigen macht, jenen Halt, dessen er bedarf. (Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass die Antworten der einzelnen Menschen unterschiedlich ausfallen.)
 
Was du über Gruppenidentitäten schreibst kann ich gut nachvollziehen:

Und dieses ist auch die Grundlage für "Gruppenidentitäten" von Menschen mit übereinstimmendem Weltbild und Wertesystem. Hier, in Bezug auf dieses Weltbild und Wertesystem meinte ich, dass, je mehr "in die Breite", je mehr die "Identität" an einzelnen Dingen hängt, um so sicherer und fester ist auch der "Halt", auch der Zusammenhalt einer Gruppe. Aber auch die Abgrenzung gegen andere. Und eben auch die Einschränkung, die Einengung.

Auf religiöse Gruppierungen bezogen bedeutet dies: Je mehr und speziellere Glaubenssätze, je ausgeformter die Lehre, je ausgeprägter die Verhaltensnormen, desto größer die Abgrenzung nach außen hin. Desto größer auch die Enge nach innen hin, der Druck, die Unaufrichtigkeit.

Wirkliche Einheit lässt sich nicht „machen", auf Basis einer Konstitution herbeiführen. Sie hat unbedingte Freiheit zur Voraussetzung und kann nur erwachsen aus einer Gesinnung der Liebe und des gegenseitigen Respekts. Wo diese Liebe und Aufrichtigkeit gegeben ist, ist ein Maximum an Einheit garantiert. Unterschiede im Bekenntnis fallen dann kaum noch ins Gewicht. Und jeder der liebt und „guten Willens" ist, ist in der Wahrheit.

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Merciful

53, Männlich

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Re: Gedanken zur Religion

von Merciful am 09.01.2016 09:14

Ich persönlich mag diesen Begriff 'Religion'.

Ursprünglich brachte dieser Begriff schlicht die Gottesfurcht und Gottesverehrung des Menschen zum Ausdruck.

Es ist beinahe selbstverständlich, dass der Mensch nach seinen Wurzeln fragt und nach des Lebens Sinn auf die Suche sich begibt.

Es ist dem menschlichen Bewusstsein ein Wissen um seine Herkunft eingepflanzt. Er ist sich seiner Natur als Geschöpf bewusst.

In der christlichen Religion wird dem Menschen die Antwort gegeben, dass Gott selbst sich auf die Suche begeben hat.

Die Suche Gottes nach dem Menschen geht allem menschlichen Suchen nach seinen Wurzeln voran.

Weil Gott den Menschen gesucht und in Christus gefunden hat, kann auch die menschliche Suche zum Ziele kommen.

Das ist das Wort von der Versöhnung, die Gott in Christus gab.

Darum wird der Mensch gerufen: Nun lass' dich versöhnen mit Gott.

Das ist die christliche Religion.

Der Glaube an den Christus, die Liebe zu Gott und Menschen, die Hoffnung auf das Kommen des Reiches Gottes.

Merciful

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Burgen
Gelöschter Benutzer

Re: Gedanken zur Religion

von Burgen am 18.02.2016 21:49

Hallöchen,

in den Bewerbungsformularen musste jeweils die Religionsgemeinschaft eingetragen werden. Z.B. ev für evangelisch usw.

In der heutigen Zeit wird die Frage nach der jeweiligen  Religion auf der Straße ebenfalls mit kath, evangelisch usw. beantwortet.

Die freien Glaubensgemeinschaften, wie auch Freikirchen, sehen Religion zumeist als negativ, weil leblos, eher so, wie in der

Bibel von dem Pharisäer berichtet wird.

Religion, egal welche, zielt eher auf Traditionen, die jahrtausende zurückliegen.

Mir selbst erging es so, dass ich versuchte, ev nicht zu benennen. Musste dann aber feststellen, dass die Gespräche eher

schwierig wurden.

Gruß Burgen 

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saschaw
Gelöschter Benutzer

Re: Gedanken zur Religion

von saschaw am 20.02.2016 08:23


Nun ja Burgen, der vergleich mit den Pharisäern ist schon krass. Wobei es zu bemerken gibt, dass auch die Pharisäer am Heilsplan Gottes mitgewirkt haben, sie haben mit aller Kraft das Jüdische Volk vor Spaltung beschützen wollen. Haben dabei unseren Herrn nicht erkannt und so kam es dann zum Tod Jesu.

