Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

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pray

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Beiträge: 960

Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von pray am 10.08.2020 20:25

Liebe Geschwister,

 

mir hat jemand eine Frage gestellt, die besser nicht formuliert sein kann und ich weiß nicht so richtig die Antwort auf Basis der Bibel.

Hier die Frage:

Ich würde gerne noch mal auf das Thema 'Vergeben' zurückkommen, falls ich Dir noch mal auf den Keks gehen darf.

Angenommen, es geht um ein richtig schweres Vergehen, das auch eine Straftat darstellt.
Angenommen, eine Frau wird von einem Mann vergewaltigt wird, angenommen, ein junges Mädchen von ihrem eigenen Vater missbraucht, was vorkommt.

Soll die Frau oder das Mädchen 'einfach so vergeben', insbesondere auch dann, wenn der Täter in keiner Weise Reue zeigt?
Darf oder soll die Frau eine Strafanzeige veranlassen? Besteht dazu nicht sogar eine gewisse gesellschaftliche Verpflichtung?

Was denkst Du: wenn jemand einem anderen Menschen irgendein Fehlverhalten vergibt, ist diesem Menschen die Schuld dann auch bei Gott vergeben??
Ich denke gerade so folgendes. Angenommen (nur angenommen), jemand hätte die Möglichkeit zu bestimmen, ob jemand anders für das, was er oder sie getan hat, bestraft werden soll. ''vergeben'' könnte dann heissen: von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen.

Hier was ich Spärliches geantwortet habe:

Du gehst mir nicht auf den Keks, im Gegenteil, das finde ich ganz schön, dass du dir Gedanken machst und ich habe dein Beispiel sehr gut verstanden und habe mir darüber auch schon Gedanken gemacht. OHNE Bibel, nur vom Empfinden weiß man ja, wie Unvergebenheit und Unversöhnlichkeit einen aufzehren kann. Derjenige, der jemand etwas "nachträgt" ist nämlich der, der trägt, der die Last damit hat, der Tragende. Ich habe über so manche Sachen einfach "Schwamm drüber" gemacht und bin nicht mehr mit Groll belastet.
Mit Rachegedanken sowieso nicht - das darf man auch nicht, denn Gott sagt: Rächt euch nicht selbst. Mein ist die Rache (Sinngemäß Römer 12,9)

Die Frage ist, was sagt die Bibel dazu, ob ich jemandem einfach so vergeben soll, auch wenn er sich nicht entschuldigt, ja, es ihm nicht mal leid tut?

Aus folgenden Versen lese ich jedenfalls, dass ich vergeben muss, wenn es dem Anderen leid tut:

Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigen würde und siebenmal wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich!, so sollst du ihm vergeben. (Lk. 17,4)

Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. (Mt. 6,12) (Ich habe die Vergebung bei Gott, weil mir meine Schuld leid tat und ich ihn um Vergebung bat)

Das Gleichnis vom "Schalksknecht", der den König um Geduld  bat, bis er seine Schulden bezahlen kann. Er hat ja gewusst, dass das noch "Rechnungen offen waren" sozusagen. Der König erließ ihm seine Schuld. Der König steht für Gott. Als der Knecht den Palast verließ, traf er einen anderen Knecht, der wiederum bei ihm selber Schulden hatte. Und obwohl der genauso wie er vorher bettelte, war er nicht bereit, die Schulden zu erlassen, so wie es ihm selber gnädig widerfahren war. Das hat Gott dann verurteilt, aber eben hat der andere Schuldner ihn auch gebettelt. (Mt. 18,21-35)

Und weiter fragst du noch, ob es nicht eine gesellschaftliche Verpflichtung gibt, ggf jemand anzuzeigen um beispielsweise weiteren Missbrauch an anderen Kindern zu verhindern.

