Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
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Kayla
Gelöschter Benutzer
Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von Kayla am 03.12.2014 09:37Diese Thema hatbmich schon oft beschäftigt. Schon früher, und inzwicshen immer wieder, höre ich von Christen, dass wir uns selbst aufgeben sollen. Wie das aussieht, darüber herrscht längst nicht immer Einigkeit, aber oft genug kam es dabei schon zu recht extremen Aussagen, die mich immer mal wieder etwas verwirren.
Grundsätzlich ist dabei oft die Rede davon, "die andere Wange hinzuhalten" und das wird zwar manchmal interpretiert als "keine Rache üben und niemandem heimzahlen, was er einem selbst getan hat", allerdings habe ich auch schon oft von Christen gehört, dass es bedeutet, dass man gar nicht für die eigenen Rechte eintreten darf und nichts dagegen tun darf, wenn andere einem mehr oder weniger schlimme Dinge antun.
Dann gibt es noch andere Aspekte der Selbstaufgabe: nicht nein sagen, keine Grenzen setzen, nicht auf sich selbst achten, sondern immer nur auf die anderen.
Wie das praktisch aussieht, finde ich oft schwer zu beurteilen und dazu wird auch oft nicht besonders viel gesagt. Allerdings habe ich da meine eigenen Erfahrungen gemacht, denn ich tue mich mitunter recht schwer damit, mich um meine Bedürfnisse zu kümmern.
Ein typisches Beispiel erlebte ich vor zwei Wochen. Ich mache historisches Schwertfechten, dabei übt man immer zusammen mit einem Partner. Wenn es eine neue Übung gibt, muss ein Partner zuarbeiten und der andere kann dann die Übung machen. Das sollte dann wechseln, sodass beide mal zuarbeiten und beide mal die neue Übung machen. Vor zwei Wochen war es eine recht komplizierte Übung und ich hatte eine Partnerin, die oft sehr lange braucht. Ich bin nun auch nicht gerade die allerbeste Fechterin, hatte das Üben also ebenfalls nötig. Sie hatte große Probleme und musste mehrfach den Fechtlehrer fragen, während ich nur zuarbeitete. Irgendwann schlug sie vor zu tauschen, damit ich auch üben konnte, aber sie konnte mir nicht zuarbeiten und war schnell überfordert.
Hier fing das Problem an: Ich fand es schwer, ihr zuzusehen, wie sie schon Probleme damit hatte, mir zuzuarbeiten und ich wollte sie nicht unter Druck setzen, also tauschten wie wieder und sie machte weiter die neue Übung, bis es zumindest einigermaßen ok war. Als ich es dann noch mal versuchen wollte, klatschte der Lehrer bereits, was das Ende der Übung bedeutete. Ich war nicht mehr zum Üben gekommen.
Zugegebenermaßen ärgerte ich mich. Ich zahle ja auch meine Beiträge und meine Fechtpartnerin hätte es mir sicher nicht übel genommen, wenn ich deutlicher gesagt hätte, dass ich auch noch mal üben möchte. Eigentlich denke ich auch, dass das ok wäre, aber wenn man sich gar nicht um seine eigenen Belange kümmern darf, dann müsste ich ja nur den anderen Fehtern zuarbeiten, bis diese von selbst vorschlagen, dass ich auch mal übe. Tun sie es nicht, komme ich halt nicht zum Üben und schaffe schlimmstenfalls die Prüfung nicht und muss zurück in die Anfängergruppe. Müsste ich das als Christ in Kauf nehmen, weil ich mir selbst so unwichtig sein muss, dass ich nicht den Anspruch haben darf, dass ich im Fechtunterricht auch etwas lerne?
Dramatischer wird es z. B. bei der Arbeit. Wie geht man als Christ damit um, wenn man ausgebeutet wird? Wenn man Mobbing erlebt? Wenn man für Dinge verantwortlich gemacht wird, die woanders schief gelaufen sind? Wenn man krank ist, aber weiß, dass die Kollegenunter Druck geraten, wenn man sich krank meldet?
Und wo hört diese Selbstaufgabe auf? Gibt es da eine Grenze? Darf ich mich z. B., wenn ich ausgeraubt werde, dagegen wehren?