 

Wie schafft man denn den Bogen zwischen "lebendiger Glaube" und Tradition?
Auch wenn oft im Unterbewusst, so weiß ich dennoch, dass mich diese Tradition über manch Durststrecke getragen hat.

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Burgen
Gelöschter Benutzer

Re: Gedanken zur Religion

von Burgen am 20.02.2016 10:44

Ja, saschaw,

in der heutigen Zeit ist es wohl eher so, dass Religion eine Denominationszugehörigkeit bedeutet.
Zumindest in der christlichen Welt.

Deshalb, wohl wegen der Steuerabgabe, wird auf der Lohnsteuerkarte die Glaubensrichtung eingetragen.

Wir unterscheiden bei einem Christen daher zwischen Religion und Religiosität.

Das äussert sich dann z.B. darin, dass jemand sagt, ich bin der größte Pharisäer. Und von aussen betrachtet,

sieht es so aus, dass er was ganz anderes lebt, als wie er angibt zu leben und zu sagen.

Evtl. kann es sein, dass dieser Mensch noch nicht wiedergeboren ist und die Liebe Gottes noch nicht erfahren hat und
somit auch nicht leben kann an andere Menschen.

Dann würde es heißen, dass er christliche religiöse Phrasen drischt.

Gerade hörte ich:
Josua war im Glauben Gottes
Johannes war in der Liebe Gottes.

Über andere Religionen mag ich mich nicht äussern. Auch nicht zum Mittelalter, Kolonialzeit und heutigen Megaindustrien.
Meiner Auffassung nach, leben alle an Jesu Gebot der Liebe vorbei.

Gruß
Burgen 

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christ90

34, Männlich

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Re: Gedanken zur Religion

von christ90 am 20.03.2016 07:56

Auch wenn ich zuletzt keine weiteren Beiträge mehr verfasst habe, soll dies nicht den Eindruck erwecken, das Thema wäre für mich abgeschlossen; es verfolgt mich vielmehr auch weiterhin, wird es vermutlich noch lange Zeit hindurch...

Neulich stieß ich auf einen Text, den ich im Folgenden gerne unkommentiert wiedergeben möchte, zumal er mir sehr passend erscheint und überdies auch meinem persönlichen Denken (wenngleich nur bedingt meinem Empfinden) sehr nahe kommt. Eventuelle Tippfehler bitte ich dabei zu entschuldigen.



Wissen wir eigentlich, was Religion ist? Ich denke nicht. Schon das Wort schillert in tausend Farben. Wissen wir, was unsere eigene Religion, oder besser: unsere ganz persönliche Religiosität ist? Selbst mit dieser Frage wird so mancher Schwierigkeiten haben. Also stellen wir erst einmal nüchtern fest: Es gibt ein Problem bei der Beantwortung dieser Frage. Und das ist gut so. In Fragen der Religion ist jede leichte Antwort verdächtig. (...)

Schauen wir einmal im Lexikon nach; das ist bei allen Fragen als ersten Schritt empfehlenswert. Im Lexikon findet man unter dem Stichwort „Religion" den aufschlussreichen Hinweis, dass sich das Wort vom lateinischen „religio" ableitet, was „Gottesfurcht" bedeutet. Religion wäre demnach eine von Furcht bestimmte geistige Beziehung zwischen dem Menschen und einem Gott oder mehreren Göttern. Religion ist so gesehen zuerst mal ein Gefühl, und zwar eines, das wir gemeinhin als unangenehm empfinden: Furcht. Aus Furcht und Angst entsteht zumeist nichts Positives. Doch auch die Furcht kann sich zum Positiven wenden – und genau das geschieht in der Religion. Aus Furcht wird Ehrfurcht – Ehrfurcht vor dem Schöpfer und seiner Schöpfung.