Das ist auch eine gute Frage. Ich persönlich würde, sofern der Andere Reue zeigt ihm sagen, dass ich vergebe und gucken, ob seine Reue soweit geht, dass er keine Gefahr mehr darstellt. Es soll ja sogar Leute geben, die haben sich selber angezeigt. Ob das nötig ist, wenn man bei Jesus Reue gezeigt hat, sich noch einem irdischen Gericht zu stellen, mag man im Einzelfall für sich entscheiden. Viele Leute haben ja schon mal geklaut, Ämter betuppt usw. Da wäre die Flut der Selbstanzeigen ja riesig. Bei solchen "Vergehen" würde ich denken, es reicht allemal, wenn man das betrogene Geld zurückgibt (vgl. Lk 19.8 ), wenn man es kann - und Gott es einem aufs Herz legt.

Ich persönlich bin nicht so schnell zu verärgern und wenn doch, immer schnell bereit zu vergeben. Wenn man mich darum bittet, sowieso und wenn nicht, dann denke ich, dass der "Böse" nicht weiß, was er tut, denn die Leute folgen ja unbewusst dem Herrn der Welt , der der Teufel ist. Ich bin immer sehr froh, wenn ich Frieden in meinem Herzen über jemand habe.

 

Ich stelle deine Frage aber mal in "mein" christliches Forum, denn mich würde auch sehr interessieren, wie es andere Christen sehen.

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chestnut
Administrator

61, Weiblich

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Beiträge: 602

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von chestnut am 10.08.2020 21:01

Liebe Pray
Vergeben ist kein einfaches Thema. Es geht dabei immer um uns selbst.

Aber du sprichst hier 2 Themen an:
- das Vergeben
- die Strafe des Täters
Angenommen, es geht um ein richtig schweres Vergehen, das auch eine Straftat darstellt. Angenommen, eine Frau wird von einem Mann vergewaltigt wird, angenommen, ein junges Mädchen von ihrem eigenen Vater missbraucht, was vorkommt.

Ob jemand eine Anzeige erstatten will, ist die Entscheidung des Opfers, mal grundsätzlich formuliert.
Da ist sicher auch massgebend, was das für Folgen haben kann für den Täter und seine Familie. Aber einen Täter nur "schonen" um des Schonens willen, ist sicher auch nicht DIE Lösung. Wenn jemand echte Reue und Willen zur Umkehr bezeugt, ist die Entscheidung sicher noch schwieriger.
Meines Erachtens gibt es dazu keine allgemeine Antwort.

Soll die Frau oder das Mädchen 'einfach so' vergeben? ..

Einfach nur vergeben  ist in der Praxis sicher nicht möglich. Vergeben ist ein Prozess, der manchmal lange, manchmal auch Jahre dauern kann. Gerade bei schweren Verletzungen ist auch eine Begleitung (Seelsorge oder Psychotherapie) sinnvoll. Denn es besteht die Gefahr, dass das ganze nicht bis in die Tiefe verarbeitet wird und somit immer wieder hochkommt.


Vergeben heisst für mich erstmals, jemanden aus der Schuld entlasten:
Mit dem Täter oder dem Schicksal hadern im Sinne von: "Du bist schuld, dass es mir schlecht geht" oder "du bist schuld, dass ich gelähmt bin" usw. bringt niemanden weiter. Es mag zwar wahr sein, aber hilfreich sind solche Gedanken nicht, auch wenn sie erstmals da sind und sein dürfen.
Solche Gedanken blockieren uns für einen neuen Weg MIT dem Geschehenen. Denn das Geschehene kann ja nicht mehr rückgängig gemacht werden, es bleibt geschehen.


Einen Vergebungsprozess durchgegangen zu sein heisst aber nicht automatisch, dass das Erlebte dann auch vergessen ist.
Vielleicht sind auch Folgen geblieben, wie z.B. jemand, der durch einen unverschuldeten Unfall gelähmt bleibt. Die Lähmung wird diese Person zeitlebens an das Geschehnis erinnern. Oder ein Kind aus einer ungewollten sexuellen Beziehung erinnert die Mutter vielleicht immer wieder an den Täter, z.B. wenn gewisse Gesichtszüge des Kindes dem des Täters gleichen.