Mein Eindruck ist oft, dass viele Christen das soleicht dahin sagen? Man darf nichts für sich wollen, nicht für sich sorgen, aber wie weit würde das gehen?
marjo
Gelöschter Benutzer
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von marjo am 03.12.2014 10:00Hallo Kayla,
Selbstaufgabe wird von uns verlangt? Natürlich hat niemand mehr Liebe als der, der sein Leben lässt für seine Freunde. Das würde ich vielleicht als "Selbstaufgabe" verstehen. Aber in solchen Situationen stecken wir nicht jeden Tag. Wäre auch recht kurzes Unterfangen.
Meintest Du "Selbstverleugnung"?
lieben gruß, marjo
Kayla
Gelöschter Benutzer
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von Kayla am 03.12.2014 10:38Ich glaube, beim Vokabular bin ich mir auch nicht ganz sicher. Ich verstehe unter "Selbstaufgabe", dass man sich selbst aufgibt in dem Sinne, dass einen die eigenen Belange und Bedürfnisse nicht mehr interessieren dürfen. Was genau müsste man denn unter Selbstverleugnung verstehen? Gehört habe ich dazu schon vieles, was aber in dieselbe Richtung geht, also sich absolut nicht mehr um irgendetwas zu kümmern, das einen selbst betrifft.
Rapp
Gelöschter Benutzer
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von Rapp am 03.12.2014 10:51Nun beginne ich zu verstehen, warum heute so viele Pastoren ein Burnout erleben und ihren Dienst quittieren müssen... Hast du mal gelesen wie Paulus die Stattbehörden von Philippi behandelte, als er zu Unrecht ausgepeitscht und in den Knast gesteckt wurde? Sie mussten sich dem Spießrutenlauf aus der Stadt hinaus stellen. Die waren ganz schön dem Spott der Bevölkerung ausgeliefert...
Selbstaufgabe? Marjo, das siehst du richtig. Ich denke, da braucht es Weisheit, das rechte Maß der Selbstbehauptung zu finden.
Willy, in diesem Stück vieles, nur nicht zu "demütig"...
MichaR
Gelöschter Benutzer
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von MichaR am 03.12.2014 10:52nein, Jesus sagt, das wenn wir zuerst nach seinem Reich trachten, wird uns der Rest (quasi automatisch von allein) hinzugegeben werden.
Dies sagt er ja, weil hernach, also nach seinem Reich noch DU Selbst kommst, und lebst! DAS weis er und das ist auch ok
Klar sagt er etwa: "wer sein leben verliert um meintetwillen"- das ist aber kein Aufruf, sondern ein Trost, WENN dies geschieht usw... (!)
Entspann dich! JEsus liebt dich, er will ja keine willenlosen Sklaven oder Robotter, sonst hätter er sie geschaffen: er will ein GEGENÜBER! mit eigenem Herz und Seele und Willen, das aus ERKENNTNIS sich ihm immer weiter hiingibt, je mehr es lernt, das dies das allerbeste ist, also kein Stress - den machst dir grad selber...
Habe deine Lust an dem HERRn und er wird dir geben was DEIN HERZ BEGEHRT <--- (!) PS 37.4
bis hier erstmal in Kürze also das wichtigste!
Ja, und das trachten wird nicht zur Pflicht, sondern aus ERkenntnis und Liebe geschehen, denn wir sind keine Pharisäer, die nur das äußere des "Bechers" reinigen - sondern nach Erkenntnis und Erfahrung weil wir zunehmend erfahren dürfen, das SEINS eben noch besser ist
sei entpannt! Der will keine Menschenopfer! Er will DEINE Liebe, klar Hingabe, aber so wie du willst!
Gibst du ihm gleich alles, wirst sehen, das er allermeist dir das allermeiste lässt an materiellen Gütern etwa(!!)
Natürlich verlangt oder fordert er Hingabe und Selbstverleugnung, was du ja immer mehr etwa was die Sünde betrifft, auch tun wirst und schon getan hast, oder?
Er verlangt oder fordert nichts, was wir nicht zu leisten im Stande wären!
Weist du er will ja nur dein Bestes und auch das du dich an ihm erfreuen kannst - Du sollst sein Gegenüber sein, das seine Lust an ihm hat und ER dein Leben ist/wird, weil er der BESTE ist und das Beste was dir geschehen kann. Du sollst ihn nur völlig liebhaben, das ist alles, dann wirst du zunehmend tun, was er sagt.