Von dem Schriftsteller Adalbert Stifter (1805-1868) gibt es ein kleines, wunderbares Stück Literatur, in welchem der Leser – jeder Leser! – spürt, was in einem Menschen vorgeht, der von einem religiösen Gefühl ergriffen wird. Von Stifters berühmter Beschreibung der Sonnenfinsternis des Jahres 1842 ist die Rede, von jenem Moment, da der Mond die Sonne vollständig verdeckt: „(...) – die Stadt sank zu unsern Füßen immer tiefer wie ein wesenloses Schattenspiel hinab, das Fahren und Gehen und Reiten über die Brücke geschah, als sähe man es in einem schwarzen Spiegel – die Spannung stieg aufs höchste – einen Blick tat ich noch an das Sternrohr, er war der letzte; so schmal, wie mit der Schneide eines Federmessers in das Dunkel geritzt, stand nur mehr die glühende Sichel da, jeden Augenblick zum Erlöschen, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, dass bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten – sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück – es war ein ordentlich trauriger Anblick – deckend stand nun Scheibe auf Scheibe, und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte – das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges „Ah" aus aller Munde und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten." So einfach ist Religion – und so tiefgehend, so tief ergreifend.

Religiosität ist in ihrer reinsten Form ein „herzzermalmendes" Gefühl – dieses bescheidene Gefühl der Unwissenheit angesichts der Natur mit ihren rätselhaften Ereignissen, ihren unendlichen Räumen um uns her und in uns. Religiosität ist ein Gefühl für das All, worin, mal zart, mal heftig, das unbestimmte Wissen von etwas Allmächtigem aufscheint. In solchen Momenten des gefühlten Religionsfunkens kommt mir immer der Gedanke, dass man darin mit allen Menschen, die jemals gelebt haben und jemals leben werden, vereint ist. Besonders stark ist dieses Gefühl beim Blick in den sternklaren Nachthimmel, der ein Blick in die Unendlichkeit ist. Egal, ob diesen Blick ein Vertreter Homo sapiens vor 50 000 Jahren getan hat oder unsereins heute – es ist der gleiche Blick und der gleicht Anblick und das gleiche ergreifende, ehrfürchtige Gefühl, das sich dabei einstellt. Die Stärke dieses Gefühls, so darf man vermuten, bestimmt den Grad der Religiosität.

Religion, so scheint es, liegt dem Sinnlichen näher als dem Gedanklichen. Der Ursprung des Religiösen läge demnach im Anschauen der Schöpfung und dem Staunen über sie. Alles, was danach an Gedanken und Gedankenkonstruktionen hinzutritt, wäre Theologie. Das heißt: Ursprüngliche Religiosität ist ohne jede Theologie möglich. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die wir in Gedanken gleich zweimal unterstreichen; sie besagt, dass man religiös sein kann, ohne eine Religion zu haben. Religiosität ist etwas ganz Persönliches, sie besteht vollkommen für sich und ist von keiner Anschauung eines anderen Menschen abhängig. Religiosität ist Ausdruck höchster innerer Freiheit.

In solchen Momenten gefühlter Unendlichkeit kann es passieren – muss aber nicht! -, dass die eigene winzige Endlichkeit eins wird mit dem Unendlichen. Man fühlt sich als ewig in einem einzigen Augenblick. Und ich vermute, dass dies der Kern aller Religion ist. Sehr schön hat diese „gefühlte Religion" der Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher (1768-1834) in folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „...und wenn ihr so mit dem Universum, soviel ihr hier davon findet, zusammengeflossen seid, und eine größere und heiligere Sehnsucht in euch entstanden ist, dann wollen wir weiterreden über die Hoffnungen, die uns der Tod gibt, und über die Unendlichkeit, zu der wir uns durch ihn unfehlbar emporschwingen." Da ist von Gott noch überhaupt nicht die Rede, weil das Gefühl, das einen erfasst, jenseits aller Worte liegt. „Gott" ist halt auch nur ein Wort unter vielen. Doch eines steht fest: Man kann Gott nicht haben ohne die unendliche Welt, die uns umgibt und die wir in uns bergen bis auf die Atome hinein, aus denen wir bestehen.