Soviel mal grad zu deinem Thema.

Liebe Grüsse
Chestnut

Antworten Zuletzt bearbeitet am 10.08.2020 21:06.

Andreas

73, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 870

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von Andreas am 10.08.2020 22:13

In einen Film erzählte mal jemand folgendes:
Irgendwo gibt es einen Stamm bei dem es die Sitte gab, dass ein Mörder an den Fluss geführt wurde und alle Bewohner des Dorfes anwesend waren. Dann wurde er an Händen und Füßen gefesselt und in den Fluss geworfen.
Ein Kahn stand bereit. Die Angehörigen der Ermordeten hatten nur die Wahl: Sie konnten den Mörder ertrinken lassen, oder ins Boot steigen und ihn heraus fischen.
Diese Sitte wurde folgendermaßen erklärt:
Lassen sie ihn ertrinken, dann habe sie ihr Recht bekommen, werde aber nie mehr ihren Frieden finden.
Fischen sie ihn heraus, dann haber sie auf ihr Recht verzichtet, werden aber künftig wieder in Frieden leben können.
Das ist für mich ein gutes Beispiel für Vergebung, die eine eigene Entscheidung ist und uns nicht aufgedrängt werden darf.

Für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Wo wir am Ende sind, weiß Seine Liebe immer noch einen Weg.

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Toni

76, Männlich

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Beiträge: 41

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von Toni am 11.08.2020 11:02


Meine Antwort passt hier wohl nicht exakt hin, denn es geht ja wohl nur um "schwere" Fälle, regelrechte Verbrechen etc.. Da kann wohl ein Betroffener auch nicht alleine mit klar kommen. 

Aber wenn man mal an das "Normale" denkt, was es immer wieder gibt, dann würde ich sage: ja, Gott erwartet auch dann unsere Vergebung. Er tut es schließlich auch! Wenn Er nur das vergibt, was wir erkannt, eingesehen und bereut haben, oh dann sähe es schlecht für uns aus! Gott vergibt auch ohne Einsicht unsererseits ("Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun"), also sollen wir es auch.
Nur mal so viel - wie gesagt - es trifft das Thema nicht ganz. 

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ignats
Gelöschter Benutzer

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von ignats am 11.08.2020 11:55

Andreas schrieb: "Diese Sitte wurde folgendermaßen erklärt:
Lassen sie ihn ertrinken, dann habe sie ihr Recht bekommen, werde aber nie mehr ihren Frieden finden.
Fischen sie ihn heraus, dann haber sie auf ihr Recht verzichtet, werden aber künftig wieder in Frieden leben können.

Dazu finde ich keinen Zugang. Für mich persönlich bezweifle ich stark, dass der Tod des Mörders eines meiner Familienmitglieder mich in Unfrieden stürzen würde,

Aber - das Thema "Vergebung" ist ein weites Feld. Meiner Ansicht nach hat Jesus nicht gelehrt, bedingungslos zu vergeben. Wir Christen sind nicht verpflichtet, ohne Wenn und Aber zu vergeben. Gott vergibt uns unsere Schuld auch nicht bedingungslos. Das Evangelium lehrt, dass Gott Schuld grundsätzlich nur in Christus, niemals an ihm vorbei. "Wenn wir unsere Sünden bekennen, dann erweist Gott sich als treu und gerecht: Er vergibt uns unsere Sünden und reinigt uns von allem Unrecht, das wir begangen haben" (1Joh 1,9)."

Erwartet Gott von seinen Kindern mehr, als er selbst zu gewähren bereit ist? Sicher nicht. Jesus sagt: "Wenn dein Nächster gegen dich sündigt, weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, dann vergib ihm. Selbst wenn er siebenmal am Tag an dir schuldig wird, sollst du ihm verzeihen, wenn er kommt und sagt: Ich bereue es!" (Lk 17,3 b -4)."

