Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

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pray

61, Weiblich

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Beiträge: 973

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von pray am 11.08.2020 18:50

Halli hallo,

 

vielen Dank für eure Antworten - hab ich alles verstanden, aber meine Frage war, ob ich bzw. ob jemand vergeben muss, wenn er gar nicht um Vergebung gebeten wurde.
Ignats hat die Bibelstelle, die ich anführte nochmal wiederholt, aber mir fehlt noch das Verständnis, wie es Gott sieht, wenn der Schuldner gar keine Reue empfindet.

Chestnut hat sich Mühe gegeben, zu zeigen, wie Verletzungen heilen können - hm, ich versuche deswegen mal ein anderes Beispiel:
Also, nehmen wir mal an, ich lade Gäste zum Bibelkreis in meine Wohnung ein und einer geht hin und klaut mir viel Geld aus der Handtasche, die in der Diele rumbaumelt. Leid tut es der Person nicht, vielleicht denkt die diebische Person drauf angesprochen noch: Ach, die hat ja genug! Soll sich mal nicht so anstellen!

Muss ich also einer Person vergeben, wenn es sie weder reut noch sie sich entschuldigt? Vieleicht muss ich den Dieb nicht nochmal einladen, aber muss ich in meinem Herzen auf Grün schalten und alles vergeben? Was sagt die Bibel dazu?

Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.08.2020 18:52.

ignats
Gelöschter Benutzer

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von ignats am 11.08.2020 11:55

Andreas schrieb: "Diese Sitte wurde folgendermaßen erklärt:
Lassen sie ihn ertrinken, dann habe sie ihr Recht bekommen, werde aber nie mehr ihren Frieden finden.
Fischen sie ihn heraus, dann haber sie auf ihr Recht verzichtet, werden aber künftig wieder in Frieden leben können.

Dazu finde ich keinen Zugang. Für mich persönlich bezweifle ich stark, dass der Tod des Mörders eines meiner Familienmitglieder mich in Unfrieden stürzen würde,

Aber - das Thema "Vergebung" ist ein weites Feld. Meiner Ansicht nach hat Jesus nicht gelehrt, bedingungslos zu vergeben. Wir Christen sind nicht verpflichtet, ohne Wenn und Aber zu vergeben. Gott vergibt uns unsere Schuld auch nicht bedingungslos. Das Evangelium lehrt, dass Gott Schuld grundsätzlich nur in Christus, niemals an ihm vorbei. "Wenn wir unsere Sünden bekennen, dann erweist Gott sich als treu und gerecht: Er vergibt uns unsere Sünden und reinigt uns von allem Unrecht, das wir begangen haben" (1Joh 1,9)."

Erwartet Gott von seinen Kindern mehr, als er selbst zu gewähren bereit ist? Sicher nicht. Jesus sagt: "Wenn dein Nächster gegen dich sündigt, weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, dann vergib ihm. Selbst wenn er siebenmal am Tag an dir schuldig wird, sollst du ihm verzeihen, wenn er kommt und sagt: Ich bereue es!" (Lk 17,3 b -4)."

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Toni

76, Männlich

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Beiträge: 41

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von Toni am 11.08.2020 11:02


Meine Antwort passt hier wohl nicht exakt hin, denn es geht ja wohl nur um "schwere" Fälle, regelrechte Verbrechen etc.. Da kann wohl ein Betroffener auch nicht alleine mit klar kommen. 

Aber wenn man mal an das "Normale" denkt, was es immer wieder gibt, dann würde ich sage: ja, Gott erwartet auch dann unsere Vergebung. Er tut es schließlich auch! Wenn Er nur das vergibt, was wir erkannt, eingesehen und bereut haben, oh dann sähe es schlecht für uns aus! Gott vergibt auch ohne Einsicht unsererseits ("Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun"), also sollen wir es auch.
Nur mal so viel - wie gesagt - es trifft das Thema nicht ganz. 