Etwas ganz Entscheidendes folgt aus all dem: In der Religion steht die Idee eines Gottes gar nicht so hoch, wie wir gemeinhin denken. Denn mit dem an sich nichtssagenden Wort „Gott" wird das ursprüngliche Gefühl des Staunens auf eine abstrakte Idee hin verengt, eben auf die Gottesidee. An die Stelle des unpersönlichen, aber „herzzermalmenden" All-Gefühls tritt der Glaube an einen persönlichen Gott. Daraus kann sich ein Problem ergeben. Im System der Religion, also der Theologie, kann der Sinn für das Ganze verloren gehen, bis es auf einmal nur noch um den richtigen Glauben geht – und darum, dass alle anderen den falschen haben. Der Glaube wird leidenschaftlich und dabei parteiisch. Diese Leidenschaft kann sich bis zum Fanatismus steigern. (...)

Könnte es nicht sein, dass die Religionen des Ostens, wie der Buddhismus, so wenig zum Fanatismus neigen, weil sie im ursprünglichen „herzzermalmenden" Gefühl verharren, diesem Gefühl des Einsseins mit dem Universum? Sie verzichten auf die Idee eines persönlichen Gottes. Der religiöse Mensch des Ostens bleibt dadurch innerlich frei; er tut alles mit Religiosität, aber nicht aus Religion. Daraus entspringt seine Fähigkeit zur Gelassenheit. Diese ist womöglich das religiöseste Gefühl von allen – und deshalb auch so schwer zu erringen.

Also, was ist nun Religion? Antwort: ein großes Gefühl, vermutlich das größte, das ein Mensch haben kann. Religion ist der Widerhall des Universums in einem selbst. Daraus ergibt sich, was Religion nicht ist: Sie ist kein Sklavendienst an irgendeinem Gott, keine furchtsame Unterordnung unter eine überweltliche Macht, keine Gefangenschaft im muffigen Dogmenkeller irgendeiner Kirche. Sie ist Ausdruck allerhöchster Geistesfreiheit. Wahre Religion ist nur in Freiheit zu haben, weil alle Wahrheit nur aus der Freiheit entspringt. Wo sich das Religiöse mit der Unfreiheit und der Dummheit gemein macht, wird es zur Pseudo-Religion und zur Lebenslüge.

Aus: G. Staguhn: „Wenn Gott gut ist, warum gibt es dann das Böse in der Welt?" S. 9-13.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.03.2016 08:18.

kahate

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Re: Gedanken zur Religion

von kahate am 20.03.2016 14:15

Hallo christ90,

vielen Dank für die Veröffentlichung dieses Textes.
In den vorgestellten Überlegungen und Ausformulierungen finde ich meine eigenen Gedanken wieder.
Besonders die letzten drei Absätze decken sich auch mit meinen Erkenntnissen, die ich in anderen Beiträgen in diesem Forum schon auszudrücken versucht habe. Auch ich sehe ein Problem darin, dass es dem einen oder anderen Glaubenden z.B. beim Studium und bei der Auslegung der Bibel

...auf einmal nur noch um den richtigen Glauben geht – und darum, dass alle anderen den falschen haben. Der Glaube wird leidenschaftlich und dabei parteiisch.
In dem weiteren Text
Also, was ist nun Religion? Antwort: ein großes Gefühl, vermutlich das größte, das ein Mensch haben kann. Religion ist der Widerhall des Universums in einem selbst... ...Sie ist Ausdruck allerhöchster Geistesfreiheit. Wahre Religion ist nur in Freiheit zu haben, weil alle Wahrheit nur aus der Freiheit entspringt.
...fühle ich meine ganz persönlichen Erkenntnisse bestätigt...

Herzliche Grüße von kahate



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Burgen
Gelöschter Benutzer

Re: Gedanken zur Religion

von Burgen am 20.03.2016 23:29

Hallöchen,

vielleicht sollten wir zwischen Religion und Religiosität unterscheiden.

So wie ihr Religion beschreibt würde Religiosität dem Glauben und der Spriritualität, die aus Glauben kommt,

das Lebendige abgraben. Das Leben abgraben.

Das wird sicherlich alle großen Religionen betreffen.