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pray

61, Weiblich

  fester Bestandteil

Beiträge: 960

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von pray am 11.08.2020 18:50

Halli hallo,

 

vielen Dank für eure Antworten - hab ich alles verstanden, aber meine Frage war, ob ich bzw. ob jemand vergeben muss, wenn er gar nicht um Vergebung gebeten wurde.
Ignats hat die Bibelstelle, die ich anführte nochmal wiederholt, aber mir fehlt noch das Verständnis, wie es Gott sieht, wenn der Schuldner gar keine Reue empfindet.

Chestnut hat sich Mühe gegeben, zu zeigen, wie Verletzungen heilen können - hm, ich versuche deswegen mal ein anderes Beispiel:
Also, nehmen wir mal an, ich lade Gäste zum Bibelkreis in meine Wohnung ein und einer geht hin und klaut mir viel Geld aus der Handtasche, die in der Diele rumbaumelt. Leid tut es der Person nicht, vielleicht denkt die diebische Person drauf angesprochen noch: Ach, die hat ja genug! Soll sich mal nicht so anstellen!

Muss ich also einer Person vergeben, wenn es sie weder reut noch sie sich entschuldigt? Vieleicht muss ich den Dieb nicht nochmal einladen, aber muss ich in meinem Herzen auf Grün schalten und alles vergeben? Was sagt die Bibel dazu?

Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.08.2020 18:52.

ignats
Gelöschter Benutzer

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von ignats am 11.08.2020 20:25

Ich bitte um Entschuldigung - da hab ich den wesentlichen Teil Deiner Frage übergangen

Die Bedingung zur Vergebung heißt nach meiner Erkenntnis: Wenn einer an dir schuldig wurde und bereut, dann vergib ihm. Und wenn er das siebenmal am Tag macht: Vergib ihm. Meiner Ansicht nach geht das eben aus Lk 17,3b-4 hervor: "Wenn dein Nächster gegen dich sündigt, weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, dann verzeih ihm. Selbst wenn er siebenmal am Tag an dir schuldig wird, sollst du ihm verzeihen, wenn er kommt und sagt: Ich bereue es!

Keine Reue empfinden bedeutet demnach für mich, dass ich keine Vergebung gewähre.

Ein Beispiel: Zwischen meiner Mutter, welche schon lange tot ist, und mir, bestand ein sehr schlechtes Verhältnis. Sie griff auf eine sehr üble Weise in mein Leben ein und versuchte später auch, meine Ehe zu sabotieren. Als ich von den akuten Geschehnissen nach einiger Zeit etwas Abstand bewonnen hatte, versuchte ich genau, was dort in Luk. steht: Mit ihr zu reden, sie zumindest auf ihre Fehler hinzuweisen - um ihr dann endlich Vergebung zusprechen zu können. Denn bis dahin ging das nicht. Doch weder erkannte sie, noch bereute sie gar, was sie falsch gemacht und wie sehr sie mir und auch meiner Frau geschadet hatte. Ob sie wirklich nicht erkannte oder nicht wollte, das weiß ich nicht.

Folge war, dass ich mich außerstande war, ihr zu vergeben und genau das habe ich Jesus auch dann so hingelegt. Heute habe ich darüber dennoch Frieden.

So denke ich, es macht schon auch einen Unterschied, ob es sich bei zu vergebenden Vergehen um "Peanuts" handelt, also um Kleinigkeiten, oder ob es dabei um lebensbestimmende Umstände geht.

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Burgen
Gelöschter Benutzer

Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von Burgen am 11.08.2020 23:00



Vergebung ist meiner Meinung eine Einstellung. 

Es beinhaltet sogar, sich selbst zu vergeben.

Wie oft am Tag sind wir von Gottes Vergebung beschenkt. Besonders auch dann, wenn zu dem einen oder anderen Lebensbezug scheinbar kein Grund vorliegt, dass mir vergeben werden sollte. 

Ich denke, Vergebung ist die Voraussetzung für Liebe. Beides wird erlernt. Ziemlich nüchtern betrachtet. Es ist Arbeit. Vergebungsbereitschaft ist das Fundament einer Beziehung, einer Freundschaft. 

