Christliche "Normal"-Gemeinde <--------> Hausgemeinde

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chestnut
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Beiträge: 602

Re: Christliche "Normal"-Gemeinde <--------> Hausgemeinde

von chestnut am 29.06.2021 20:13

Hallo Torben


Die Gemeinde, die du da oben beschreibst, ist für mich wirklich festgefahren. Bevor ich etwas neues "gründe", würde ich erstmals eine andere Gemeinde besuchen und sehen, ob ich mich da wohler fühle.

Denn irgendwann kommt in dieser "Hausgemeinde" auch die Frage von Struktur.
Oder es ergibt neue Fragen, wenn diese Gruppe grösser wird und sich teilt - wer bestimmt? Wer mit wem? Wer ist aussen vor? usw


Ein Hauskreis, wie du ihn in deinem Beispiel beschreibst, ist für mich das beste Beispiel, wie ein Hauskreis grad nicht sein sollte.
Da dürfen doch Themen und persönliche Fragen, Austausch (auch von Problemen) usw. Platz haben.

Liebe Grüsse
Chestnut

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Torben

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Beiträge: 11

Christliche "Normal"-Gemeinde <--------> Hausgemeinde

von Torben am 29.06.2021 16:43

Vorweg: dieser Einleitungstext ist sehr lang! Man kann ihn aber in ca. 5 Minuten lesen.

Worum es geht? Ich will es mal mit einer These formulieren:

Kann es sein, dass sich manche Christen in einer „Normal"-Gemeinde nicht entfalten können sondern sozusagen „brach liegen"? Und dass dieselben in einer Hausgemeinde aufblühen würden, ihre Gaben entfalten und dann vielleicht sogar Menschen zu Jesus führen?

Ich versuch es mal mit einer fiktiven Person namens Timo, meine Gedanken hier auszubreiten:
Timo ist Mitglied einer freien (evangelikalen) Gemeinde. Er geht regelmäßig in die Gottesdienste und hatte dort auch eine Zeit lang einen Dienst. Ab und zu erhält er mal einen Impuls, eine Ermutigung usw., aber irgendwie hat er dennoch so ein feeling, dass er eigentlich etwas anderes braucht im Hinblick auf Gemeinschaft mit anderen Christen. Es ist alles irgendwie immer dasselbe. Der Gottesdienst ist auch in dieser freien Gemeinde von der Form her ziemlich festgefahren. Wenn 1 mal im Monat Leute ans Mikrofon gehen dürfen und erzählen, was sie mit dem Herrn erlebt haben, dann sind das manchmal aufmunternde Highlights, die Timo mehr geben als manche Predigt.
Den Dienst, den er dort wahrnahm, hatte man ihm übrigens vor 1 Jahr völlig unerwartet entzogen. Ein Gespräch über das lösbare Problem, was dahinterstand, hatte es nie gegeben.

Die anderen in der Gemeinde scheinen ja alle ganz lieb zu sein. Trotzdem fühlt sich Timo beim anschließenden Kaffeplausch nicht so richtig wohl. Man redet überwiegend Small-Talk. Das ist für den eher introvertiert veranlagten Timo eh nicht so sein Ding. Der Lärm stört auch. Und kommt es doch mal zu einem echten Gesprächsansatz mit jemandem, dann passiert es sogar ziemlich oft, dass ein dritter ungehörig und respektlos hineinplatzt. Da sich die zwei, die jetzt miteinander reden, sowieso bestens kennen, ist Timo ab sofort abgeschrieben und vergessen. Er zieht schließlich frustriert von dannen.

Ab und zu finden Sonderevents statt, eine Feier, gemeinsames Essen etc.. Sowas ist aber auch nicht viel anders. Timo ist eher froh, wenn er diese Events hinter sich gebracht hat, falls er überhaupt hingeht. Immer wieder hört er, wie schön und wichtig doch das Miteinander in der Gemeinschaft ist, und dass man ja eine Familie sei. Doch Timo spürt das so nicht und hat letztlich andere Familienvorstellungen im Kopf. Ja, er fängt sogar an, an sich zu zweifeln: mit meinem Christsein stimmt doch was nicht, wenn ich mich so unwohl unter den Geschwistern fühle.

Timo ist aber auch in einem Hauskreis der Gemeinde. Da fühlt er sich schon wohler. Die Anzahl der Leute ist überschaubar. Er kann auch mal was beitragen. Aber dennoch: irgendwie reicht das nicht. Die Zeit an einem Alltagsabend ist sehr begrenzt. Man will ja auch Bibelarbeit machen, da bleibt nicht viel Zeit für Persönliches. Timo hat viele Themen im Kopf, die er gerne mal einbringen möchte. Geht aber nicht, weil sie nicht ganz ins Mainstreaming-Denken der Gemeinde passen. Als er es doch einmal wagte, wurde er sofort gestoppt: er solle lieber den Pastor deswegen mal ansprechen. Seine Stärke, mal was zu hinterfragen und neue Denkanstöße zu geben, kann er selbst im Hauskreis nicht einbringen. Zudem war es dort auch immer wieder so, dass im Großen und Ganzen nur einer redete und alle anderen hörten zu.