Auch heißt es ja, dass ein Mensch nicht Nichtglauben kann.

Gruß
Burgen 

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kahate

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Re: Gedanken zur Religion

von kahate am 21.03.2016 00:30

Liebe Burgen,

ich empfinde, dass Religion und Religiosität aus einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten sind. Religiosität ist Frömmigkeit bzw. Gläubigkeit.
Spiritualität (im Gegensatz zur Materialität), die Geistigkeit, kommt aber nicht erst aus dem Glauben.

Spiritualität (die geistige Welt) ist neben, in und über die Materialität hinaus real.

Es ist also genau genommen anders herum. Glauben gibt es nur in und aus der Spiritualität.

Herzliche Grüße von kahate

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christ90

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Re: Gedanken zur Religion

von christ90 am 04.09.2016 23:40

sonnenkind: Die Definition die Christ90 (von Religion, Anm.) formuliert hat, ist aber so ungenau, dass z. B. Mitglieder magischer Orden, Reiki-Heiler und Freimaurer darunter fallen, während der Konfuzianismus als Weltreligion mit vielen Millionen Anhängern nicht eingeschlossen ist.

Nun, ich finde deine Kritik mittlerweile durchaus berechtigt. Religion, im weiter gefassten Sinne (und lediglich dieser kommt für meine Erwägungen in Betracht), beinhaltet eine ganze Reihe unterschiedlicher Formen und Aspekte, wovon die die Bezugnahme auf Transzendenz lediglich einen, wenngleich zentralen, darstellt. Von der Religion zu sprechen ist in der Tat problematisch, zumal der Begriff eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene in sich vereint, welche mitunter kaum Überschneidungen aufweisen. Religion letztlich an dem einen, noch dazu sehr vagen Kriterium der Transzendenz festzumachen halte ich inzwischen nicht mehr für sinnvoll, zumal Religion noch um so vieles mehr beinhaltet. Bei der Vielzahl an religiösen Bestrebungen von allem Spezifischen abzusehen und zu einem "gemeinsamen Nenner" zu gelangen, scheint mit in der Tat keine einfache Aufgabe zu sein. Eine solche Gemeinsamkeit liegt m. E., wie gesagt, in der Vermittlung von Halt: Halt als individuelles Bedürfnis bzw. (insbesondere in den früheren Stadien von Religion) soziales Erfordernis. Im Zuge meiner Beschäftigung mit Religion stieß ich bisher auf folgende Begriffsbestimmungen, welche ich im Folgenden gerne wortgetreu zitieren möchte. Ob es sich bei ihnen um wissenschaftlich anerkannte Definitionen handelt vermag ich dabei nicht zu beurteilen, tut m. E. auch nichts zur Sache, jedenfalls scheinen sie mir, jede auf ihre Art, ganz wesentliche Aspekte von Religion herauszustellen.

"Wir müssen sagen, was wir unter Religion und Glauben verstehn. Wir verstehn darunter das suchende, tastende Sinnen und Sehnen, Wollen und Wünschen, Zweifeln, Trotzen und Bitten der menschlichen Seele über das Sicht- und Denkbare hinaus. Das ganze Gebiet des Gewissens, das moralische Gesetz in unserm Innern, das nach Kant jeden ernsten Menschen mit Ehrfurcht und Andacht erfüllt, ist nicht allein sinnlich-sittlich, sondern, wie die Worte "Ehrfurcht und Andacht" zeigen, übersinnlich, unwirklich. Dies Übersinnliche, Überwirkliche lebt in allen Menschen. So wie es Menschen gibt, die im menschlichen Wesen irren, z. B. in Farben, oder im Geschlecht, und auch solche, die seelisch ganz dumpf und stumpf sind, so gibt es auch solche, die jene innere, geistig-seelische Bewegung, eben die Religion, wenig oder irrend, oder garnicht haben. Aber der Masse der geistig und seelisch Gesunden ist sie angeboren. (...)