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Andreas

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Beiträge: 893

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von Andreas am 10.08.2020 22:13

In einen Film erzählte mal jemand folgendes:
Irgendwo gibt es einen Stamm bei dem es die Sitte gab, dass ein Mörder an den Fluss geführt wurde und alle Bewohner des Dorfes anwesend waren. Dann wurde er an Händen und Füßen gefesselt und in den Fluss geworfen.
Ein Kahn stand bereit. Die Angehörigen der Ermordeten hatten nur die Wahl: Sie konnten den Mörder ertrinken lassen, oder ins Boot steigen und ihn heraus fischen.
Diese Sitte wurde folgendermaßen erklärt:
Lassen sie ihn ertrinken, dann habe sie ihr Recht bekommen, werde aber nie mehr ihren Frieden finden.
Fischen sie ihn heraus, dann haber sie auf ihr Recht verzichtet, werden aber künftig wieder in Frieden leben können.
Das ist für mich ein gutes Beispiel für Vergebung, die eine eigene Entscheidung ist und uns nicht aufgedrängt werden darf.

Für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Wo wir am Ende sind, weiß Seine Liebe immer noch einen Weg.

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chestnut
Administrator

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Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von chestnut am 10.08.2020 21:01

Liebe Pray
Vergeben ist kein einfaches Thema. Es geht dabei immer um uns selbst.

Aber du sprichst hier 2 Themen an:
- das Vergeben
- die Strafe des Täters
Angenommen, es geht um ein richtig schweres Vergehen, das auch eine Straftat darstellt. Angenommen, eine Frau wird von einem Mann vergewaltigt wird, angenommen, ein junges Mädchen von ihrem eigenen Vater missbraucht, was vorkommt.

Ob jemand eine Anzeige erstatten will, ist die Entscheidung des Opfers, mal grundsätzlich formuliert.
Da ist sicher auch massgebend, was das für Folgen haben kann für den Täter und seine Familie. Aber einen Täter nur "schonen" um des Schonens willen, ist sicher auch nicht DIE Lösung. Wenn jemand echte Reue und Willen zur Umkehr bezeugt, ist die Entscheidung sicher noch schwieriger.
Meines Erachtens gibt es dazu keine allgemeine Antwort.

Soll die Frau oder das Mädchen 'einfach so' vergeben? ..

Einfach nur vergeben  ist in der Praxis sicher nicht möglich. Vergeben ist ein Prozess, der manchmal lange, manchmal auch Jahre dauern kann. Gerade bei schweren Verletzungen ist auch eine Begleitung (Seelsorge oder Psychotherapie) sinnvoll. Denn es besteht die Gefahr, dass das ganze nicht bis in die Tiefe verarbeitet wird und somit immer wieder hochkommt.


Vergeben heisst für mich erstmals, jemanden aus der Schuld entlasten:
Mit dem Täter oder dem Schicksal hadern im Sinne von: "Du bist schuld, dass es mir schlecht geht" oder "du bist schuld, dass ich gelähmt bin" usw. bringt niemanden weiter. Es mag zwar wahr sein, aber hilfreich sind solche Gedanken nicht, auch wenn sie erstmals da sind und sein dürfen.
Solche Gedanken blockieren uns für einen neuen Weg MIT dem Geschehenen. Denn das Geschehene kann ja nicht mehr rückgängig gemacht werden, es bleibt geschehen.


Einen Vergebungsprozess durchgegangen zu sein heisst aber nicht automatisch, dass das Erlebte dann auch vergessen ist.
Vielleicht sind auch Folgen geblieben, wie z.B. jemand, der durch einen unverschuldeten Unfall gelähmt bleibt. Die Lähmung wird diese Person zeitlebens an das Geschehnis erinnern. Oder ein Kind aus einer ungewollten sexuellen Beziehung erinnert die Mutter vielleicht immer wieder an den Täter, z.B. wenn gewisse Gesichtszüge des Kindes dem des Täters gleichen.


Soviel mal grad zu deinem Thema.

Liebe Grüsse
Chestnut

Antworten Zuletzt bearbeitet am 10.08.2020 21:06.

pray

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Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von pray am 10.08.2020 20:25

Liebe Geschwister,

 

mir hat jemand eine Frage gestellt, die besser nicht formuliert sein kann und ich weiß nicht so richtig die Antwort auf Basis der Bibel.

Hier die Frage:

Ich würde gerne noch mal auf das Thema 'Vergeben' zurückkommen, falls ich Dir noch mal auf den Keks gehen darf.

Angenommen, es geht um ein richtig schweres Vergehen, das auch eine Straftat darstellt.
Angenommen, eine Frau wird von einem Mann vergewaltigt wird, angenommen, ein junges Mädchen von ihrem eigenen Vater missbraucht, was vorkommt.