Manchmal erinnert mich Abba, Vater an lange zurück liegende Begebenheiten. Und genau das sind dann die "gottseligen" Momente, in denen mir deutlich wird, jetzt ist Vergenung meinerseits dran. 

Manchmal ist die Reaktion sofort darauf eine Freude und Befreiung. Dankbarkeit. Denn manchmal vergehen sehr viele Jahre bis wir endlich mit Gottes Hilfe in die damalige Situation zurück erinnert werden. Nicht weil wir verdammt werden sollen, sondern weil er uns liebt und es Zeit für uns wird, Heilung zu empfangen. Auch wenn es weh tut und man lieber wieder alles in der Versenkung haben will. 

Wie froh und dankbar dürfen wir sein, dass wir nicht dabei allein gelassen werden. Er ist an unserer Seite, er ist dabei. 
Mit anderen Worten zusammenfassend: Vergebung(sbereitschaft) ist in erster Linie für uns selbst. Das zu verstehen schenkt dann auch die Kraft und das Durchhaltevermögen, dem anderen 7x77x, alsoständig zu vergeben ohne verbittert zu sein. 

Die Liebe trägt den Sieg davon. 





 

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nusskeks

54, Männlich

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Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von nusskeks am 12.08.2020 08:58

Über diese Frage(n) muss ich auch schon lange nachdenken. Eine abschließende Lösung kann ich für mich nicht formulieren. Es sind noch immer Bruchstücke.

Zunächst ist es laut Bibel offenbar ungeheuer wichtig, selber Vergebungsbereitschaft zu haben und zu leben. Denn für diese Bereitschaft ist jeder selber verantwortlich, gerade vor Gott. Diese Bereitschaft ist quasi ein Zeichen dafür, ob man die Vergebung  die einem selbst durch Gott zu Teil wurde, verinnerlicht hat. Fehlt diese Bereitschaft, hat dies weitreichende Konsequenzen für meine Beziehung zu Menschen und zu Gott. Jesus findet dafür sehr deutliche Worte, die ich ernst nehmen muss.

Wenn Versöhnung nicht zustande kommt, so soll dies also nicht an mir liegen. Aus meiner Sicht ist dies ein fundamentaler Grundsatz, dem ich immer nachkommen will. DIe Jesu Antwort auf die Frage des Petrus, wie oft er denn jemandem vergeben solle, ist eben nicht 490 Mal. Bei ehrlicher Umkehr, sofern ich sowas denn einschätzen kann, gibt es keine mengenmäßige Grenze für Vergebung.  

Habe ich das Gefühl, jemand bitte ohne wirkliche Einsicht um Vergebung, so spreche ich dies direkt an. Dabei geht es mir nicht um irgendwelche niederen Motive auf meiner Seite, sondern um ehrliche Vergebung und Umkehr. Unehrlichkeit ist nie gut, auch in diesem Bereich nicht.

Nehmen wir meine Mutter als Beispiel, so hat sie bis heute nicht verstanden, was sie mit ihrer Art und Weise alles angerichtet hat. Um meine Familie zu schützen, musste ich den Kontakt zu ihr abbrechen. Trotz mehrfacher Erklärungen, nicht nur von meiner Seite, sieht meine Mutter bei sich kein Fehlverhalten. Was tun? 

Meine Lösung besteht darin, eine stetige Vergebungsbereitschaft auch ihr gegenüber zu haben. Dies habe ich ihr auch mitgeteilt. Nach Jahren bat sie Dana ich um Entschudligung, allerdings noch immer ohne Einsicht. Sie wollte halt nur wieder Kontakt haben.

Nun bedeutet Vergebung nicht, die Taten oder Worte die zur Schuld führten, zu relativieren. Im Gegensatz zu Gott können wir Menschen schwere Schuld auch nicht vergessen. Aus meiner Sicht wäre es sogar fatal, Schuld zu vergessen. Schuld vergessen kann nur Gott, wie man in der Schrift lesen kann.