Religion ist der mit der Schöpfung gegebene, geheimnisvolle seelische Zusammenhang mit dem All, der in jedem Menschen (wohl auch in der Tierseele) lebt, sie gestehe sich ihn oder leugne ihn, sie liebe und pflege ihn, oder vernachlässige oder hasse ihn. (...) Religion, das heißt zu deutsch Bindung. Geheimnisvolle Bindung mit dem ewigen Allgrund haben alle menschlichen Wesen. Wer sagt, ich habe keine Religion, bin nicht religiös, redet Unsinn. Religion haben alle Menschen. So wie das All, Seele und Wille des Alls, in und durch sich selbst, die Schöpfung, die Sterne, die Welten geschaffen hat, wie sie sind, und auf diesem Stern Erde, Berge, Bäume, Tiere und Menschen, wie sie sind, so hat sie, nach eben demselben Schöpferwillen, die Menschen religiös geschaffen, das heißt: in geheimnisvoller Bindung mit ihr selbst, mit dem All. Es ist ein großer Unterschied zwischen Religion und andererseits Kirche und Kirchenglauben. Man muss das scharf auseinanderhalten. Religion hat man; Kirche und Kirchenglauben kann man haben oder nicht haben. Religion ist dem Menschen angeboren; Kirche und Kirchenglauben wird gelehrt. Religion ist das Mitgebrachte, also Erste, Kirche und Kirchenglauben ist das Zugelernte, das Zweite."

aus: G. Frenssen, Der Glaube der Nordmark, 1936, S. 95f

"Was ist Religion? Was ist dies wunderliche Rätsel, das tausend Widersprüche in sich zu bergen scheint? Wir sagen es kurz und schlicht: Religion ist der Eindruck, den die Welt auf uns macht, die Welt und die Dinge, die in ihr sind. Nicht die Oberfläche, nicht der Augenschein, nicht der flüchtige Augenblick. Nein, die wirkliche Welt, die unerschöpfliche Welt, die mit solch verschiedenen Augen uns ansieht, bald mit lachenden, lockenden, bald mit finsteren, unheimlichen Augen. Religion ist der im Innersten empfundene lebendige Zusammenhang unseres Wesens und Lebens mit dem Geheimnis der Welt. Sie ist das Gefühl, daß die Welt ihre unergründliche Tiefe hat, daß nicht der Leichtsinn und die stumpfe Gleichgültigkeit, daß auch nicht der nüchterne rechnende Verstand das letzte Wort über sie spricht, sondern daß etwas Wunderbares, Furcht- oder Ehrfurchtgebietendes in den Dingen ist. Gefühl ist ein missverständlicher Ausdruck. Religion ist die Grundstimmung, mit der die Welt, in der wir leben und atmen, die täglich und stündlich bestimmend auf uns einwirkt, uns erfüllt und durchdringt, uns imprägniert. Das ist die Macht der Religion. Religon ist der Eindruck, den die Welt mit ihrer unergründlichen Wirklichkeit auf des Menschen Seele macht."

aus: B. Dörries, Der Glaube an die Welt, 1920, S. 14

"(...) In dem entwickelungsgeschichtlichen Tatbestande der Religion haben wir gesehen, wie sie das gesamte menschliche Leben umfaßt und doch sich nicht in ein zusammengewürfeltes Chaos auflöst, sondern wie alle ihre Strahlungen sich gegenseitig bedingen, nicht auseinander zu reissen und nicht voneinander zu lösen sind. Welches ist also das zusammenschließende Band? In ihm muß das Wesen der Religion zutage treten und über den Begriff der Religion entscheiden. (...) Jenes Band ist die unauflösliche Einheit unseres Geisteslebens in allen seinen Erscheinungen und Aeußerungen, und die Religion bildet den vollkommensten und zugleich den ursprünglichsten Ausdruck dieser unserer geistigen Einheit, mit der wir dem Leben, seinen Bedingungen und Forderungen so eigenartig und wirkungsvoll gegenübertreten. (...) Der Inhalt einer solchen Religion mag dabei völlig dahingestellt bleiben. In Betracht kommt bei dieser allgemeinsten Begriffsbestimmung lediglich der innere Zusammenhang des Geisteslebens und die Betätigung dieses inneren Zusammenhangs auch in der Lebensauffassung und Lebensführung. DIeser kahle Ausdruck des inneren Zusammenhangs bedarf allerdings vorerst noch der Erläuterung, und eine solche ist um so notwendiger, je inhaltsreicher das Geistesleben ist und je mehr es sich zu höheren Stufen der Kultur entwickelt hat. Für die hier in Betracht kommende Bestimmung des Religionsbegriffs sind ja nicht mehr seine Ursprünge und Entwickelungsphasen maßgebend, sondern derjenige Grad seiner Ausbildung, den er im Verlauf der Zeiten erlangt hat. Nur von hier aus läßt der volle Begriffsinhalt sich erkennen, sein Kern sich ausschälen und seine Keime innerhalb der geschichtlichen Entwickelung sich nachweisen. (...)