Soll die Frau oder das Mädchen 'einfach so vergeben', insbesondere auch dann, wenn der Täter in keiner Weise Reue zeigt?
Darf oder soll die Frau eine Strafanzeige veranlassen? Besteht dazu nicht sogar eine gewisse gesellschaftliche Verpflichtung?

Was denkst Du: wenn jemand einem anderen Menschen irgendein Fehlverhalten vergibt, ist diesem Menschen die Schuld dann auch bei Gott vergeben??
Ich denke gerade so folgendes. Angenommen (nur angenommen), jemand hätte die Möglichkeit zu bestimmen, ob jemand anders für das, was er oder sie getan hat, bestraft werden soll. ''vergeben'' könnte dann heissen: von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen.

Hier was ich Spärliches geantwortet habe:

Du gehst mir nicht auf den Keks, im Gegenteil, das finde ich ganz schön, dass du dir Gedanken machst und ich habe dein Beispiel sehr gut verstanden und habe mir darüber auch schon Gedanken gemacht. OHNE Bibel, nur vom Empfinden weiß man ja, wie Unvergebenheit und Unversöhnlichkeit einen aufzehren kann. Derjenige, der jemand etwas "nachträgt" ist nämlich der, der trägt, der die Last damit hat, der Tragende. Ich habe über so manche Sachen einfach "Schwamm drüber" gemacht und bin nicht mehr mit Groll belastet.
Mit Rachegedanken sowieso nicht - das darf man auch nicht, denn Gott sagt: Rächt euch nicht selbst. Mein ist die Rache (Sinngemäß Römer 12,9)

Die Frage ist, was sagt die Bibel dazu, ob ich jemandem einfach so vergeben soll, auch wenn er sich nicht entschuldigt, ja, es ihm nicht mal leid tut?

Aus folgenden Versen lese ich jedenfalls, dass ich vergeben muss, wenn es dem Anderen leid tut:

Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigen würde und siebenmal wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich!, so sollst du ihm vergeben. (Lk. 17,4)

Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. (Mt. 6,12) (Ich habe die Vergebung bei Gott, weil mir meine Schuld leid tat und ich ihn um Vergebung bat)

Das Gleichnis vom "Schalksknecht", der den König um Geduld  bat, bis er seine Schulden bezahlen kann. Er hat ja gewusst, dass das noch "Rechnungen offen waren" sozusagen. Der König erließ ihm seine Schuld. Der König steht für Gott. Als der Knecht den Palast verließ, traf er einen anderen Knecht, der wiederum bei ihm selber Schulden hatte. Und obwohl der genauso wie er vorher bettelte, war er nicht bereit, die Schulden zu erlassen, so wie es ihm selber gnädig widerfahren war. Das hat Gott dann verurteilt, aber eben hat der andere Schuldner ihn auch gebettelt. (Mt. 18,21-35)

Und weiter fragst du noch, ob es nicht eine gesellschaftliche Verpflichtung gibt, ggf jemand anzuzeigen um beispielsweise weiteren Missbrauch an anderen Kindern zu verhindern.

Das ist auch eine gute Frage. Ich persönlich würde, sofern der Andere Reue zeigt ihm sagen, dass ich vergebe und gucken, ob seine Reue soweit geht, dass er keine Gefahr mehr darstellt. Es soll ja sogar Leute geben, die haben sich selber angezeigt. Ob das nötig ist, wenn man bei Jesus Reue gezeigt hat, sich noch einem irdischen Gericht zu stellen, mag man im Einzelfall für sich entscheiden. Viele Leute haben ja schon mal geklaut, Ämter betuppt usw. Da wäre die Flut der Selbstanzeigen ja riesig. Bei solchen "Vergehen" würde ich denken, es reicht allemal, wenn man das betrogene Geld zurückgibt (vgl. Lk 19.8 ), wenn man es kann - und Gott es einem aufs Herz legt.

Ich persönlich bin nicht so schnell zu verärgern und wenn doch, immer schnell bereit zu vergeben. Wenn man mich darum bittet, sowieso und wenn nicht, dann denke ich, dass der "Böse" nicht weiß, was er tut, denn die Leute folgen ja unbewusst dem Herrn der Welt , der der Teufel ist. Ich bin immer sehr froh, wenn ich Frieden in meinem Herzen über jemand habe.

 

Ich stelle deine Frage aber mal in "mein" christliches Forum, denn mich würde auch sehr interessieren, wie es andere Christen sehen.

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