Man könnte noch sehr viel mehr schreiben, z.B. von Verletzungen, die Timo zugefügt wurden, lieblose Abweisungen, Missachtungen, Übergehungen etc.. Schroffe Umgangsformen aus Gründen der Gemeinderäson: damit die Gemeinde insgesamt und der Gottesdienst speziell „funktioniert" teilt man mal eben bestimmte Entscheidungen mit, ohne über das Problem, was dahinterstand, mit dem Betroffenen gesprochen zu haben (mehrfach geschehen).
Das Gemeinde-"Management" scheint über dem liebevollen Umgang miteinander zu stehen!
Sehr viel Aufwand (Kraft, Zeit, Geld, ...) wird betrieben, damit alles in der Gemeinde „läuft". Wachsen tut die Gemeinde aber nicht, sie schrumpft eher langsam. Richtig zu Jesus gefunden, also eine Neubekehrung, hat es schon seit Jahren nicht mehr gegeben. Da fragt sich Timo immer mehr: wozu eigentlich dieser enorme Aufwand?

Dann gewinnt, auch durch die coronabedingte Bremse des Gemeindelebens hervorgerufen, die Idee der Hausgemeinde immer mehr Gestalt:
Eine Kleinstgemeinde (so zwischen 5 und 12 Seelen, sag ich mal), die sich in einer privaten Stube trifft, hätte viele Vorteile: die Zusammenkünfte können sich viel leichter an dem orientieren, was Paulus z.B. in 1. Kor 14, 26 schreibt: jeder bringe etwas mit, ein Lied, ein Wort der Erkenntnis etc.. Wenn man, weil man sich am Wochenende trifft, viel mehr Zeit einplant, kann sich jeder genügend einbringen, mitteilen, was ihn beschäftigt usw.. Für´s gemeinsame Singen muss nicht ein Musikteam vorher proben, man tut es einfach (hoffentlich ist einer da, der begleiten kann), bei der Auswahl der Lieder kann sich jeder beteiligen.
Dass einer 45 Minuten lang predigt und alle sind still, gibt es nicht (finden wir auch nicht in der Bibel; das Predigen gibt es da nur in missionarischer Funktion). Hat jemand die Gabe des Lehrens, dann kann derjenige einen Impuls geben, aber danach geht es im Gespräch weiter; Bibelarbeit ähnlich. Einen einzelnen Oberhirten (Pastor) gibt es nicht; finden wir auch nicht im NT. Nur Jesus ist der Oberhirte.
Man isst miteinander (sehr wichtig und absolut biblisch) und feiert gemeinsam das Abendmahl. Natürlich betet man gemeinsam oder ist auch mal eine Weile still und versucht zu hören. Weil die Zusammenkünfte im Ablauf eh nicht völlig vorgeplant sind, kann der Heilige Geist auch viel leichter wirken.
Und warum soll nicht auch mal jemand, der ein Instrument spielt, etwas vorspielen oder es trägt einer ein eigenes Gedicht vor etc.. Man ist eben eine Familie! Wer weiß, ob nicht so manch ein „Mauerblümchen" hier aufblüht und seine Stärken zum Einsatz kommen.

Vielleicht sind manche der oben beschriebenen Missstände in einer kleinen Gruppe gar nicht möglich. Und der riesige organisatorische und finanzielle Aufwand der „Normal"-Gemeinden entfällt!!!
Da werden Ressourcen frei, die man für „Außenarbeit" einsetzen kann. Hab schon von Missionseinsätzen einer Hausgemeinde gehört. Wenn sie (hoffentlich) wächst, dann kommt natürlich irgendwann der Tag der Teilung. Ich empfehle den folgenden Vortrag:

www.youtube.com/watch?v=vozqaPYLfM4

Oder auch zum Informieren: www.pistis.org

Bin gespannt auf eure Antworten. Vielleicht hat ja sogar jemand Erfahrungen mit Hauskirchen – das wäre sehr interessant.
Vielleicht findet man meine Gedanken eher unangemessen – dann sagt es mir.

P.S.: falls jemand denkt, der Timo sei identisch mit Torben, dann stimmt das nur teilweise. Ich hab auch Sachen geschildert, die ich mal gehört habe. Und es kann auch sein, dass die Erinnerung an etwas nicht 100%ig war.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 29.06.2021 20:17.
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