Zwei große Gruppen treten uns zunächst hierbei vor Augen. Die eine von ihnen umfaßt die inneren Zusammenhänge unserer eigenen Vorstellungen, Gefühle und Handlungen; und deren Uebereinstimmung untereinander in subjektiv-psychologischem Sinne ist eine erste Bedingung für die religiöse Einheit unseres Geisteslebens. Andererseits aber führt unser Geistesleben uns hinaus in die Außenwelt, deren Getriebe ja unsere geistigen Reaktionen wachruft und dauernd im Dienste unserer Selbsterhaltung beansprucht und über die Selbsterhaltung hinaus unsere Geistesfähigkeiten zum Ringen um die Vormacht anspornt. Wenn anders diese Außenwelt und ihr Getriebe nicht unsere Vorstellungen und unsere Ethik in zusammenhanglose und unstet wechselnde Fetzen reißen und damit auch unser Ich in alle Winde zerstreuen sollen, so müssen sie einer einheitlichen AUffassung zugänglich sein, so muß unsere Erkenntnis auch unter ihnen einen einheitlichen Zusammenhang herstellen und von diesem aus einer einheitlichen Einstellung unseres Gefühlslebens und unserer Ethik die Wege bahnen. Hiermit stehen wir vor der zweiten, einer objektiv-logischen, Bedingung religiöser Geisteseinheit, die nun die Welt- und Lebensauffassung in ihre Schranken zieht. Diese Bedingung setzt auch in allem äußeren Sein und Geschehen einen einheitlichen Zusammenhang voraus, den es forschend zu verfolgen und erkenntnisgemäß zu begreifen oder mittels religiösen Glaubens zu umspannen gilt. Beide Bedingungen indes sind nur die Vorstufen für den höchsten und den eigentlich religiösen Sinn jenes inneren Zusammenhangs, der die Uebereinstimmung unserer subjektiven Einheit mit der objektiven Einheit, in bestimmter Ausdrucksweise die Einordnung unserer subjektiven Lebensbetätigung in die objektive Weltordnung bedeutet. Erst mit dieser Bedingung vollendet sich der Einheitsanspruch des vollentwickelten religiösen Bewußtseins, vollendet sich der allumfassende Begriff der Religion. (...)

Die Religion kann nicht Glaubensreligion oder Gefühlsreligion oder praktische Religion sein wollen, sondern muß sich auf den gesamten Geistesinhalt erstrecken, muß ihn ganz und ungeteilt in sich aufnehmen und ihm Rechnung tragen in Wahrung unserer geistigen Einheit. (...) Einheit des Geisteslebens heißt nicht seine äußerliche Zusammenfassung, sondern seine innere Uebereinstimmung. Und diese innere Uebereinstimmung aller Regungen unseres Vorstellungs-, Gefühls-, und Willenslebens untereinander ist die subjektive Bedingung für jedes echte religiöse Verhalten. Denn jede Unstimmigkeit und jeder Mangel in dieser Hinsicht vernichtet das Wesen der Religion und hat auf ihren Namen keinen Anspruch mehr. (...) Religion ist die einheitliche Ordnung des gesamten inneren und äußeren Lebens nach Maßgabe eines idealen Werts, der dem Leben erkenntnisgemäß zugrunde gelegt wird."

aus: B. v. Kern, Die Religion in ihrem Werden und Wesen, 1919, S. 206-238

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