Daher habe ich im Fall meiner Mutter den Kontakt zwar wieder aufgenommen, behalte ihr verletztendes und traumatisierendes Verhalten jedoch stets im Hinterkopf. Denn sie hat ja nicht zugesagt, ihr Verhalten zu ändern. Im Hinterkopf behalte ich ihr Verhalten nicht, um ihr beständig Vorhaltungen machen zu können, sondern um im Ernstfall gewappnet und vorbereitet zu sein. Ich bleibe also auf der Hut.

Bedrückend ist natürlich, dass mir durch die fehlende Einsicht meiner Mutter, ein wichtiger Teil für die Aufarbeitung der Kindheit von meiner Schwester und mir vorenthalten bleibt. Mein Vater ist ebenfalls keine Hilfe, da er die Verantwortung für eine Familie nie tragen konnte und jeder ernsthafte Rückblick auf sein Versagen um seine Gesundheit fürchten lässt. Da bleibt also das Gespräch mit meiner Schwester und meiner Frau... und natürlich dem Herrn Jesus Christus.

lg
nk 

One of Israel

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Cleopatra
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Re: Muss man dem Anderen vergeben, auch wenn es ihn nicht reut?

von Cleopatra am 12.08.2020 16:23

Hm, es mag vielleicht hart klingen, aber ich selbst sehe es so, dass wir vergeben müssen, ja.
 
"Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern..."
"Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
Epheser 4:32 "
"Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.
Matthäus 6:14"
"Und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
Kolosser 3:13 "
"Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
Lukas 6:37 "
"Da trat Petrus hinzu und sprach zu ihm: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist's genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.
Matthäus 18:21-22 "
 
 
Die Zitate sind aus der Luther-Übersetzung.
 
In all diesen Versen (und es gibt noch mehr Verse zu diesem Thema) steht nicht "wenn er vorher um Verzeihung bittet" oder "wenn es ihm vorher reut".
 
Am markantesten aber finde ich hier folgende Bibelstelle:
 
"Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Matthäus 6:15 "
 
Das klingt für mich eindeutig.
 
Nun, das klingt jetzt vielleicht hart und emotionslos, aber so sehe ich erstmal das Thema an sich.
 
Aber wie schwer das sein kann und wie schmerzhaft es für manche ist, das steht auf einem anderen Blatt.
 
Ich würde einer verletzten Seele auch nicht sofort die Bibelstellen um die Ohren hauen und sagen "sieht zu, so stehts da", sondern ich hätte erstmal absolutes Verständnis, wenn die Emotionen erstmal was ganz anderes wollen.
 
Aber es wurde ja auch schon geschrieben, dass man meistens selbst am Meisten darunter leidet, wenn man nicht vergeben hat.
 
Und ich finde den Hinweis auch sehr wichtig, dass Vergebung vor allem erstmal etwas mit dem Wollen zutun hat.
 
Wenn Jesus uns das so sagt und von uns fordert, dann wird er auch Gelingen schaffen wenn wir ihn darum bitten, da bin ich mir ganz sicher.
 
Und ich finde auch, dass man gerne um Hilfe dafür bitten kann, auch um gemeinsames gebet.
 
Und wenn die Gefühle noch nicht soweit sind, dass man Dinge nicht verarbeitet hat (das kann ma manchmal lange dauern) , dann bedeutet das nicht, dass man nicht vergeben hat.
 
Ich bekomme viel Post udn lese viel von opendoors, was hier schon teilweise so junge Christen erleben mussten- es ist ein großes Wunder, wie Gott diesen Menschen, die teilweise Heimat und Familie verloren haben, Vergebung leben.
Hier sind sie mir ein sehr großes Vorbild.
 
Liebe Grüße, Cleo
 

Die Bibelverse sollen meine Meinung bilden, nicht begründen
Zitate im Forum, wenn nicht anders vermerkt, aus der rev.Elberfelder

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