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von solana am 03.12.2014 10:58Hallo Kayla
"Selbst"aufgabe verstehe ich so, dass ich das aufgebe, was in mir "von Gott wegstrebt und etwas anderes will" (im Thread von Pal über die Ursünde gehrt es gerade darum).
Nicht, weil ich selbst keine Freude und kein erfülltes Leben haben darf und das alles opfern muss, damit andere um so mehr Freude haben können.
Und auch nicht, indem ich wie ein Asket jede Gefühlsregung unterdrücke.
Sondern indem ich das glaube:
Joh 10,10 . Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.
Und mein "von Gott wegstrebendes "Selbst" aufgebe, mich mit seinem guten Willen und seiner Bestimmung für mein Leben "identifiziere", von daher lebe und dieses "Selbst" verwirkliche, das er mir schenkt.
Immer' mehr da hinein wachsend, indem ich immer mehr erkenne:
Kol 3,10 und den neuen [Menschen] angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat.
Und immer mehr aus seiner Fülle lebe.
Das kann bedeuten, dass ich mal zurück stecke, um dem anderen eine Freude zu machen - und selbst dabei am meisten erfreut werde.
Das kann ich, weil ich die Erfüllung meines Lebens nicht in der Durchsetzung meiner Interessen gegenüber den Interessen eines anderen "erkämpfen" muss, sondern schon aus der Fülle heraus lebe.
Aber es heisst nicht, dass ich mich immer und überall von allen ausnutzen und übervorteilen lassen muss. Denn das - so denke ich - ist auch nicht Gottes Wille. Es bringt den anderen auch nicht weiter und bestärkt ihn nur in seinem falschen Weg. Da kann es viel besser für ihn sein, mal mit der Faust auf den Tisch zu schlagen und Klartext zu reden, damit er erkennt, wie falsch er "unterwegs" ist. Denn das ist Gottes Wille für sein Leben: dass er auch von seinem falschen Weg lässt ...
Gruss
Solana
angeführte Bibelstellen (soweit nicht anders gekennzeichnet) sind aus Luther 1984/2017 zitiert nach dem Bibelserver
Rapp
Gelöschter Benutzer
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von Rapp am 03.12.2014 11:08Kayla, ich hatte einen lieben Freund der sich kaum kopieren lässt. Erino kam eines Nachts gegen zwei Uhr von einer Evangelistion heim. Da sieht er bei senem Holzschuppen einen Traktor mit einem Wagen stehen. Zwei Männer tragen sein mühsam gespaltenes Brennholz aus dem Schuppen. Erino tritt schweigend dazu, fasst mit an. Der Schuppen ist nun ausgeräumt. Erino nötigt die beiden Ganoven zu einem kräftigen Frühstück in seine Küche. Als sie satt waren bemerkt er: Nun seid ihr sicher so nett und stapelt mein Holz wieder im Schuppen auf! Kleinlaut gingen die beiden an die Arbeit. Und Erino? Der konnte ruhig dem Morgen entgegenschlafen!
Kopieren geht leider kaum...
Willy
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von StefanS am 03.12.2014 11:08Hallo Kayla,
Dramatischer wird es z. B. bei der Arbeit. Wie geht man als Christ damit um, wenn man ausgebeutet wird? Wenn man Mobbing erlebt? Wenn man für Dinge verantwortlich gemacht wird,die woanders schief gelaufen sind? Wenn man krank ist, aber weiß, dass die Kollegenunter Druck geraten, wenn man sich krank meldet?
Und wo hört diese Selbstaufgabe auf? Gibt es da eine Grenze? Darf ich mich z. B., wenn ich ausgeraubt werde, dagegen wehren?
ich persönlich kenne wie @marjo schrieb keine "Selbstaufgabe".
Mein Verständnis von "Selbstverleugung", d.h. mich selbst und meine Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen, fängt ganz woanders an.
Nämlich bei der Liebe zu mir selbst!
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (3.Mose 19,18)
Nur wenn ich mich selbst genug liebe kann ich den anderen lieben!
Wie könnte ich jemanden lieben, wenn ich mich selbst nicht liebe?
Das geht nicht, wäre auch geheuchelt und falsch, weil ein Blinder von der Farbe redet!
Wenn ich jemanden liebe, dann kann ich den nächsten Schritt gehen.
Meine Bedürfnisse treten dann in den Hintergrund, weil es mir ein Bedürfnis ist, dem Menschen wohlzutuen.
