wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

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nusskeks

33, Männlich

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 13.08.2025 19:20

Lieber Suchender,


vielen Dank, dass du so offen teilst, was dein Pfarrer dir gesagt hat und wie dich das beschäftigt. Ich kann gut verstehen, dass dich so eine Aussage zunächst ernüchtert. Wenn man bisher davon ausging, dass jede biblische Szene so überliefert ist, wie sie tatsächlich geschah, und dann hört, dass angeblich „Realität und Fiktion" gemischt seien, kann das wie ein Schlag ins Gesicht wirken.

1) „Viele unbekannte Hände – Mischung aus Realität und Fiktion?"
Diese Erklärung wirkt zunächst plausibel, passt aber weder zum Selbstzeugnis der Schrift noch zur inneren Evidenz von Lukas–Apostelgeschichte. Schon Apg 1,1–3 knüpft ausdrücklich an das „erste Buch" an (Lk 1,1–4) – dieselbe Adressatenschaft, derselbe Stil, dieselbe Zielsetzung: sorgfältige Erkundung und geordnete Darstellung. Dazu kommen die Wir-Abschnitte (z. B. Apg 16; 20–21; 27–28), die auf Augenzeugennähe hindeuten. Das Bild, eine Schrift sei „durch viele Hände" frei ausgeschmückt worden, erklärt weder die literarische Geschlossenheit noch die zahlreichen präzisen Sachdetails (Titel, Orte, Reisewege), die gerade Lukas/Apg kennzeichnen. Selbst wo es Textformen gibt (wie bei manchen Handschriften), reden wir von Varianten, nicht von einem Mosaik aus Fiktion und Realität.

2) Die drei Damaskus-Berichte
Die Spannungen lassen sich binnentextlich plausibel erklären, ohne zu Fiktion zu greifen:
– „Hören / nicht hören": Apg 26,14 ergänzt die hebräische Sprache; die Begleiter nahmen etwas akustisch wahr (Apg 9,7), verstanden aber die an Paulus gerichtete Rede nicht (Apg 22,9).
– „Licht sehen / niemand sehen": Die Begleiter sahen kein Personensubjekt (9,7), wohl aber das Licht (22,9).
– „Ich fiel / wir alle fielen": 9 und 22 fokussieren Paulus, 26 weitet den Blick auf die Gruppe.
Das ist Perspektive und Fokus, nicht Absicht zur Dramatisierung.

3) Bibelkritik – Prüfauftrag ja, Grundmisstrauen nein
„Prüft alles, das Gute behaltet" (1Thess 5,21) ist keine Einladung, die Schrift unter das Primat des Misstrauens zu stellen. Genau davor warnen Autoren, die die historisch-kritische Schule von innen kennen und später bewusst auf das biblische Selbstverständnis zurückgekehrt sind: Entscheidend sind die Voraussetzungen. Wenn ich Übernatürliches vorab ausschließe oder mit der Annahme starte, die Texte seien ein Zusammenschnitt unbekannter Redaktionen, werde ich – fast zwangsläufig – bei „Mischung aus Realität und Fiktion" enden. Nimmt man dagegen den Anspruch der Schrift ernst (Joh 10,35; 2Tim 3,16) und Jesu Umgang mit der Schrift (Joh 5,39), liest man Geschichte mit Theologie: Gottes reales Handeln wird in sinnstiftender Sprache bezeugt – nicht in erfundenen Mythen.

Was dir helfen könnte, wieder „Harmonie" zu finden

Lege Lk 1,1–4 neben Apg 1,1–3: Sieh dir an, wie eng beides verbunden ist.

Lies Apg 9; 22; 26 nebeneinander und markiere nur die gemeinsamen Kernaussagen (Erscheinung des auferstandenen Jesus, Stimme, Auftrag, Wendepunkt im Leben des Paulus). Die Unterschiede sind Erzählfokus, der Kern ist konstant.

Halte an zwei Leitfragen fest: (a) Erklären sich die Spannungen innerhalb des Textes? (b) Entspricht meine Methode dem Selbstanspruch der Schrift – oder importiere ich ein Raster, das die Schrift vorher schon relativiert?

Ich verstehe, dass der Satz „Mischung aus Realität und Fiktion" erst einmal Sicherheit zu geben scheint. Meiner Erfahrung nach nimmt er sie am Ende weg. Verlässlichkeit wächst, wenn wir die Bibel so lesen, wie sie sich selbst versteht: Gottes wahres Wort, historisch verankert und theologisch gedeutet – beides zusammen.

Jesus selbst begegnete den Schriften nicht mit Grundmisstrauen, sondern mit tiefem Vertrauen und als Legitimationsbasis. Er zitierte sie als göttliche Autorität („Es steht geschrieben...") und sah in ihnen das Zeugnis über sich selbst (Joh 5,39). Für ihn waren sie der Maßstab, an dem sich alles messen lassen muss – und zugleich der sichere Boden, auf dem der Glaube ruht. Wer an Jesus festhält, darf auch seiner Sicht auf Gottes Wort vertrauen. 

gruß
nk

p.s.: Wir leben in einer Zeit, in der leider auch manche, die das Evangelium verkünden sollten, selbst nicht mehr fest an die Wahrheit der biblischen Botschaft glauben. Das macht es umso wichtiger, dass wir uns nicht allein auf menschliche Worte verlassen, sondern auf das verlassen, was Gott in seinem Wort selbst sagt.

One of Israel

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Suchender

-, Männlich

  Neuling

Beiträge: 11

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Suchender am 13.08.2025 21:47

Lieber Nusskeks,

 

vielen Dank für deine schnelle und umfangreiche Antwort.

Mein Pfarrer – ein studierter Theologe und langjähriger Gemeindeleiter – hat mir heute neben dem Satz „Die Bibel ist eine Mischung aus Realität und Fiktion" noch einen weiteren Spruch mitgegeben, der mir seither nicht mehr aus dem Kopf geht:

„Du findest im Internet jede Lüge dieser Welt perfekt begründet."

Und ich muss sagen: Je mehr ich über deine Antwort nachdenke, desto mehr erkenne ich, wie treffend dieser Satz ist – gerade dann, wenn die fundierten Kenntnisse meines Pfarrers über die Entstehung der biblischen Schriften durch eine KI-Antwort in Zweifel gezogen werden.

Denn zwischen meinem Beitrag um 18:43 Uhr und deiner Antwort um 19:20 Uhr liegen gerade einmal 37 Minuten. Die Länge, Struktur und theologische Präzision deiner Antwort lassen für mich keinen Zweifel:
Sie wurde von einer KI formuliert oder zumindest stark unterstützt. Das ist nicht verwerflich – aber es verändert die Gesprächsbasis.

Mein Vorschlag: Wir sollten es in diesem Forum bleiben lassen, KI-generierte Texte zu posten.
Denn wenn wir das zulassen, treten nicht mehr Menschen in den Austausch, sondern KI gegen KI.
Und das ist ein endloser Kreislauf – denn eine KI wird niemals sagen: „Ich weiß darauf keine Antwort."
Sie wird jede These, jede Sichtweise, jede Lüge dieser Welt perfekt begründen – allein schon, um die Diskussion am Laufen zu halten.
Ich möchte künftig lieber wieder mit echten Menschen sprechen – mit all ihren Ecken, Zweifeln und Pausen. Denn darin liegt für mich die wahre Tiefe des Austauschs unter Christen im Forum.

Herzliche Grüße Suchender

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