Dann denke ich auch nicht darüber nach, ob es zu meinem Vorteil ist.
Das ist für mich Selbstverleugung.
Mich selbst aufzugeben kommt für mich grundsätzlich nicht in Frage!!
Jetzt zu meiner Meinung:
Wenn Deine Fechtpartnerin Dich aufhält und Du hast nicht aus purer Nächstenliebe vor, Deine Bedürfnisse (die Prüfung zu schaffen) in den Hintergrund zu stellen, dann wärst Du ganz schön blöd, wenn Du so weitermachst.
Die Grenze, sich nicht zu wehren (z.B. gegen Mobbing, Übervorteilung etc.) ziehst Du selbst.
Ein Christ ist kein blödes Schaf!
Ein Christ hat die Liebe zu seinen Mitmenschen, wenn es darum geht, ihnen wohlzutun.
Er hat sie nicht, um sich zum Deppen zu machen!
Was für ein Zeugnis wären wir dann?
In der Welt stehen wir als Christen unseren Mann bzw. unsere Frau - Weicheier gibt's schon genug, da braucht es nicht noch uns!
M.M.
StefanS
So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
MichaR
Gelöschter Benutzer
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von MichaR am 03.12.2014 11:32was das Fechten als konkretes Beispiel betrifft, Danke für das Beispiel, meine ich das es mal so und so sein kann, etwa das du ihr das trainieren gibst und mal selbst verzichtest, wenn es in Liebe geht. why not?
In den Sprüchen steht, das du nicht allzu gerecht sein sollst, damit du dich nicht aufreibst! <--- heist nun nicht deinen nächsten nicht zu lieben, aber es eben auch nicht "zu übertreiben mit deiner >Gerechtigkeit<"
Will heissen mE.: Wenn du magst, lass sie mal trainieren, und verzichte, wo du es grad kannst in Liebe. Wo du möchtest sag es auch, Rückmelde deine Wünsche: Das ist doch auch wichtig und erlaubt!
Und nein, unter Christen solltest du dich auch mal überforteilen lassen, und nicht vor Gericht mit ihnen streiten, aber es gibt in unserem Lande auch Gesetze, und eine "Obrigkeit" die von ihm für die Gerechtigkeit eingesetzt ist als "Dienerin", da kannst du schon mal auf den Recht bestehen, das tat Paulus auch im Übrigen, etwa als er sich auf den röm. Kaiser berieft - was ihm allerdings letztlich den Kopf kostete...
Du musst dir weder als Christ alles gefallen lassen, noch als Gottes Robotter leben, willenlos, gefühlslos, selbstlos - das ist eine Karrikatur die Jesus nicht verlangt und kaum einer tun kann. Dennoch ist klar Nachfolge und Selbstverleugnung gefragt und nötig! (Damit das nicht verwechselt wird!)
hoffe du hast das obige auch gelesen?
marjo
Gelöschter Benutzer
Re: Selbstaufgabe - wie weit muss sie gehen
von marjo am 03.12.2014 11:36Ok, auch von mir einen praktischen Rat. Was würde ich Kayla bezüglich der Fechtpartnerin raten?
Getreu des Mottos "Seit klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben." würde ich ein Gespräch unter sechs Augen anberaumen. Fechtlehrer, Fechtpartnerin und Kayla setzen sich zusammen und klären den Stand der Dinge.
Das Gespräch verläuft unter der Prämisse, dass sowohl der Fechtpartnerin als auch Kayla geholfen werden soll. Der Lehrer muss auch ins Bild gesetzt werden, sonst kann er seinen Unterricht nicht anpassen. Es wird geklärt, wie die Defizite der Partnerin auszugleichen sind und welche Rolle Kalya dabei spielen kann. Klar ist, dass Kalya das Problem nicht allein bewältigen kann. Da ist der Lehrer ebenso gefordert wie die Fechtpartnerin.
Je nach dem, was aus dem Gespräch herauskommt, muss weiter vorgegangen werden. Vorwürfe und Bitterkeit sollte Kayla vorher mit Jesus bereden, denn so etwas in das Gespräch zu tragen führt zu nichts (gutem).
Mit so einem Gespräch ist allen geholfen und Kayla hat sich so verhalten, dass Jesus sich darüber freut.
lg, marjo